laut.de-Kritik

Befrei die deutsche Reggae-Szene aus ihrer Winterstarre!

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"I Don't Like Reggae" - Das hierzulande doch recht deutlich gesunkene Interesse am einst gefeierten Genre bringt dieses fiktive Statement leider allzu treffend auf den Punkt.

Ob Produzent Guido Craveiro die jamaikanische Volksmusik mit dem vorliegenden Remix-Album wieder ins Bewusstsein der deutschen Musikfans rücken möchte? Man könnte den Sampler auch als freundlichen Hinweis darauf interpretieren, dass auch Revolverheld und Frida Gold erträgliche Songs schreiben können.

Wie schon auf Seeed-MC Dellés "Before I Grow Old" kredenzt Guido Craveiro auf der vorliegende Compilation fett produzierte Riddims, die einerseits aufwändig und modern wirken, die jamaikanischen Roots aber nie aus den Augen lassen. Gesangsspuren sowie vereinzelte weitere Soundelemente pickt er sich aus den 14 Tracks heraus und bettet sie in oftmals Dub-geschwängerte Instrumentals ein.

Dass Craveiro die Tracklist aufs Deutschsprachiges beschränkt, erscheint als interessante und originelle Idee. Für Stirnrunzeln sorgt die Songauswahl dagegen immer wieder unter musikalischen Gesichtspunkten. Klar, Jennifer Rostocks BuViSoCo-Verbrechen ("Ich Kann Nicht Mehr") oder Frida Golds "Wovon Sollen Wir Träumen" klingen im Offbeat-Gewand weitaus erträglicher als in der Originalversion. Auf das Aufkochen derartigen Humbugs hätte man jedoch zweifelsohne verzichten können, finden sich doch auch im Alternative-Bereich genug passende wie interessante Vorlagen.

So zum Beispiel Thees Uhlmanns geniale Debütsingle "Zum Laichen Und Sterben Ziehen Die Lachse Den Fluss Hinauf". Das druckvolle Tempo des Originals nimmt der Producer hier komplett raus und münzt die positive Grundstimmung in einen relaxten Sommerhit um. Dasselbe Prinzip wendet er mit Erfolg auf Bosses "Weit Weg" an, das sich auch lyrisch bestens in das Reggae-Gewand einfügt.

Marterias Ode an den kleinen Sohn "Louis" stellte bereits auf dem Erfolgsalbum "Zum Glück In Die Zukunft" einen rührenden Höhepunkt dar. Dass sich sein lässiger Flow und die unverkennbar tiefe Rapstimme auch im flotten Offbeat-Kostüm pudelwohl fühlen, verwundert deshalb kaum. "Meine Worte", das wohl hübscheste Remake, verdankt man dem ohnehin dem Reggae entsprungenen Singer/Songwriter Maxim.

Bereits Dellés Solowerk stach dank Craveiros toller Arbeit am Mischpult hervor. Knapp drei Jahre später bestätigt der Kölner nun mit "I Don't Like Reggae" seinen Ruf als überaus fähiger Producer und beweist obendrein die beeindruckende Gabe, jede noch so beliebige Melodie in runde Tunes zu verpacken.

Eigentlich bedauerlich, dass es in die Tracklist derart viele tot gespielte und daher nur mäßig begeisternde Radiohits wie Julis "Regen Und Meer" und Tim Bendzkos "Nur Noch Kurz Die Welt Retten" schafften. Und so denkt man sich am Ende: Schnapp dir lieber einen ebenso leidenschaftlichen Sänger und Songwriter und befrei die deutsche Reggae-Szene mit einem Topalbum endlich aus ihrer jahrelangen Winterstarre!

Trackliste

  1. 1. Bosse: Weit Weg
  2. 2. Thees Uhlmann: Zum Laichen Und Sterben Ziehen Die Lachse Den Fluss Hinauf
  3. 3. Frida Gold: Wovon Sollen Wir Träumen
  4. 4. Cro: Easy
  5. 5. Tim Bendzko: Nur Noch Kurz Die Welt Retten
  6. 6. Jupiter Jones: Still
  7. 7. Revolverheld: Spinner
  8. 8. Marteria: Louis
  9. 9. Jennifer Rostock: Ich Kann Nicht Mehr
  10. 10. Andreas Bourani: Nur In Meinem Kopf
  11. 11. Juli: Regen Und Meer
  12. 12. Maxim: Meine Worte
  13. 13. 2Raumwohnung: Rette Mich Später
  14. 14. Locas In Love: Lemming (Es Wird Immer Dasselbe Sein)

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