laut.de-Kritik

Zeugnis eines Lebens mit vielen abgründigen Tiefen.

Review von

Richard Manuel, er war es, der "I Shall Be Released" mit seinem Falsetto-Gesang zu einem der besten Stücke des an Höhepunkten nicht armen Ouevres Bob Dylans machte. Als das Lied auf dem Debütalbum von The Band, "Songs From Great Pink", im Jahr 1968 erschien, war ein neuer Kritikerliebling geboren.

Unter den Machtkämpfen, die anschließend zwischen den Mitgliedern ausbrachen, litt Richard Manuel am meisten. Sein Klavier und seine hohe Stimme trugen wesentlich zum Ruhm und Erfolg der Combo bei. Seine immer schlimmeren Depressionen ertränkte er mit Alkohol und Drogen.

Neun Jahre nach Auflösung der Band trat Manuel 1985 in Woodstock in einem Lokal namens "Gateway" auf. Sein Repertoire bestand im Wesentlichen aus Stücken der Band, von Bob Dylan und aus Improvisationen auf dem Klavier. Die besten Momente finden sich dabei zu Beginn, angefangen bei einer mitreißenden Version von Ray Charles' "Georgia On My Mind". "You Don't Know Me" klingt wie eine Art Selbstoffenbarung, wie auch "I Shall Be Released", das nicht Hoffnung, sondern einen Todeswunsch enthält.

Bereits nach wenigen Stücken bleibt von Manuels Stimme kaum mehr als ein heiseres Piepsen übrig. Nach jahrelangem Alkoholmissbrauch ist er ein schwer kranker Mann, der sich an die Bühne und sein Instrument klammert. Ab Cole Porters "Miss Otis Regrets" bringt er kaum mehr als eine betrunkene wie aussichtslose Suche nach der richtigen Note zustande, wobei seine Finger erstaunlich treffsicher bleiben. Den Schluss bilden drei getrennt aufgenommene Improvisationen und die Eigenkomposition "Mitsi's Blues", die mit The Band und einem jaulenden Hund entstand.

Im Mittelpunkt stehen Manuel und sein Klavier, ab und an kommen auch weitere Musiker auf die Bühne, darunter Band-Mitglied Rick Danko, der auf "I Shall Be Released" und J.J. Cales "Crazy Mama" Hintergrundgesang und Gitarre beisteuert. Dafür, dass es sich hier um den Mitschnitt eines Tontechnikers handelt und nicht um eine zur Veröffentlichung vorgesehene Liveaufnahme ist die Qualität erstaunlich gut, auch wenn der Sound etwas künstlich klingt

"Whispering Pines" ist das rührende Zeugnis eines Musikers, dessen Talent in Vergessenheit geraten ist. Besonderen Wert verleiht ihm die Tatsache, dass es sich um seine einzige Soloaufnahme handelt, denn Manuel erhängte sich 1986 in einem Hotelzimmer, während er mit der wieder vereinigten Band auf Tour war. Das traurige Ende eines Lebens mit wenigen Höhen und vielen abgründigen Tiefen.

Trackliste

  1. 1. Grow Too Old
  2. 2. Georgia On My Mind
  3. 3. Instrumental #1 Jazz
  4. 4. Across The Great Divide
  5. 5. You Don't Know Me
  6. 6. King Harvest (Will Surely Come)
  7. 7. I Shall Be Released
  8. 8. Shape I'm In
  9. 9. Instrumental #2 Piano
  10. 10. Miss Otis Regrets
  11. 11. Crazy Mama
  12. 12. She Knows
  13. 13. Hard Times
  14. 14. Chest Fever
  15. 15. Whispering Pines
  16. 16. Tears Of Rage
  17. 17. Across The Great Divide
  18. 18. Piano Quickies #1
  19. 19. Piano Quickies #2
  20. 20. Piano Quickies #3
  21. 21. Mitzi's Blues

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