laut.de-Kritik

Handgemachtes Allerlei mit vielen Richtungswechseln.

Review von

Vor 25 Jahren fragte Joan Osborne die Welt: "What if God was one of us?" Ein Vierteljahrhundert später hat ihr noch immer keiner geantwortet. Schade eigentlich, denn gerade dieser Tage sehnt sich die Welt mehr denn je nach einem superheldenhaften Retter und Messias, der mit dem Corona-Impfstoff in der einen und dem Trump-Rücktritt in der anderen Hand jubelnd durch die Straßen rennt.

Der Traum von einer gesunden und friedlichen Welt rückt aber in immer weitere Ferne, so die Fakten. Und so bleibt einer sich durchaus berechtigte Fragen stellenden Künstlerin wie Joan Osborne nichts übrig, als weiter zu hoffen und zu bangen, dass irgendwann vielleicht doch noch mal einer seine Hand hebt und sagt: "Here i am!".

Bis es soweit ist, ist jeder auf sich allein gestellt. Im Fall von Joan Osborne heißt das: "Part of my job is to help imagine a better future – and to hang on to hope." Wie genau sich das anhört, wenn Hoffnung und träumerische Visionen als Zugpferde für die Weltrettung herhalten müssen, zeigt Joan Osborne auf ihrem neuen Studioalbum "Trouble And Strife".

Den Anfang macht der gutgelaunte Roots-Rocker "Take It Any Way I Can Get It", der in bluesrockiger Black-Crowes-Tradition dazu aufruft, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Es folgt das glitzernde, unter der 70s-Diskokugel tänzelnde "What's That You Say", ehe Joan mit dem stampfenden Bluestrack "Hands Off" machthungrigen Ressourcen-Ausbeutern auf die Pelle rückt. Die Gitarren jaulen und Joan ist auch nach über einem Vierteljahrhundert im Business noch gut bei Stimme.

Einem weiteren Ausflug in die funkelnde Schlaghosen-Ära ("Never Get Tired") folgt der countrylastige Titeltrack. Abermals drängt sich eine fiepende Gitarrenarbeit in den Vordergrund. Die anschließende hoffnungsvolle Ballade "Whole Wide World" katapultiert Joans Stimme in ungewohnt hohe Lagen – ein Experiment, das durchaus Früchte trägt.

Auch im letzten Drittel lässt sich das große Ganze nur schwer einfangen. Rock, Pop, Funk, Soul und immer wieder eingestreute Disco-Erinnerungen: Statt nur auf einer Soundhochzeit zu tanzen, präsentiert sich Joan Osborne offen für nahezu alle Klangrichtungen.

Mit der schunkelnden Frauen-Hymne "Boy Dontcha Know" präsentiert Joan Osborne kurz vor Toresschluss auch noch einen kleinen Ohrwurm. Der groovende Track verfügt zwar nicht über die Strahlkraft eines Evergreens wie "One Of Us". Aber immerhin. Hier bleibt etwas hängen.

Schlussendlich gibt es musikalisch nicht viel zu Nörgeln. Die trockenen Drums haben im Background alles im Griff, während sich weiter vorne Gitarren, Orgeln und wahlweise energiegeladene oder samtweiche Southern-Chöre ins rechte Licht stellen. Was ein bisschen fehlt (mal abgesehen vom erwähnten "Boy Dontcha Know"), sind markante Melodien, Harmonien und Refrains, die auch nach dem Albumdurchlauf noch im Ohr bleiben.

Trackliste

  1. 1. Take It Any Way I Can Get It
  2. 2. What's That You Say
  3. 3. Hands Off
  4. 4. Never Get Tired
  5. 5. Trouble And Strife
  6. 6. Whole Wide World
  7. 7. Meat And Potatoes
  8. 8. Boy Dontcha Know
  9. 9. That Was A Lie
  10. 10. Panama

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