laut.de-Kritik

Mobber, Blender, Spatzenhirne: Zieht euch warm an.

Review von

"Hast du nicht auch mal was in deinem Leben gemacht, das nicht unbedingt sinnvoll war?", erkundigt sich die deutsche Synchronstimme von Whitney Houston in einem der großzügig eingestreuten Schnipsel aus "Bodyguard" bei selbigem. In Bezug auf diese Platte könnte die am wenigsten sinnvolle Aktion in der Überstrapazierung dieser Schmonzette stecken. Fünf einzelne Skits und dann noch eine weitere Handvoll, versteckt in verschiedenen Tracks ... Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.

Zumal die rührselige Atmosphäre des Blockbusters mit Kevin Costner in der Titelrolle so gar nicht zu Absztrakkts kompromissloser Herangehensweise passen will: Zwischen Hochglanzkino für die Massen auf der einen und der grimmigen Predigt auf der anderen Seite, die bewusst davon absieht, jedem mühelosen Zugang zu gewähren, liegen Welten. "Bodyguard" und "Bodhiguard" eint höchstens ihre Mission: Bei beiden handelt es sich um Beschützer, mit Leib und Seele.

Absztrakkt versteht und inszeniert sich konsequent als Wächter über die Schwachen, Beistand der Außenseiter, zu denen er sich durchaus auch selbst zählt, und als Hüter der Flamme der Erleuchtung. Wer diesen Streiter auf seiner Seite weiß, darf sich glücklich schätzen. Alle anderen, die Mobber, Blender und Spatzenhirne, sollten sich besser warm anziehen. "Feinde der Freiheit, geht auf die Knie."

Möglich - oder eher wahrscheinlich - dass weite Teile der Texte den Verstandeshorizont des Durchschnitts-Mainstream-Rap-Hörers übersteigen oder gleich ganz sprengen. An eine Zielgruppe, die sich willen- und wehrlos der Verdummung ausliefert, verschwenden Absztrakkt und seine Mitstreiter, "Verfechter der true school", aber keinen Atemzug. Wohl aber vertrauen sie auf das Potenzial zur Entfaltung, das in jedem Menschen schlummert – nur eben bei manchem tiefer als bei anderen.

Absztrakkt, der Erwecker, will diese Saat zum Wachsen anregen, während er den Keim zugleich gegen alle Unbill von außen schützen will, mit harter Hand und scharfen Worten. Eine hehre Aufgabe, der er sich zum Glück nicht alleine stellen muss: Wo Absztrakkt nicht als Einzelkämpfer operiert, erhält er Schützenhilfe seitens seiner Kollegen bei 58 Muzik: "Wir machen sowieso den geilsten Scheiß. Damit du das mal weißt." Von Gefälligkeits- oder gar gekauften Features keine Spur: Den Ausschlag für Kollabos wie zum Beispiel mit Cr7z in "Bodhishinobi" liefern immer, das hört man, persönliche Verbundenheit und die gemeinsame Wellenlänge.

Leicht denkbar, dass dem einen oder anderen die Spiritualität, die Absztrakkt beständig vor sich herträgt, schwer auf den Wecker fällt. Da es sich dabei aber um keine Masche, kein mühsam konstruiertes Image oder eine Maske, um irgendwelche Schwächen darunter zu verstecken, handelt, sondern um ehrliches Empfinden, Überzeugung und die Konsequenzen daraus, kann man dem "Gooddha" daraus keinen Strick drehen.

Allenfalls aus den autoritären Anfällen, zu denen er sich ab und an versteigt: "Ich bin dein Meister, und du tust, was ich sage." Naja, mal sehen. Aber wer in alle Richtungen zugleich gegen Schlechtigkeit, Dummheit und Finsternis anrennt, kann sich vermutlich keine Zartheiten gestatten.

Die bleiben auf "Bodhiguard" entsprechend dünn gesät. Seine weichste Seite zeigt Absztrakkt, wenn er in "I Shot The Sheriff" einem Kind - und jedem, der außerdem zuhören möchte - einfühlsam, geduldig und plötzlich gar nicht diktatorisch sein Verständnis des Karma-Gedankens erklärt: Die riesige Freiheit, die diese Sichtweise bietet, aber auch die damit verbundene Verantwortung, etwas aus sich und seinen Möglichkeiten zu machen. Ein Motiv, das immer wiederkehrt: "Was auch geschieht: Bedenke, du hast es verdient."

Die Adressaten der freigebig ausgeteilten Prügel haben selbige zweifellos ebenfalls verdient - insbesondere die "Plastik-MCs", deren Homepages, Videos, Logos, die ganze polierte Fassade, eben, zwar viel hermachen, aber allesamt nicht auf deren eigenem Mist wuchsen. Für diese Kollegen, die vermutlich neben allem anderen auch ihre Texte anderswo in Auftrag gegeben haben, hat Absztrakkt nichts als Verachtung übrig: "Is' doch peinlich!"

Er dagegen hat etwas zu sagen, und er verfügt über die Mittel, seine Themen auch ansprechend zu verpacken: Die Erfahrung vieler Jahre schadet dabei so wenig wie sein überquellender Metaphernfundus und das umfangreiche, stellenweise auch unorthodoxe Vokabular, aus dem er schöpft. Sein entschlossener, teils beinahe verbissener Vortrag strengt auf Albumlänge aber trotzdem an, gerade weil jede seiner Zeilen unter der ihr aufgebürdeten Bedeutungsfracht schier zusammenbricht.

"Bodhiguard" bietet das Gegenteil von Hintergrundbeschallung. Die Texte fordern ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit ein, und sie tun das derart unerbittlich, dass die mächtigen, opulenten, aufwändig produzierten Beats der Snowgoons darüber komplett in die zweite Reihe zurücktreten. Dabei würden die auch in instrumentaler Form Spaß machen, allein schon der zahlreich versteckten Zitate, von Boogiedown Productions und Biggie über Bob Marley zu Cypress Hill, wegen.

"Peace 2 The Guards" etwa wirkt mit mächtigem Sound, Samples und Cuts wie ein großes Schlachtengemälde, auf dem viele Details ihrer Entdeckung harren. Den Fokus von den Lyrics irgendwo anders hin zu bewegen, fällt trotzdem schwer. Aber vielleicht liegt ja gerade darin die Qualität des perfekten Beats: Dass er wirkt wie ein Brennglas und die Aufmerksamkeit genau da bündelt, wo der Meister sie haben möchte.

Trackliste

  1. 1. Bodhiguard
  2. 2. Goodha
  3. 3. Skit 1
  4. 4. Silberummantelte Diamantgeschosse
  5. 5. I Shot The Sheriff
  6. 6. Präsenzkraft
  7. 7. Skit 2
  8. 8. Monica Bellalutschi
  9. 9. Skit 3
  10. 10. Bodhishinobi
  11. 11. Tru Masta Kill
  12. 12. Bad Karma
  13. 13. Bodhicore
  14. 14. Skit 4
  15. 15. Deep Lieb
  16. 16. In Allen Zeiten Und Welten
  17. 17. Stadt Des Lichts
  18. 18. Skit 5
  19. 19. Peace 2 The Guards

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Absztrakkt

"Auf den ersten Blick klingt es eben nach einer Aneinanderreihung möglichst mystischer Wortinhalte, ohne großartigen Sinn", schreibt ein Blogger in …

LAUT.DE-PORTRÄT Snowgoons

Det Gunner (D. Keller) und DJ Illegal (Manuu Rückert) haben sich ihre Meriten im hiesigen Rap-Geschäft redlich verdient. Seit 1999 agieren die beiden …

LAUT.DE-PORTRÄT J.S. Kuster

"Bei instrumentalen Geschichten wie Beats oder Kompositionen lasse ich mir wenig reinreden. Bei Song-Produktionen für andere ist es mir wichtig, dass …

10 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    wie erwartet ein tolles album aber die skits gehen wirklich nicht / von den beats und den texten her nicht so verkopft wie Diamantgeiszt oder das Album mit Roy Marquis/ ich frage mich aber bei ihm wie es weiter geht ob er auf den nächsten einfach neuen kram des Buddhismus erzählt oder mal was anderes macht/ wie viel er über den Buddhismus weiß wieviel er da noch rausholen kann bevor das Thema langweilt/

  • Vor 9 Jahren

    übrigens echt klasse vom label wie viel kram man sich bei denen für lau runterladen kann

  • Vor 9 Jahren

    "Bodhiguard" ist natürlich eine Anspielung auf "Bodhi", was auf Sanskrit und Pali den Erleuchtungs-Prozess bezeichnet.

    Da die Erleuchtung nicht von heute auf morgen kommt (außer im Zen, wo sie für einen kurzen Moment augenblicklich entstehen kann), sondern ein langwieriger Prozess ist, bleibt zu hoffen, dass Absztrakkt noch viele weitere Alben rausbringen wird.

    Hoffentlich geht er mal auf Tour.

  • Vor 9 Jahren

    Bombastisches Album geworden. Die Snowgoons sind für mich aber definitiv dich sekundär bei dem Album. Das ist schon Text/Beat auf Augenhöhe.

  • Vor 9 Jahren

    Kannte den nur als Featuregast. Seine Vortragsart erinnert mich manchmal an Shimls 'Feuer ueber Deutschland'-Auftritt, das muss ich ausblenden, sonst lache ich die ganze Zeit. Und so Dinger wie 'Monica Bellalutschi' sollte er irgendwie komplett lassen, das kommt einfach nur creepy rueber, wenn so ein Typ solche Stuecke schreibt. Sowieso komische Einstellung zu Frauen irgendwie. Ansonsten kommt seine message auch gar nicht bei mir an, fuer sowas bin ich einfach nicht offen genug. Aber von alldem abgesehen: 3 Punkte.

    • Vor 9 Jahren

      3 is ja immer noch überm durchschnitt, zumindest was laut.de angeht...was die fick tracks angeht geb ich dir recht...passt da nicht so wirklich. wobei es eigentlich keinen rapper gibt bei dem diese thematik interessant ist und passt. ausser evtl bei mr.long, falls den noch jemand kennt

    • Vor 9 Jahren

      Klar, ich finde auch entsprechendes von Orgi immer dick, aber wenn da dieser leicht haessliche Typ ploetzlich mit diesen fuer mich voellig humorlos erscheinenden Fickdingern kommt.. das ist irgendwie eklig. Ich hoere mich gerade durch die Diskografie und das macht der dauernd.

      Dazwischen erzaehlt er einem dann diesen Quatsch von Lotusblueten.. da will ich brechen.

      Das klingt alles, als faende ich den scheisse, aber ist ja gar nicht so, der rappt auf dicke beats, hat eine coole Stimme und oft kommen ja schon auch gute Textpassagen bei rum. Aber manches an dem fuckt mich dann echt ab.

    • Vor 9 Jahren

      Kann ich entfernt nachvollziehen, bei einigen sonst sehr guten Tracks haben die Formulierungen der Fick- und Fäkalparts auch für mich das Gesamtbild getrübt. Allerdings auf andere Art und Weise als hier beschrieben.

      Hatte daher nach dem Buch der drei Ringe gehofft, dass so ein ähnliches Album noch einmal erscheint, dann aber mit dem letzten Schliff. Passierte leider nie.