laut.de-Biographie
Alligatoah
"Willst du dir 'nen Namen machen, musst du auf die Straße kacken. Zeig' den Leuten mal, was in dir steckt." Mit Introvertiertheit hat im Rap-Zirkus noch niemand einen Blumentopf gewonnen. Weiß Alligatoah.
Oder wissen Alligatoah? Zum Personal der Crew zählt neben Rapper Kaliba69 schließlich auch Produzent DJ Deagle, der musikalische Perfektionist. Dass ein und dieselbe Person beide Charaktere verkörpert: eine Randnotiz. Lukas Strobel ist offenbar viele, und zudem vielseitig begabt.
Schon zu Schulzeiten in seinem niedersächsischen Heimatdorf in der Nähe von Bremen fabriziert er, Jahrgang 1989, eine Reihe von Kurzfilmen. Ein Talent, das sich später beim Dreh von Videoclips bestens brauchen lässt.
"Ich habe schon vor Alligatoah ein paar Funtracks für meinen Freundeskreis gemacht", so Strobel, "allerdings eher mit der Absicht, den bei uns verhassten Hip Hop zu verarschen." Das eigene Umfeld bezeichnet er als "Punkrock-dominiert".
So mancher Schuss geht aber nach hinten los. Gegen die Liebe ist eben kein Kraut gewachsen. "Ich bin da immer tiefer reingerutscht, bis ich deutschen Rap richtig gern hatte, mit allem Drum und Dran."
Einsam machts aber halt doch wenig Spaß: "Ich habe diese beiden fiktiven Terroristen erfunden, weil ich nicht ganz allein sein wollte mit Texte schreiben, Beats bauen, Videos drehen, Artworks gestalten, Webseite programmieren und was noch alles dazu gehört, um sich heutzutage Musiker nennen zu dürfen", erinnert Alligatoahs Homepage an den Start seines doppelgesichtigen Projekts im April 2006.
Wobei ... Gesicht ... Die Gesicht(er) des/der Beteiligten verhüllen anfangs noch schwarze Sturmhauben. "Der Zahn der Zeit hat langsam die Maske vom Kopf gehoben", so Alligatoah später in einer Plauderrunde des Splash!-Mags unter Battlerappern. Auch der zu Beginn doch ausufernd beleuchtete Themenkreis Terrorismus ist irgendwann abgefrühstückt. "Jetzt' spiel ich andere Rollen." Während mancher Kollege höchsten Wert auf Authentizität legt, bezeichnet sich Alligatoah hemmungslos als "Schauspielrapper".
"Über mich und mein Leben gibt es nichts zu rappen, das ein Publikum zu interessieren hat. Wenn wir uns unserer Fantasie bedienen, sind unseren Themen keine Grenzen gesetzt und der Entertainmentfaktor ist höher." Auf Spaß alleine will sich Alligatoah aber nicht reduzieren lassen: "Falsch! Wir machen Satire. Diese Art der Darstellung beinhaltet die komödiantische und ironische Präsentation eines eigentlich ernst gemeinten Themas."
Alligatoah legt gleich im Gründungsjahr auf seiner eigenen Plattform Triple Penis Entertainment das erste Album "ATTNTAAT" vor. Der erste Teil einer Mixtapereihe mit dem Titel "Schlaftabletten, Rotwein" folgt. Wie auch der Film "Goldfieber" steht alles zum kostenlosen Download bereit. "Die Texte und Ideen, die in meinem Kopf schwirren, müssen raus", so Alligatoah gegenüber m8-rapblog.de. "Ob ich damit jetzt Geld verdiene oder nicht."
Es folgen mehr Schlaftabletten, mehr Rotwein, ein Vertrag bei rappers.in, nach dem Abitur der Umzug nach Berlin und im Herbst 2008 das Album "In Gottes Namen", das die Juice zum Demo des Monats auslobt.
Für den dritten "Schlaftabletten, Rotwein"-Teil arbeitet Alligatoah mit Timi Hendrix von Pimpulsiv zusammen. "So kam der Kontakt und später der gegenseitige Wunsch, mehr miteinander zu arbeiten, zustande", ebenso Alligatoahs Wechsel ins Trailerpark-Camp. Zusammen mit Sudden, Pimpulsiv und DNP tourt Alligatoah, wird zu einem Teil des Trailerpark-Bandprojekts und spielt unter anderem in Vorprogramm von K.I.Z.
Ein paar Monate später ist an das Dasein als Vorgruppe nicht mehr zu denken. Sowohl Trailerpark als auch Alligatoah als Solo-Act erspielen sich eine sehr große, sehr treue Fanbase. Die Single "Willst Du" vom 2013 erscheinenden Longplayer "Triebwerke" erreicht Platin-, das Album selbst den Goldstatus. Darüber hinaus katapultiert es den Wahl-Berliner auf den Radar von Feuilleton und breiter Öffentlichkeit.
Sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen kommt für Strobel aber nicht in Frage: Im Januar 2015 beginnt er mit den Arbeiten an seinem Album "Musik Ist Keine Lösung" und interpretiert es in Zusammenarbeit mit diversen Straßenmusikern noch einmal neu. Während sich der Vorgänger noch hauptsächlich zwischenmenschlichen Beziehungen widmete, bearbeitet Alligatoah nun, in Anlehnung an ältere Werke, gesellschaftspolitische Themen.
Von den Battlestyles seiner Anfangstage, als der Einfluss von Aggro Berlin noch allgegenwärtig war, hat sich Alligatoah längst verabschiedet. "Ich benutze Battlen eher als Werkzeug, zum Geschichtenerzählen." Auf seiner Homepage heißt es: "Meine Lieder handeln von Verblendung und gnadenloser Naivität. Oft geht es dabei sehr erheiternd und lustig zu, aber: Obacht! Manchmal ist mehr zwischen den Zeilen verborgen, als die Zirkusfeeling-erweckenden Melodien vermuten lassen."
Eingebungen dafür lauern an jeder Ecke. "'Namen Machen' ist mir beim Fahrradfahren eingefallen. Vielleicht war es das Quietschen meiner ungeölten Kette oder der meine Pobacken penetrierende, langsam immer tiefer in meine Arschritze gleitende Sattel. Vielleicht war es aber auch nur ein Haufen Scheiße auf der Straße, an dem ich vorbei gefahren bin und der mich so freundlich angelächelt hat. Inspiration kann man überall finden."
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