Porträt

laut.de-Biographie

Chefket

"Ich will in diesem Leben, das nur einen Augenblick dauert, etwas hinterlassen. Nicht nur, dass ich alle ficke, sondern auch etwas Positives schaffen." Um diesen hehren Vorsatz zu realisieren, braucht es Inhalt, Flow, Humor und allem voran Originalität.

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Chefket besitzt all das im Überfluss. Neben ausgefeilten Rap-Skills verfügt der Mann mit türkischen Wurzeln über einen umfangreichen Wortschatz in gleich mehreren Sprachen, über scharfe Beobachtungsgabe und hohe Ansprüche an sich selbst.

Eine ordentliche Portion Selbstironie schadet darüber hinaus auch nicht. Den zweifelhaften Titel "Der größte Zeigefinger Deutschlands" trägt Chefket mit einem Augenzwinkern.

Sein Weg beginnt als Sohn türkischer Zuwanderer im beschaulichen Heidenheim auf der Schwäbischen Alb. Zuhause wird Türkisch, draußen Deutsch gesprochen: nicht die einfachste Situation, aber eine, die es ermöglicht, das Beste aus beiden Kulturen aufzuschnappen.

"Keiner hat es geschafft, meinen Namen richtig auszusprechen", erinnert sich einer, der eigentlich Şevket heißt. "Deshalb habe ich die Falschaussprache 'Chefket' einfach angenommen und musste so erst gar nicht nach einem Künstlernamen suchen." Die ursprüngliche Bedeutung (Hoheit oder Exzellenz) macht sich auch in einem Pseudonym prächtig.

Der Griff zum Mikrofon: In der kulturellen Einöde seiner Heimatstadt bietet er eine Fluchtmöglichkeit. Sein Gesangstalent erbt Chefket vom Vater. Für seinen ersten Kontakt mit Hip Hop sorgt die Schwester: Sie bringt Nas' Album "It Was Written" ins Haus und die Dinge ins Rollen.

Chefket wühlt sich durch die Plattensammlung eines befreundeten DJs und rappt, zunächst auf Englisch, später auf Deutsch und Türkisch, über Beats jeder Art. Auf B-Boy-Battles im örtlichen Jugendzentrum schnappt er sich das Mic. Viel mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Er schafft den Sprung aufs Gymnasium, ist dort einer von ganzen drei türkischen Schülern unter insgesamt 700. Der Außenseiterstatus hinterlässt Spuren, die einsetzende Pubertät erledigt den Rest: "Da war ich vierzehn. Ich habe dann sechs Jahre durchgekifft und kann mich an fast nichts mehr erinnern. Ich weiß nur, dass ich geskatet bin, Musik gemacht habe, von ein paar Schulen geflogen bin und grade noch meinen Abschluss gemacht habe."

Chefket - 2112
Chefket 2112
Hungrig und aggressiv wie noch nie.
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Erste Bühnenerfahrung sammelt er in den Reihen seiner Band Nil. Trotz positiver Reaktionen wird ihm Heidenheim bald zu eng: Chefket wagt Mitte der Nullerjahre den Umzug nach Berlin. Seine Brötchen verdient er hier zunächst als Barkeeper.

Um in der überlaufenen Hauptstadt auch musikalisch Fuß zu fassen, lässt er aber keine Open-Mic-Session, kein Freestyle-Battle aus. Die Fähigkeit, zu unterschiedlichsten Genres zu rappen, kommt ihm hier entgegen: "Ich habe das in Heidenheim jahrelang trainiert. Deshalb kann ich heute zu Jam-Sessions jeder Musikrichtung gehen."

Chefket legt seiner Karriere ein solides Fundament, knüpft Kontakte. Über die Kollegen von den Ohrbooten triff er auf Amewu. Anfang 2009 werden die beiden Labelkollegen, als Chefket bei Edit Entertainment unterzeichnet.

Bald blickt er auf zahllose Kollaborationen (unter anderem mit Amewu, den Ohrbooten oder Culcha Candela), Samplerbeiträge (etwa auf "Deutschlands Vergessene Kinder") und diverse Auszeichnungen zurück: Aus den End Of The Week-Freestylebattles geht er 2008 als deutscher Champion hervor, bei den Weltmeisterschaften im Februar 2009 wird er Zweiter.

Für viel Aufsehen sorgt 2007 ein Fernsehauftritt mit der türkischen Pop-Sängerin Sertab Erener. Er ebnet Chefket den Weg auf die Bühnen diverser Weltmusik-Veranstaltungen. Als Vorzeige-Türke möchte Chefket jedoch ebenso wenig herhalten, wie als Gangster- oder Straßenrapper.

Auch sein finsteres zweites Ich $im$ek geht bald wieder in den Ruhestand: "Er war mein Begleiter und ist irgendwann auf der Strecke geblieben. Ich finde ihn lustig und es war entspannend, den ganzen Bullshit rauszulassen. Aber der Mittelfinger und der Zeigefinger ergeben nun mal ein Peacezeichen. Das Negative in meinem Leben hat sich verflüchtigt."

Kein Wunder, blickt Chefket doch bald auf ein ordentliches Portfolio: Nicht nur einheimische Kollegen wie Marteria oder Samy Deluxe arbeiten mit ihm zusammen. 2010 unterstützt Chefket auch Brother Ali und Tech N9ne als Support Act. Kein Wunder, nennt er sein im Jahr darauf erschienenes Mixtape "Guter Tag".

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So richtig gut wird es allerdings erst ein paar Jahre später: Chefkets zweites Studioalbum "Nachtmensch" beschert ihm nicht nur den Durchbruch in den Mainstream, sondern auch eine Top-Ten-Platzierung in den Charts.

Obwohl Chefket bis 2018 im Auftrag des Goethe Instituts durch die Lande tingelt, lassen die nächsten Alben nicht ganz so lange auf sich warten: "Alles Liebe" erscheint 2018, "2112" zwei Jahre später, auf Chefkets eigenem Label Chefket Records.

Ein persönlicher Verlust bringt Chefket zurück in die Stadt seiner Kindheit und Jugend: Nach dem Tod seines Vaters zieht es ihn wieder nach Heidenheim. Die sprechend betitelte EP "Hinter Schwäbischen Gardinen" legt davon 2022 eindrucksvoll Zeugnis ab. Vielleicht keimt hier auch das Bedürfnis nach mehr Internationalität? Auf seiner 2023 erschienenen EP "Little Boy" rappt Chefket, der bisher auf Deutsch und Türkisch flowte, nun außerdem auf Englisch.

Die richtig dicken Schlagzeilen macht Chefket, inzwischen mit abgeschlossenem Studium und Doktortitel als "Dr. Dirican" auf Touren, im Jahr 2025. Leider drehen die sich jedoch nicht um seine Musik, sondern um ein T-Shirt. Eigentlich soll Chefket am 7. Oktober bei einer Ausstellung von Jan Böhmermann im Berliner Haus der Kulturen der Welt auftreten. Jedoch wird im Vorfeld massive Kritik laut: Ausgerechnet an einem derart geschichtsbehafteten Datum soll jemand eine Bühne bekommen, der mit einem Shirt posiert hatte, das eine Karte von Palästina zeigt, nicht aber den Staat Israel? Nach kurzem Hin und Her knicken die Verantwortlichen beim "ZDF Magazin Royale" ein und laden Chefket wieder aus. Mit Folgen: Sämtliche anderen Musiker*innen, die im Rahmen der Veranstaltung hätten spielen sollen, ziehen ihre Zusagen zurück, das Happening muss ohne Konzerte auskommen.

Chefket, dem unterstellt wurde, er spreche mit seinem Leibchen Israel das Existenzrecht ab, äußert sich zur Sache nur insofern: "Wir stehen zusammen für Frieden auf der Welt", schreibt er in einem Instagram-Posting. "Gegen Antisemitismus. Gegen Rassismus. Anti-Muslimischen Rassismus. Gegen jeden Genozid."

Einschränken lässt sich Chefket so oder so nicht, erst recht nicht musikalisch: Er nutzt die komplette Bandbreite zwischen Soul, Funk, Rock'n'Roll bis hin zu Blues und UK Garage, um seine Raps und gesungenen Hooklines zu transportieren. Über geschliffener Technik kommt ihm die Botschaft nicht abhanden: "Ich glaube fest daran, dass man mit Musik etwas verändern kann. Auch wenn nur ich es bin, der sich verändert."

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Chefket - 2112: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2020 2112

Kritik von Frieder Haag

Hungrig und aggressiv wie noch nie. (0 Kommentare)

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Fr 14.11.2025 Leipzig (Werk 2)
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