laut.de-Kritik
Facettenreich, episch, richtig gut.
Review von Kai ButterweckWer zu abwechslungsreichen Heavyrock-Klängen, irgendwo zwischen klassischem Hardrock und zeitlosem Metal, begeistert und laut in die Hände klatscht, der näht sich auch gerne ein großes Halestorm-Patch auf die Festival-Kutte. Die Band um Namensgeberin und Frontfrau Lzzy Hale vereint so ziemlich alles, was den Zauber der Krachmach-Branche ausmacht. Harte Schale trifft auf weichen Kern. Große Gefühle vereinen sich mit bedingungsloser Härte. Zwischen hart und zart ist der Übergang fließend.
Auf ihrem neuen Album "Everest" treiben es die Amerikaner nun auf die Spitze. Und natürlich marschiert Lzzy Hale dabei vorneweg. Die Frontfrau singt, schreit, röhrt, kreischt und flüstert um ihr Leben – und das in jedem Song. Die Palette ist riesig und vielfältig.
Lzzy Hale versprüht den fauchenden Vibe einer Joan Jett genauso wie die überzogene Dramatik einer Lady Gaga. Die 41-Jährige ist zweifelsohne ein Multitalent am Mikrofon. Auch ihr Gefolge liefert beeindruckend ab, sodass man mit dem Applaudieren irgendwann gar nicht mehr hinterherkommt.
Highlights gibt es en masse. Der krachende Opener "Fallen Star" nimmt den Hörer mit auf eine wilde Reise, in der die Emotionen hörbar übersprudeln. Knallharter Metal trifft auf mittelalterliche Folklore. Und mittendrin sorgt eine epische Bridge für nicht enden wollende Gänsehautschübe. Dem schleppenden Kraftprotz "Everest" folgt die kraftvolle Halbballade "Shiver". Das anschließende "Like A Woman Can" ist ein bluesiges Rock-Statement, das all jene verzückt, die gerne wissen würden, wie es wohl geklungen hätte, wenn sich die Damen Alanis Morissette, Janis Joplin und Melissa Etheridge mal zu einer Jam-Session verabredet hätten.
Die Energie nimmt nicht ab – ganz im Gegenteil. Halestorm bleiben konsequent auf Kurs und legen mit dem düsteren Sabbath-Gruß "Rain Your Blood On Me" energisch nach. Was besonders beeindruckt: Trotz des sehr trockenen und rotzigen Grundsounds erzeugt die Band eine fast schon epische Atmosphäre. Nach der fulminanten Single "Darkness Always Wins", dürfte der eine oder andere Musikpolizist da draußen kurz aufmucken und die Frage in den Raum stellen: Haben sich Halestorm etwa beim australischen Musikduo Feenixpawl ("In My Mind") bedient? Wer mich fragt: Who cares? Wenns geil klingt, klingt's geil. Und der Refrain von "Gather The Lambs" klingt einfach geil. Punkt.
Auch die zweite Albumhälfte hat viel zu bieten, wenngleich sie im Vergleich zur ersten etwas abfällt. Das völlig abgedrehte "WATCH OUT!" ist ein wilder Mix aus Metal, Rock und rotzigem Hardcore. Der schleppende Filler "Broken Doll" bleibt eher blass. "K-I-L-L-I-N-G" lässt die Herzen von Stoner- und Industrial-Punk-Fans höherschlagen.
Am Gipfelkreuz angekommen, sendet Lzzy Hale Grüße an Courtney Love ("I Gave You Everything") und zieht gemeinsam mit ihren Bandkollegen noch einmal alle Drama-Register ("How Will You Remember Me?"). Fazit: Mit ihrem fünften Studiowerk "Everest" blicken Halestorm weit über den eigenen Tellerrand hinaus und hinterlassen auch abseits der klassischen Genrestrukturen markante Spuren. So schrammt das große Ganze nur haarscharf an der Bestwertung vorbei.
6 Kommentare mit einer Antwort
Nice, dass du die Platte übernommen hast. Gerade mal für eine Woche in Norwegen unterwegs. Ja, sehr abwechslungsreich und vor allem echt gute, facettenreiche Vocals. Hat mir auch sehr gut gefallen.
Läuft ständig bei mir! Sehr vielseitige Platte. Everest und Fallen Star sind meine Favoriten. 4.5
Dieser Kommentar wurde vor 4 Tagen durch den Autor entfernt.
Ja, das ist sehr handgemacht und ehrlich. Mit viel Abwechslung und Härte, aber auch schön zum Wandern in der Tundra. Die Titel der Songs passen zum Inhalt - so will man das!
4 Sterne (kann ja sein, dass mir irgendwas noch unangenehm auffällt bei den nächsten 50 Durchläufen, haha)!
...es sei zudem angemerkt, dass der Song "Everest" bereits als zweitplatzierter in der Songliste eingebettet ist, was eine trickreiche Übermensch-Allegorie symbolisiert: die Reise ist auch Oben noch lange nicht zu Ende und fängt jetzt direkt nach dem "Absturz" erst an. Also sprach Wieselthundra!
US-amerikanische Jennifer Weist
Ich bin nach einem Lauscher eher beim Veriss von plattentests.de
Klingt für mich alles recht generisch und nach Übungen aus dem Songwritercamp.