laut.de-Kritik
"Würden Hater mein Leben kennen, wären sie Fans."
Review von Dominik LippeWer ist Farid Bang? Seit knapp 15 Jahren inszeniert sich der Düsseldorfer derart überzogen, dass er längst als lebende Comicfigur durchgeht. Was dahinter steckt, verbirgt er demonstrativ. Obwohl er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wie besessen sucht, scheint sie ihm nicht ganz geheuer zu sein. Wer ihm mal beim Videodreh über die Schulter gesehen hat, erlebte ihn fast schüchtern und unscheinbar. Weggefährten beschreiben ihn als reflektiert und zielorientiert. Kein populärer Rapper hierzulande lässt sich derart schwer greifen. Daran ändert auch "Asozialer Marokkaner" nichts.
Emotionen liefert Farid Bang nur in einer ironisierten Form, wie sich bereits im eröffnenden "Kuck Kuck" zeigt. "Es war ein langer Weg, sie wollen mir alles nehmen. Erst wenn du Patte zählst, wollen sie dich fallen sehen", singt er tränenreich und autogetunet, um sogleich den Bluff auffliegen zu lassen. Zum hypertonischen Blubber-Beat schlägt er berserkerhaft ebenso auf Hobby- wie auf Modus-Mio-Rapper ein: "Dieses Album ist ein Massendiss. Kein Blatt vorm Mund außer bei Maskenpflicht." An diese Vorgabe hält er sich sklavisch über die volle Laufzeit.
"Gibt es einen Hurensohn in Deutschland, der nicht rappt? Nein!" Teils völlig unmotiviert greift der Düsseldorfer RIN, Clueso, Reezy, Mero, Genetikk, Pashanim, Badmómzjay, Nico Santos und die allgegenwärtigen Zahlenrapper an: "Ohne deine Ghostwriter bist du ein Name mit Postleitzahl." Vor allem Monet192 hat es ihm angetan, den er immer wieder vorpubertär als "Rapperin" schmäht. Cro? "Du bist kein Rapper, du bist nur The Masked Singer." Und auch MOK erfährt keine Gnade, obwohl Farid Bang in "Make Fulus" selbst zugibt: "Jeder kennt MOK, doch keiner seine Musik."
Seine Rundumschläge gehen nur deswegen gut, weil er nach wie vor den Lümmel von der ersten Bank mimt, der sich über seine Klassenkameraden, den Lehrkörper und sogar den Direktor lustig macht, aber dank seines Charmes ohne Maßregelung davonkommt. Dem entsprechend bewegt er sich in kindlichen Cartoon-Welten. Ob er Energie für eine "Genkidama" sammelt oder nun wie "Thanos" über das Universum herrscht und seine musikalischen Feinde mit einem Fingerschnipsen verschwinden lässt: "Wollte nie wie Clark Kent sein, ich wollte sein wie ein Marvel-Feind."
Zu den breitbeinigen Ansagen gesellen sich standesgemäße Produktionen. "2008", "Sao Paulo" und "Make Fulus" treiben mit ihren wuchtigen Instrumentals Farid Bang auch am Mikrofon an. "Thanos" ruft noch einmal "Dynamit" wach, "Asozial" lässt die Bongos zum stumpfen rituellen Gesang vibrieren und auf "Kampfsport" setzen sich Capital Bra und er als zwei bissige Kampfhunde in Szene. Dagegen fällt die Beschwörung der eigenen Hyperpotenz in "Happy Birthday" albern aus. Umso bedauerlicher, dass ausgerechnet auf dem Remix zur poppigsten Nummer The Game auftaucht.
Als positiver Ausreißer erweist sich "Money". Zu drei verschiedenen Beats von Kyree und Young Mesh sowie Hooks von Azad, Summer Cem und Elif reflektiert Farid Bang über Geld. Im ersten Teil moniert er zu düsterem Sound die eigene ärmliche Kindheit. An seinem heutigen Reichtum berauscht er sich im beschwingten Mittelteil: "In mir ist kein Märchenprinz versteckt. Für 'nen grenzwertigen Text einen mehrstelligen Scheck." Und zum Abschluss zeigt er die Schattenseiten der monetären Fixierung auf: "Mir wär's anders lieber. Ich hätt' kein Geld, doch dafür noch meine Tante Mina."
Da ist er mal, der flüchtige Blick hinter die Fassade des Bangers. "Mir ist egal, was ein anderer denkt: Bin ich Farid Bang oder Harvey Dent?", fragte er sich seiner selbst unsicher zum Ausklang seines letztjährigen Albums: "Ich bin gefangen in der Rolle hier." Mit seinem Aufschneider-Rap ohne doppelten Boden unterhält Farid Bang auch auf seinem neunten Soloalbum. Und dennoch bleibt er das Phantom unter den erfolgsverwöhnten Rappern, wie er in der Aufsteiger-Hymne "Nummer Eins" selbst unterstreicht: "Würden Hater mein Leben kennen, wären sie Fans."
8 Kommentare mit 11 Antworten
5/5 AOTY
Dieser Kommentar wurde entfernt.
1/5 für diesen Schmutz
Gibt es eigentlich Deutsch-Rap, der Musik aus der Kultur des Herkunftslands (bzw. dass der (Groß)-Eltern) aufgreift? Also so etwas wie Mdou Moctar oder Altın Gün nur mit Rap-Einflüssen?
https://torkytork.bandcamp.com/album/torky…
Das ist ein Instrumentalalbum auf der Basis von Samples, die bei einer Syrienreise um 2010 rum in Schallplattenform gesammelt wurden, allerdings ohne verwandschaftliche Beziehung des Künstlers in das Land.
https://open.spotify.com/album/4CcyNYZNyVz…
Farhot nimmt auf Kabul Fire Vol. 2 auch Bezug auf die Musik und Kultur der Heimat seiner Eltern, Afghanistan, aber halt auch nur Instrumental.
Danke für die Tipps. Das Album von Torky Tork ist gekauft!
Freut mich, wenn es dir gefällt und Torky sein wohlverdientes Hak bekommt.
Das BSMG-Album (Megaloh, Musa, Ghanaian Stallion) würde mir noch einfallen.
Wie jetzt, der Typ disst "The Masked Singer"?
Ungehört 1/5.
unerhört 5/5
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
stimmt, so wie "knatschig heulender deutscher" die regel ist. wir haben alle unser kreuz zu tragen ^^
Definitiv sein bestes Album.
Nach den JBG Teilen endlich mal wieder ein Farid Soloalbum, was man sich wirklich komplett anhören kann (beim Training z.B.)
Das letzte über das ich selbiges sagen konnte war seinerzeit AM2.
3/5 definitiv verdient.
AM3 ist meiner Meinung nach das beste Album um es beim Gymnastik oder Pilates zu hören oder auch um es beim Kaffee & Kuchen mit den Großeltern aufzulegen.
müll album + pashanim besser