laut.de-Kritik

Das ist Sparta...nischer Lifestyle.

Review von

"Das hier soll Kunst sein? Dieses Rumschrein?" Darin, seinen Kritikern die Argumente aus dem Mund und den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist Schwartz ganz groß. "Die Beats sind zu sperrig und die Texte eher unfein", charakterisiert er höchstselbst seine "Entartete Kunst", bevor ein anderer dazu kommt. Als sein "Opus magnum" preist er "Schwartz Auf Weiss" an, ein wahrhaft üppig bestücktes Doppelpack.

Wie so oft, gilt auch hier: Weniger wäre mehr gewesen. Auf der überlangen Spieldauer bekommt die fehlende Abwechslung gleich doppelt und dreifach Gelegenheit, einem in Auge und Ohr zu springen. Das Soundbild gestaltet sich, unabhängig davon, ob man gerade auf der schwarzen oder der weißen Seite von Schwartz' Welt wandelt, relativ einheitlich. Freundlich ausgedrückt. Machen wir uns nix vor: Der Mann klingt einfach immer gleich.

Das dürfte auf "Album sechs oder sieben oder acht, kein Plan" aber wirklich niemanden mehr überraschen, so wenig wie Schwartzens bis über jede Schmerzgrenze hinaus verbissene Stimme, die blutige Späne von jeder Gehörgangwand schabt. Wer die nicht aushalten kann, hat eh schon verloren, aber vermutlich ohnehin längst kein Interesse mehr, sich mit dem "Mutterficker persönlich" zu konfrontieren.

Die Gefahr, ihm aus Versehen zu begegnen, scheint ja eher gering, pflügen Schwartz und seine Hirntot-Genossen doch seit jeher tief unter dem Mainstream-Radar durch den Rap-Untergrund. Sie wollen es ja auch nicht anders - zumindest nicht, so lange man sich die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit mit irgendwelchen Kompromissen erkaufen müsste. Die kommen Schwartz nämlich nicht in die Tüte, ach, erst gar nicht in den Sinn.

"Ich bin nicht euer lustiger Partyentertainer", stellt er sicherheitshalber noch mal klar, was anno 2014 eh schon jeder wissen könnte. "Das Leben ist ein Kampf, ein Massaker", so seine unfrohe Botschaft, "und Schwartz ist ein Kriegsberichterstatter". Die grenzenlose Verachtung für alle, die auf irgendwelchen Trendwellen im Plantschbecken Deutschrap mitschwimmen, umgibt ihn dabei wie eine Aura.

Schwartzens verbissener Vortrag wirkt, insbesondere auf Doppelalbumlänge, ungeheuer anstrengend. Dass ich dem Mann - eine begrenzte Zeit lang - trotzdem gern zuhöre und mich obendrein dabei noch erheblich amüsiere, hat gleich mehrere Gründe.

Erstens: Schwartz liefert ein Paradebeispiel für aufrechte Haltung. Ausverkauf gibts nicht. Einflüsterungen, von welcher Seite auch immer, braucht niemand. Was gerade angesagt oder verkaufsträchtig erscheint: "Es Schert Mich Einen Dreck". Schwartz scheißt Vollzeit auf alles und zieht sein Ding durch: "Es gefällt dir nicht? Gut, das ist dein Recht. Ich sag' es trotzdem, denn das ist mein Recht."

Zweitens: Schwartz bildet einen hochwillkommenen Kontrast zu den Heerscharen gleichgeschalteter Blender um ihn herum, die man dieser Tage erst alle ins Fitnessstudio begleiten muss, ehe sie dann ihre frisch aufgepumpten Leiber in das neueste geschmacklose Designerleibchen zwängen und sich mit den immer gleichen Hochglanz-Märchen vom teuren Leben mehr oder weniger verzweifelt um eine Homestory in "Haus und Garten" bewerben. Oder wenigstens bei "MTV Cribs". "Etwas rustikal, wo ich hause", gibt sich dagegen dieser Kerl hier so bodenständig wie glaubwürdig, während er unbekümmert das anzieht, was gerade da ist: "Das ist Sparta...nischer Lifestyle."

Drittens fühle ich mich dem "verfickten Misanthropen", für den Einkaufen und Busfahren den wahren Horror und Anlass zu Gewaltphantasien darstellen, gefühlsmäßig dreihundertmal näher als den Champagnebottles poppenden Prinzen und Prinzesschen im Nobelclub, die zweifellos allesamt an "Hurensohnismus" laborieren, wie Dr. Schwartz mühelos diagnostiziert. Hipster, Punks, Ökos, Gangster, Bankmanager: allesamt "Drogenopfer", gegen die grenzt man sich doch gerne ab: "Nenn Mich Nicht Bruder".

Doch, Obacht, viertens: Schwartz geht keineswegs alles so weit am Arsch vorbei wie diejenigen, auf deren Meinung er einen feuchten Scheiß gibt. So unzugänglich, wie er sich gegenüber den allgegenwärtigen Speichelleckern und "Copycats" zeigt, so sicher können die, die sich in sein Herz gekratzt haben, auf seine rückhaltlose Unterstützung bauen - und das ganz ohne sich dafür zu verbiegen: "Hier muss sich keiner verstellen." Da darf auch ein Basstard seine "Geisteskranke Scheiße" zelebrieren oder Orgi der Hörerschaft schwungvoll ins Ohr wichsen - mit schönem Gruß aus dem Neandertal. Bei der richtigen Ansprache, wissen wir ohnehin alle, werden auch aus den härtesten Schwachköpfen wieder ganz brave kleine Jungs.

Fünftens: Schwartz ist nicht blöd, hat durchaus eine Botschaft zu vermitteln und darüber hinaus drastische Bilder im Repertoire, um selbige an den Mann zu bringen. Unmut, Wahnsinn oder die blutige Selbstaufgabe in "Ich Schneide Euch Mein Herz Heraus": An persönlichem Engagement mangelt es nirgends. Seinen eigenen, überaus funky geratenen Nachruf liefert Schwartz am Ende gleich mit. Groovy, Baby! "Spielt Dies Bei Meiner Beerdigung". Aye, Sir, aber hoffentlich noch nicht so bald.

Tönt die "Schwartze" noch eher düster, hellt sich die Stimmung auf der "Weissen Seite" zunehmend auf, die 90er-, Westcoast- und Funk-Anteile steigen. Klar, mit einem dickeren Budget hätte es hier und da sicher entsprechend dicker geklungen. Schwartz ist das wurscht. Das größte Problem an seinem "Opus magnum" steckt, wie gesagt, eben in diesem "magnum": Die Hälfte der Spielzeit hätte es auch getan. Doch wozu red' ich? "Hier wird gegessen, was der Schwartz auf den Tisch bringt." Guten Hunger.

Trackliste

Schwartze Seite

  1. 1. Der Mutterficker Persönlich
  2. 2. Einsamer Wolf
  3. 3. Jenseits Von Gut Und Böse
  4. 4. Fick Was Du Gehört Hast
  5. 5. Drogenopfer
  6. 6. Hassrapper Fürs Leben
  7. 7. Gewaltphantasien 2
  8. 8. Nenn Mich Nicht Bruder
  9. 9. Ultrabrutal
  10. 10. Es Schert Mich Einen Dreck
  11. 11. Ich Schneide Euch Mein Herz Heraus
  12. 12. Das Ist Geisteskranke Scheiße
  13. 13. Nachtaktiv
  14. 14. Im Kopf Eines Hirntoten
  15. 15. Was Ein Mann Tun Muss
  16. 16. Entartete Kunst

Weisse Seite

  1. 1. Hurensohnismus
  2. 2. Rap Bleibt Männersache
  3. 3. Immer Noch Derselbe Atze
  4. 4. Alte Schule
  5. 5. Wie Alles Begann
  6. 6. Partyzerstörer
  7. 7. Nur Weil Ich Schwartz Bin?!
  8. 8. Die Letzten Echten Kerle
  9. 9. Frag Nach Uns
  10. 10. Nachricht An Die Söldner
  11. 11. Copycats
  12. 12. Heilige & Huren
  13. 13. Desto Tiefer Der Fall
  14. 14. Seid Ihr Mit Mir?
  15. 15. Blödarschopfers
  16. 16. Spielt Dies Bei Meiner Beerdigung

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LAUT.DE-PORTRÄT Schwartz

Schwartz ist Rapper und Produzent und veröffentlicht auf dem Berliner Label Hirntot Records. Genauso wie sämtliche Signings dieser Plattenfirma, hat …

8 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Nach Blokkmonstas "Blokkhaus" kommt nun "Schwartz auf weiss" von Schwartz. Die vielen Tracks haben mich zuerst etwas verunsichert, da man bei den meisten Doppelalben die Hälfte der Tracks locker streichen könnte. Es gibt aber keinen Totalausfall. Klar..die Themen sind meistens die gleichen, aber das Album ist echt gut geworden! Die Beate sind top!! Der Track "Gewaltphantasien 2" ist Unterhaltung pur! Ich könnte auch jedesmal ausrasten, wenn ich morgens mit dem Bus zur Arbeit fahre...Einfach mal gepflegt ausrasten... :D

  • Vor 9 Jahren

    Warum habe ich da eigentlich reingehoert? Neben dem Hirntot-Stempel sind die 3 Punkte von Dani das groesste Warnsignal, dass das nix fuer mich ist. :D

    Scherz beiseite: nach 2 Stuecken konnte ich nicht mehr. Vocals gewohnt laecherlich, beats gewohnt dick. Alles beim Alten bei HT.

    • Vor 9 Jahren

      anstrengend eben auf dauer

    • Vor 9 Jahren

      Naja. Ein ganzes Album am Stück kann ich mir von Schwartz auch nicht geben, aber in kleinen Dosierungen geht das schon klar...

    • Vor 9 Jahren

      die mukke ist sicher gewöhnungsbedürftig und absolute geschmackssache, aber abgesehen davon finde ich den typen schon recht unterhaltsam (in bezug auf seine facebook und twitter ergüsse). der hat eine ziemlich gesunde (misantrophische) einstellung zu seiner umwelt und dem "game" an sich. habe manchmal nur den eindruck das ein teil der fanhörnchen und lemminge den eigentlichen gehalt seiner aussagen nicht wirklich erkennt...album kommt aber ganz gut...tracks wie "einsamer wolf", "alte schule" oder "gewaltphantasien" gehen schon wohl dosiert ziemlich flockig durch. überhaupt finde ich die produktionen ziemlich gelungen, aber das ist bei ht ja meistens so. würde auch 3/5 geben. rundes alboom.

  • Vor 4 Jahren

    Hab mir das Album erst jetzt angehört, weil ich das jahrelang nicht am Stück durchhören konnte.
    Schwartz macht also ein Doppelalbum mit 34 Songs, und labert nur komplette Leere? Kein Splatterrap? Bei 34 Tracks? Diese Hirntot Heinis überraschen mich echt immer. Er hätte genauso seine Krächzstimme zu Hause lassen können. Dazu diese ständige verkackte Kapitalismuskritik. Der gescheiterte Germanistikstudent verdient seine Brötchen damit, dass er lyrischen Durchfall aufnimmt, auf CD brennt, und sie zu Wucherpreisen an Kellerkinder verschleudert. Mehr Kapitalismus geht nicht.
    Ich hab mich bis auf "Was ein Mann tun muss" und "Heilige und Huren" überwiegend gelangweilt. Vor allem dass nur 2 von 34 hängen geblieben sind, sagt schon alles.