13. Oktober 2023

"Ist das ein Song oder nur ein Gedanke?"

Interview geführt von

Mit seiner Single "Schön Genug" schaffte Haller seinen ersten kleinen Durchbruch. Oder doch nicht? Auf Spotifys bekannter "Wilde Herzen"-Playlist für Indie-Künstler:innen ist er jedenfalls Dauergast.

Im Frühjahr dieses Jahres erschien nach vier Jahren sein "sehr" autobiografisches zweites Album "Der Junge Mann". Haller hat es sich für den Zoomcall in seinem Studio bequem gemacht. Gut gelaunt und ehrlich erzählt der Singer/Songwriter über Selbstzweifel und unerreichte Ziele mit seiner Musik und träumt retrospektiv von einer Begegnung mit Prince. Dann vielleicht ein Song mit Nina Chuba.

Hey! Haller oder Martin, was ist dir lieber?

Ach wie du möchtest, ist mir egal.

Wieso eigentlich Haller?

Das war eigentlich mein Nachname. Aber ich habe vor ungefähr zwei Jahren geheiratet und den Namen von meiner Frau angenommen.

Du hattest vor einigen Wochen beim Deichbrand gespielt. War das das Highlight deines Sommers?

Ja, das war auf jeden Fall eines der Highlights. Wir haben nicht so viele Festivals gespielt diesen Sommer, und das Deichbrand war echt wunderschön. Ich bin auch dazu übergegangen, mir nicht so riesige Erwartungen vor so Sachen zu machen. Also weder zu denken, das wird der Hammer, noch das wird scheiße. Ich will es einfach auf mich zukommen lassen. Als wir geprobt haben, hatte ich dann schon darüber nachgedacht, wenn da jetzt viele Leute vor der Bühne stehen, aber als wir ankamen dachte ich, da spielen so viele gleichzeitig. Mal schauen wie das wird. Aber dann wurde es einfach ein richtig schönes Konzert. Und es war auch total schön zu sehen, die Band und der Soundmann Tobi, alle waren so euphorisiert danach. Es war einfach viel Liebe an einem Ort.

Mit "Schön Genug" hattest du solo einen ersten Durchbruch...

Wenn ich ihn schon hatte, dann damit (lacht).

Wie war der Weg bis dahin?

Wir haben in einer Band angefangen und dann habe ich ab 2013/14 mit Jens Schneider, einem guten Freund von mir, Musik geschrieben und produziert. Anfangs hat das noch Jens produziert, aber mittlerweile mache ich auch ein paar Sachen. Zu der Zeit habe ich angefangen, von dem klassischen wir sitzen im Proberaum, schreiben zu dritt eine Akkordfolge und dann versuche ich einen Text zu schreiben, dahin zu gehen, wir setzen uns einfach zu zweit an einen Computer und gucken mal, was aus uns raus kommt. Da haben wir dann auch monatelang Songs geschrieben und geübt, die nie jemand gehört hat. Damals war das ein Gefühl der kompletten Freiheit. Es gab kein, aber Haller klingt so. Daraus ist dann die "OK"-EP entstanden.

Dann haben wir irgendwann zweieinhalb Wochen ein Haus auf dem Land in Polen gemietet, um das Album fertig zu machen. Da haben wir noch "Schön Genug" geschrieben. Ich weiß noch genau, ich stand in Birkenstocks und Boxershorts in der Küche in diesem Haus, das ein bisschen heruntergekommen war und hatte eine Idee für den Song. Mir gefiel der Song super gut, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass Leute so krass damit connecten können. Ich sage ich den Strophen halt auch: "Ich hab Haare auf der Brust, aber keine auf dem Kopf". Sowas wo ich denke, da gibt es natürlich Leute, bei denen das so ist, aber jetzt nicht die breite Masse. Als der Song raus kam, passierte immer mehr. Bei Instagram fingen Influencer:innen an das zu posten. Das Thema Body Positivity war da, und dafür wurde er genutzt. Das war auch der Song, der das erste Album getragen hat. Letztes Jahr ist der Song dann auf Spotify mehr gestreamt worden und hat plötzlich seinen zweiten Frühling erlebt. Aber ich würde sagen, dass der Song bekannter ist, als ich als Künstler.

Gerade über Social Media bist du bekannter geworden. Wolltest du bewusst den Weg über TikTok und Instagram gehen oder hat es sich dann so ergeben?

Es ist eine Mischung. Ich habe dieses Jahr erst so richtig angefangen TikTok zu machen. Im Januar hatten wir um die 1.500 Follower:innen, jetzt sind es glaube ich fast 35.000. Aber da war es dieses Jahr schon irgendwie eine bewusste Entscheidung zu sagen, ich bringe eine Kontinuität rein. Ich habe mich wie am Anfang vom Songschreiben in alle Richtungen ausprobiert, und da wurde es langsam aber sicher immer mehr. Es hat mir Spaß gemacht, weil ich dann manchmal auch nur aus dem Grund Songs geschrieben habe, um ein TikTok darüber zu machen, wie ich einen Song schreibe. Aber plötzlich denkt man nicht so viel darüber nach und schreibt einen Song, der eigentlich ganz gut ist. Dann habe ich auch einen, zwei davon rausgebracht. Einer war "Er Oder Sie Oder Du". Der hat dieses Jahr bei TikTok mit am besten funktioniert. Deswegen: Es ist nicht einfach so passiert, es war schon, dass ich gedacht habe, ich will da mehr machen. Aber es ist auch nicht so krass kalkuliert.

Wie du schon gesagt hast, präsentierst du auch den Entstehungsprozess auf Social Media. Bei "Er Oder Sie Oder Du" sah das so einfach aus. Wie viel Arbeit steckt wirklich hinter derart Detailliebe?

Ich habe immer gedacht, dass es grundsätzlich zwei Arten gibt, Songs zu schreiben. Das eine ist, sehr mit dem Bauchgefühl zu gehen, die ersten Ideen zu nehmen, schnell zu sein und dann schreibt man tendenziell mehr Songs, bringt aber nicht alle raus. Und das andere ist, die Sachen wirklich so zu Ende zu bringen, sich Zeit nehmen, sie zu perfektionieren und dann machst du vielleicht so viele Songs, wie auch auf das Album kommen. Wir machen meist etwas mehr. Wenn ich einen Song in einer halben Stunde schreibe, fragen mich die Leute, wie lange es wirklich gedauert hat. Bei diesen Videos ist es wirklich eine halbe Stunde. Ich mache das auch schon lange, hier [im Studio] ist alles verkabelt, ich kann das also direkt einspielen. Die Arbeit steckt meist darin, wenn ich einen fertigen Song machen will. Da sagt man auch, dass die ersten 80% 20% der Zeit und die letzten 20% 80% der Zeit brauchen. So fühlt sich das schon an. Wenn ich das dann wirklich rausbringen will, dann muss ich noch eine zweite Strophe schreiben, die Dramaturgie vom Song muss passen, das muss gemischt werden. Da gibt es welche, die flutschen raus, andere dauern ewig. Aber ich habe mir für die ganzen TikTok-Sachen vorgenommen, nicht stundenlang Arbeit reinzustecken.

Ich bin über eine Spotify-Playlist auf dich aufmerksam geworden. Vor wenigen Monaten durftest du die dortige Wilde Herzen-Playlist präsentieren. Die ist ja gerade unter jungen Indie-Artists und Bands beliebt. Was hat dir das bedeutet?

Das hat mir mehr bedeutet, als die Leute denken. Jens und ich machen das zu zweit, also schreiben die Songs, produzieren und mischen sie. Dann laden wir sie bei unserem Vertrieb hoch und hoffen, dass es irgendwo gut platziert ist. Letztes Jahr haben wir entschieden, alle sechs Wochen zu releasen, weil das auch für den Spotify-Algorithmus ganz cool ist. Da haben wir uns dann gesagt, wir würden gerne in dieser Wilde Herzen-Playlist stattfinden, weil das die Musikrichtung ist, in der wir das sehen und da sind die Künstler:innen drin, die uns gefallen. Also das Wilde Herzen-Cover wäre irgendwann das Ziel. Der erste Song, den wir dann rausgebracht haben war "Your Friends", und der war direkt auf der zwei. Aber dann war auch fast jeder Song darin, was schon total verrückt für uns war. Irgendwann war ich dann nochmal auf der zwei, als ich das Feature mit Conny hatte. Ich war dann so, immer auf der zwei, was ist das? Also man wird dann so ein bisschen verrückt vielleicht.

Aber dann war das Ding, dass das Album rauskam und wir dieses Playlisten-Cover gekriegt haben. Als ich das Bild gesehen habe und klar war, mein Gesicht ist dieses Cover der Wilde Herzen-Playlist, da war ich schon ein bisschen emotional und musste hier alleine im Studio ein kleines Tränchen verdrücken. Seit einem Jahr haben wir gesagt, irgendwann schaffen wir das vielleicht und dann passiert das wirklich. Klar ist das auch irgendwie nur eine Playlist und Musik ist nicht messbar, aber das hat mir auf jeden Fall etwas bedeutet, weil es halt cool war zusammen mit dem Album. Am Anfang haben wir uns das Ziel gesetzt und am Ende dieses Release-Zyklus haben wir es erreicht.

"Ich hatte öfter den Gedanken mit dem Musikmachen aufzuhören"

Du sprichst in deinen Texten offen über Selbstzweifel und Ängste und bezeichnest dich auch als "Loser" oder "Clown". Hilft diese ironische Härte besser damit umzugehen?

Grundsätzlich habe ich oft Sachen geschrieben, von denen ich dachte, die würde ich gerne hören, und dann sage ich sie mir eben selbst (lacht). Ich glaube, irgendwie hilft das schon, weil diese Gedanken sind ja da. Es gibt halt die Momente wo ich denke, ich bin ein vollkommener Loser, unloveable oder nicht schön. Ich bin nicht gut darin mir zu sagen, dass das Quatsch ist. Wenn ich das aber in einem Song sage, kann ich das loslassen, materialisieren und diesen Teil von mir darin sehen. Ich glaube das hilft mir dann, damit zu copen und mit den Gedanken umzugehen. Das ist wahrscheinlich am Ende der Grund, warum man Musik macht und das darein bringt.

Gibt es auch noch andere Themen, die dich bewegen, über die du bisher noch nicht geschrieben hast?

Ja, super viele. Politische Songs sind jetzt auf jeden Fall in der Planung für das kommende Album. Ich finde das immer sehr schwierig, weil ich mag gerne Songs, die nur ein Gefühl haben und nicht zu kompliziert werden. Da haben wir jetzt schon einen geschrieben, den ich sehr cool finde. Ich habe ja eben schon gesagt, dass ich gerne Sachen schreibe, die ich auch hören würde, aber ich habe das Gefühl, es gibt einfach noch Sachen, die ich rausfinde über mich. Das kann man auch im Schreiben machen. Da bin ich gespannt, weil ich merke, wenn man manchmal so ins Leere schreibt und das Unbewusste mittexten lässt, dann kommen auch wieder Themen hoch, die einen beschäftigen. Ich habe auch einen Song über das Vatersein geschrieben, das bin ich jetzt auch noch nicht so krass in der Musik angegangen. Je öfter man Nachrichten guckt oder mit der Welt beschäftigt, denkt man auch, irgendwie habe ich ein Sprachrohr und ich will es nutzen und nicht einfach nur über meine Probleme singen. Wobei ich glaube, es gibt genügend Leute, die die gleichen Probleme haben und dann kann auch das helfen. Aber ich glaube es ist wichtig heutzutage, dass man irgendwie Art Stellung bezieht.

Es kommt ja auch immer auf die Lebensphase an, in der man sich selbst befindet oder den Zeitgeist, worüber die Songs thematisch handeln.

Ja auf jeden Fall. Es fällt mir natürlich leichter über Dinge, die mir passiert sind oder die ich fühle zu schreiben, weil die sind halt einfach da. Mit denen beschäftige ich mich so oder so. Bei größeren Themen will ich mich vorher richtig informieren und versuchen, die Connection zwischen mir und dem Thema herzustellen. Statt einfach einen Song über den Klimawandel zu schreiben, macht es mehr Sinn sich lieber einen Artikel darüber durchzulesen. Ich muss jetzt nicht erklären was da passiert. Wenn ich mich aber frage, was passiert eigentlich mit meinen Kindern, dann ist das meine Ansicht, die sich vielleicht lohnt in einen Song zu packen. Ich frage mich einfach bei manchen Sachen, ist das ein Song oder nur ein Gedanke?

Dein zweites Album ist im Mai erschienen und heißt "Der Junge Mann". Wie autobiografisch ist das Album?

Sehr. Bei meinem ersten Album wollte ich noch, dass das alles wahr ist. Mittlerweile denke ich, dass es reicht, wenn der Kern komplett von mir kommt und nicht jeder Satz das ist, was mir widerfahren ist. Aber dennoch ist es schon sehr autobiografisch. Nicht alles ist genau in der Zeit passiert, als ich das Album geschrieben habe, aber es ist schon sehr, fasst zu autobiografisch wenn ich darüber nachdenke.

Der junge Mann trinkt jetzt Erbsenmilch, liest sein Horoskop und geht zur Therapie. Aber ganz so individuell ist er damit auch nicht mehr. Wie wichtig ist dir Individualität und das immer wieder neu erfinden?

Nicht mehr so wichtig. Ich glaube das ist auch so ein bisschen die Erkenntnis des Songs. Ich hatte das irgendwann mal in Berlin, da war ich abends alleine zu Hause und habe "Manchmal Tut Es Gut Dich Zu Vermissen" geschrieben. Da in Berlin, das war am Prenzlauer Berg, haben die Häuser immer so vier, fünf Etagen und super viele Fenster. Du sahst überall wo die Lichter an waren und Leute drin saßen. Da habe ich mir einfach nur vorgestellt, wie viele sitzen jetzt da und haben die gleichen Probleme wie ich. Das hat mir einfach das Gefühl gegeben, dass wir alle ähnliche Struggles haben und seitdem habe ich immer wieder darüber nachgedacht und mich gefragt, ob dieser Individualismus nur so eine Illusion ist. Gerade wenn es eine kapitalistische Herangehensweise ist, dieses 'Kauf doch das, denn wenn du das hast, bist du so toll'. Unser Ego braucht das vielleicht, um sich über andere zu stellen. Aber dann dachte ich, in diesem Individualismus sind wir doch wieder alle gleich. Dann war der Trigger auch nochmal als wir nach Köln umgezogen sind, und da war der eine Nachbar, den ich dafür als Bild genommen habe.

Ich habe mir da auch viel Gedanken im Künstlerdasein gemacht und ein Interview mit Mac DeMarco gesehen, der meinte, die Leute haben immer das Gefühl, er sei so krass, weil er jetzt auf der Bühne steht, aber er ist ein Mensch wie alle im Publikum. Mir hat das so gefallen, diese Idee, nicht die übertriebene Show daraus zu machen und nicht diese Larger than Life-Charakterisierung für sich selbst auf der Bühne zu erzählen. Ich finde den Gedanken schöner, dass nicht so viel zwischen mir und den Leuten ist. Das gibt mir irgendwie ein schöneres Gefühl.

Schöner Gedanke! Ein anderer Song, der mir aufgefallen ist, ist "Du Bist Noch Da". Der klingt wie ein Comeback.

Für mich war der weirdly emotional, als wir den geschrieben haben. Wir hatten einen Synthie, den treibenden Beat und ich hatte ein Springsteen-Gefühl und wollte noch eine Akustikgitarre. Das muss der erste Song sein, das war klar. Dann musste ich daran denken, dass ich öfter den Gedanken hatte mit dem Musikmachen aufzuhören, einfach aus der Enttäuschung heraus, dass es nie diesen krassen Durchbruch gab. Es gab nie einen Radiohit, es gab kein, plötzlich geht der so viral, dass da ein "Wildberry Lillet" entsteht. Das gab es nie und das ist an sich nicht schlimm, aber dann denke ich mir schon manchmal, ich würde mir viel Drama ersparen, wenn ich sage, ich mache das nur noch als Spaß für mich und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, gehe ich noch auf Tour. Die Gedanken hatte ich letztes Jahr bevor wir mit den Releases angefangen haben. Als wir dann den Song geschrieben haben, habe ich gedacht, ich bin aber noch da. Klar hatte ich diese Gedanken, klar hatte ich das überlegt, aber ich mache das immer noch. Das war mir dann wichtig, das darein zu packen. Aber klar, große Künstler:innen haben das nachdem sie zehn Jahre weg waren. Mich hat das dann berührt, deswegen kam er darauf.

Das Album wechselt beinahe ständig die Stimmung, wobei du schmerzhafte Erlebnisse mit positiven Vorsätzen verbindest. Ich habe jetzt schon häufiger in Interviews von anderen Artists gelesen, dass es ihnen leichter fällt über schwere Themen aus der Gesellschaft oder persönliches, wie Herzschmerz zu schreiben. Kannst du dich dem anschließen?

Ich weiß es nicht so genau. Ich glaube das ist, weil man schwerere Gefühle besser fühlen kann. Wenn du einen fröhlichen Song schreibst, bist du dann halt einfach glücklich. Wenn du Herzschmerz hast, ist die Dringlichkeit mehr da, darüber zu schreiben. Aber im Grunde genommen ist es glaube ich für mich einfach ab dem Moment leicht einen Song zu schreiben, wenn mir klar ist worüber. Es kommt immer im Entstehungsprozess irgendwann der Punkt, an dem ich denke, das ist nicht mehr nur ein Gedanke, sondern der Song. Ab dem Moment fällt es mir leichter. Das hat dann gar nicht so viel damit zu tun, ob es fröhlicher ist oder nicht. Mir ist immer nur wichtig, dass irgendetwas daran ist, das mein Interesse hält. Irgendetwas, das mir in dem Moment wichtig ist. Manchmal ist das auch nur eine Stimmung, die ich will. Ich habe auch schon Songs geschrieben, weil ich dachte, ich würde gerne so einen Song hören, aber ich finde ihn nicht. Dann mache ich ihn halt (lacht).

"Ein Feature mit Nina Chuba wäre schon krass"

Du experimentierst auch viel mehr mit Synthies und mit für mich undefinierbare Instrumente. War das ein Prozess, der sich so entwickelt hat?

Ja voll. Ich habe mit der Gitarre angefangen, das war mein erstes Instrument. Im Studium habe ich manchmal in Bands gespielt und da hatte es mir am meisten Spaß gemacht zu überlegen, wo kann ich dagegen hauen oder wie kann ich Gitarren-untypische Geräusche aus dem Instrument rausholen. Irgendwann habe ich gemerkt, die Gitarren-untypischsten Sounds kann ich aus anderen Instrumenten rausholen (lacht). Das ging dann auch mit Jens los, da bin ich tiefer in Synthies und Synthese eingestiegen, weil er einen Synthesizer hatte. Irgendwie, ich weiß gar nicht warum, da sind Sounds, die kitzeln mein Gehirn. Ich finde es cool und es macht mir Spaß rumzuschrauben und zu verstehen, wie das funktioniert. Das kommt dann automatisch auch in die Songs rein.

Genau das macht oftmals den Wiedererkennungswert von Songs aus, wenn da ein weirder Sound ist, wo man sich fragt, passt er da rein? Aber er passt, weil im Endeffekt erkennt man dadurch auch nur den Song.

Kevin Parker, der Tame Impala-Typ, hat mal erzählt, weil er alles alleine macht, dass er versucht, sich immer zu überraschen und oft Sounds macht, über die er lachen muss. Die sind dann auch in den Songs nachher. Ich fand diese Überlegung ganz cool, Sachen zu benutzen, die wenn man sie alleine hinstellt oder beim ersten Mal hört, lächerlich klingen. Aber das sind am Ende die Sachen, die so rausstechen, sodass man sich denkt, ja, das ist doch der Song. Aber schön, dass es dir aufgefallen ist.

Mit Mine und Conny hast du schon zusammengearbeitet. Was wäre eine Traumcollab für die Zukunft?

Es gibt viele. Tua fällt mir immer direkt ein. Aber er hat nicht auf meine Instagram-Nachricht geantwortet. Ist ja auch okay (lacht). Er hat sie glaube ich noch gar nicht gelesen. Aber es gibt auch gleichzeitig Leute, mit denen ich mal gerne in einem Raum wäre, wo ich einfach mal zusammen mitschreiben möchte. Novaa fände ich cool, aber sie kenne ich auch. Da ist es noch nicht dazu gekommen. Mir fallen in so Momenten natürlich nicht die Leute ein. Irgendwann wäre ich auch sau gerne international in so Sessions. LA oder London. Ich glaube ja, die kochen auch nur mit Wasser, aber ich würde gerne mal gucken, wie das ist.

Es gibt doch auch so Songwriter-Camps.

Genau, voll. Ich könnte es meinem Verlag sagen und dann könnte es auch passieren. Vielleicht traue ich mich auch noch nicht, vielleicht brauche ich noch ein bisschen (lacht). Als Künstler:in ist man heutzutage ja oft Marketing-Person. Klar denke ich da, ein Feature mit Nina Chuba wäre schon krass. Es wird wahrscheinlich nie passieren, aber da ist es auch so, sie schreibt für andere und ich fände es spannend zu gucken, ob es harmoniert. Also, wir reden nochmal in fünf Jahren, ob es geklappt hat.

Aus der Vergangenheit wäre es wohl Prince ...

Wenn ich mal mit Prince in einem Raum sein könnte ... Prince ist so, damit man das versteht: Mein Vater ist wirklich der größte Prince-Fan der Welt. Als Prince gestorben ist, war es, als wäre ein Familienmitglied gestorben. Freunde von mir haben mich angerufen und gefragt, geht es euch gut (lacht). Das habe ich sonst noch nicht erlebt, wenn irgendwer Berühmtes gestorben ist. Das ist schon krass und ich glaube auch, er hat mehr Einfluss auf mich, als ich weiß, weil einfach seine Musik immer lief und ich hoch geschaut habe zu diesem er macht das fast alles selbst. Manchmal kriege ich es gar nicht mit, dass auch ich hier alleine eine Produktion mache. Aber für mich ist das nicht das gleiche.

Heißt dein Debütalbum eigentlich auch deswegen "Kuss."?

(Lacht) Ne, das ist Zufall. Das erste Album hieß "Kuss.", weil ich irgendwie das Gefühl hatte, ich habe so viel über mich geschrieben, dass es wie ein Brief ist. Am Ende sage ich einfach Kuss als Verabschiedung.

Was würdest du Prince gerne sagen?

'Danke'. Ich mache mir immer sehr viele Gedanken über das Songwriting. Auch Leute die oft darüber reden, so ein Rick Rubin, sagt, dass Songs schon da sind und man im Prinzip ein Medium ist, dass die Songs rausholt. Ich mache das seit zehn Jahren, ich schreibe wirklich viele Songs im Jahr und irgendwann kriegt man wirklich das Gefühl, dass es am besten funktioniert, ist, nicht verbissen ranzugehen, sondern es auf sich zukommen zu lassen und es zuzulassen. Auch in Writing-Sessions zu gucken, welcher Song ist heute im Raum und dann manifestieren wir den so. Mit Prince hätte ich gerne darüber geredet, wie das für ihn ist, weil er einfach einen so hohen Output hatte. Ob er einfach komplett dem vertraut hat, was aus ihm rauskam. Ich hätte mich gerne anderthalb Stunden mit ihm über Songwriting unterhalten und dann so getan, als wären wir auf einem Level (lacht). Aber wer weiß, vielleicht hat er sich auch gar keine Gedanken darüber gemacht und es war für ihn immer natürlich. Man weiß es nicht. Aber ansonsten, wenn ich nur etwas sagen dürfte, hätte ich ihm einfach nur 'Danke' gesagt.

Danke auch dir, hat Spaß gemacht!

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