laut.de-Kritik

Die Absolventinnen der Pörnchen-Schule.

Review von

Man fragt sich: Was ist aus all den verlorenen Kindern geworden, die vom Berliner Untergrund um Orgi, Frauenarzt und Konsorten sozialisiert worden sind? Den Kindern, die das Elternficken quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben und bereits auf dem Grundschulhof beleidigend über ihre Lehrer und Mitschüler 'gerappt' haben?

Solche Menschen gibt es tatsächlich. Man erkennt sie an ihrer demonstrativ an den Tag gelegten Anti-Haltung, der Befürwortung von Rauschmitteln jeglicher Art und einer auffallend hohen Promiskuität. Zumindest auf dem Textblatt. Zwei besonders schmucke Absolventinnen der inoffiziellen Pörnchen-Schule stecken hinter SXTN.

Zusammen behandeln die Berliner MCs Juju und Nura mit erhobenem Mittelfinger die mehr oder minder wichtigen Themen unserer Zeit. Ihre erste EP trägt den Titel "Asozialisierungsprogramm". Darauf ficken die beiden so ziemlich alles, das je ein Kind zur Welt gebracht hat.

Die Prägungen von Frauenarzt und dem alten KKS lassen sich nicht verleugnen. So propagieren SXTN die gute alte Zeit, als Frauen in Videos noch brav die Booties geshaket und nicht selbst das Mic in die Hand genommen haben. Nur das es diesmal eben Frauen sind, die solche sexistische Schweinereien von sich geben.

Im kurzweiligen Party-Track und Opener der Platte "Deine Mutter" geben SXTN die Richtung vor, die klarer nicht ausfallen könnte: Party, Drogen, Mutterficken. Damit hieven die Damen das Rap-Genre sicher nicht auf die nächste Ebene, aber sie bilden wenigstens den ersten Gleichstellungsrat deutschen Sprachgesangs.

Der sorgt immerhin dafür, dass endlich auch die Töchter der Schöpfung in die klassischste aller Beleidigungen inkludiert werden. Denn wer A sagt, muss auch B sagen, vom Hurensohn zur Hurentochter. "Ich ficke deine Mutter ohne Schwanz, ich rauch' dein ganzes Leben in 'nem Blunt. (…) Fick dich, du Hurentochter, fick dich, du Hurensohn."

Viel mehr kommt leider nicht mehr. Was im Opener noch sehr gut funktioniert, greift sich im Verlauf der EP leider schnell ab. Alternative Themen jenseits von halbernsten Provokationen wie das ständige Broke-Sein ("Kein Geld") oder im Vollrausch durch das Viertel zu schlendern gab es auch schon hundertfach in besserer Ausführung, sowohl von den Herren der Schöpfung wie von Seiten des schönen Geschlechts.

SXTN verzichten in ihren Tracks allerdings bewusst darauf, ihr großes Alleinstellungsmerkmal krampfhaft auszupressen. Die Texte stechen zwar nicht aus der Masse hervor, stoßen aber auch nicht unangenehm auf. Grenzen sprengen die beiden damit sicher nicht, sie benutzen lediglich eine Sprache, die ihren männlichen Pendants in Nichts nachsteht. Sie ziehen ihr Ding durch und ficken dabei Mütter.

Beleidigungen und Kritik perlen an SXTN ab. Wer sie als vulgäre, krampfhaft asoziale Mädels abstempelt, die das Verhalten der männlichen Kollegen adaptieren, schießt angesichts der schlagfertigen Berliner Schnauze der zwei Frauen zwangsweise ins Leere (wie der letzte Typ zwischen die Beine deiner Mutter). Leider vertrauen Juju und Nura zu sehr darauf, mit ihrer Attitüde aufzufallen, die da lautet: dem Ficker einen gewaltigen Fick entgegensetzen.

Prägnante Textstellen lassen sich schwer ausfindig machen, ebenso hakt der Flow der Ladys an vielen Stellen gewaltig. Vor allem Noura wirkt auf vielen Instrumentals blass und verkrampft. "Hass Frau" bietet dem Hörer eine Ode an den Orgi-Klassiker "Du Nichts, Ich Mann" und gleichzeitig ein Highlight der Platte.

Der Einfluss mancher sexistischen Untergrund-Größe bleibt die ganze EP über deutlich erkennbar, und doch macht sich noch eine weitere Inspiration bemerkbar: "Ich Bin Schwarz" belebt die zurecht tief verscharrte Leiche der Neuen Deutschen Welle wieder (immerhin, Markus freut sich bestimmt).

So wirkt die EP an vielen Stellen anachronistisch. Hätten SXTN noch 15 Jahre zuvor mit einem solchen Machwerk die geballte Aufmerksamkeit der Medien erhalten, bleibt heutzutage (wo Bitches promovierte Sprachwissenschaftlerinnen sind und ehemalige Kurwas krasser rappen als ganz Stuttgart) nur ein müdes Schulterzucken: Gab es alles schon, muss nicht zwingend wiederholt werden.

Als EP langweilt es nicht, aber für einen womöglich kommenden Longplayer sollten SXTN ihr Repertoire an die Evolution des Rap-Genres im letzten Jahrzehnt anpassen. Sie sollten ihre Themen entweder weiter streuen oder besser verpacken, um der Kurzlebigkeit ihrer Musik entgegenzuwirken. So bleibt "Asozialisierungsprogramm" nur der Soundtrack für Kaugummi kauende Girls mit Tattoo-Kette und Zungenpiercing, die in ihren Nike-Turnbeuteln vom Taschengeld bezahltes Gras an ihren Eltern vorbeischmuggeln und absolut keinen Fick auf den Realschulabschluss geben.

Trackliste

  1. 1. Deine Mutter
  2. 2. Hass Frau
  3. 3. So High
  4. 4. Made 4 Love
  5. 5. Fotzen Im Club
  6. 6. Ich Bin Schwarz
  7. 7. Kein Geld
  8. 8. Wir Sind Friedlich

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16 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    2 talentlose Rotzgören mit nem offensichtlichen ADHS Syndrom. Früher hätte man erstmal rappen gelernt bevor man ein Album veröffentlicht für das man sogar Geld will.

  • Vor 7 Jahren

    Aber im Vergleich zu Shindys Biographie ist deren Album bestimmt ne inhaltliche und stilistische Offenbarung. Diese ganze Deutschrapszene ist größtenteils mittlerweile an Lächerlichkeit kaum zu Überbieten.

    • Vor 7 Jahren

      Wenn man sich natürlich nur auf den unvermeintlichen Mainstream fixiert, könnte man das Ganze so sehen, ja

      Wenn man sich natürlich mehr für zwischenmenschliche Spinnereien interessiert, anstatt primär auf die Musik zu achten und aufgrund des breiten Angebots gewisse Störfaktoren konsequent ausblendet, könnte man das Ganze auch so sehen, ja

      Seit wann sind Bücher wichtig auf Musikseiten? Seit wann bringt eine herablassende Art irgendeine fruchtbare Erkenntnis oder Stoff für erhellende Diskussionen?

      Seit wann ist Schwarz/Weiß Denken förderlich oder gar zielführend?

      Du machst es dir etwas zu einfach

    • Vor 7 Jahren

      Ist doch schon seit locker 15 Jahren das Gleiche. Gefühlt 95% der Deutschrap-Hörer fabulieren ununterbrochen darüber, wie furchtbar Scheiße Deutschrap ist. Als angeblicher Beweis dafür werden Randphänomene wie diese komplett irrelevante Crew herangezogen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich als Genrefremder in meinen Vorurteilen bestätigt fühlte, wenn ich andauernd auch von den eigentlichen Anhängern das Gleiche hören würde wie das, was ich unqualifizierterweise darüber denke...

      Ein Bekannter von mir hat letztens den Begriff "Pirinçci-Syndrom" ins Spiel gebracht, es passt wohl bei den Hoppern sogar wesentlich besser als bei den eigentlich gläubigen Muslimen, die zur Zeit gern den Wutbürgern nach dem Mund reden.

  • Vor 7 Jahren

    Unterdessen preist der Pressetext SXTN in Ermangelung aktueller Konkurrenz als "TicTacToe des Jahres 2015"

    Volltreffer! Wahrscheinlich anders gemeint, aber besser kann man's nicht beschreiben :rayed:

  • Vor 7 Jahren

    Braucht halt kein Mensch. Aber ist ja nicht so, dass das bei 90% der männlichen Kollegen nicht ähnlich wäre. #lautgegensexismus #freetorque

  • Vor 7 Jahren

    Hm. Irgenwie schein ich der einzige zu sein, der das Ding gut findet. Klar sind auch ein paar Ausfälle drauf (Ich bin schwarz z.B.), aber Hass Frau mit dem Schwarzer-Sample find ich extrem gelungen, so high, made 4 love oder Wir sind friedlich echt unterhaltsam. Die Instrumentals sind nich so meins, und klar ist das auch noch Luft nach oben, alles in allem ne kurzweilige Geschichte. Die dürfen gerne bald mehr machen.

  • Vor 7 Jahren

    Fotzn im Club? Ich krieg Brechreiz.

    • Vor 7 Jahren

      "Fötten im Suff" wäre in der Tat besser gekommen. Hook:

      Gestern rammeln auf der Clubtoilette~/
      Heute geh'n wir durch die Decke, Decke~/

      Zeig' die Futt auf dem dancefloor
      - so wie Madonna/
      Er kommt auf meinen camel toe
      - mit 'nem Riesendonner/

      Du hast kein Geld für den Puff, Geld für den Puff?/
      Dann krall dir Fötten im Suff, Fötten im Suff/

      Sogar 3 verschiedene Flowvariationen. Krass!