27. Januar 2016

"Man wollte einen Pop-Star aus mir machen"

Interview geführt von

Mit ihrem ersten Album unter eigenem Namen ("Information") tritt Eliot Sumner endgültig aus dem Schatten ihres berühmten Vaters heraus. Der heißt Sting und spielt im musikalischen Leben von Eliot Sumner nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eliot Sumner hatte viele Jahre keine Lust, über ihren Vater zu sprechen. Dumm nur, dass nur die wenigsten sich für ihre musikalischen Aktivitäten interessierten. Sicher, unter dem Projektbanner I Blame Coco sorgte Eliot im Jahr 2011 kurzzeitig für Aufsehen. Doch im Grunde wollten schon damals alle immer nur eins wissen: Wie fühlt man sich so als Tochter von Sting?

Eliots Antwort war stets die gleiche: Sie habe keine Lust permanent nur über ihren berühmten Vater zu sprechen. Sie sei eine eigene Künstlerin. Nur zu verständlich. Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch gewendet. Angesprochen auf ihren Dad reagiert die junge Sängerin neuerdings auffallend gelassen und auskunftsfreudig. Was ist also passiert im Leben von Eliot Sumner? Wir trafen Eliot im Zuge der Promoaktivitäten für ihr zweites, im Januar 2016 erscheinendes Album "Information" in Berlin und fragten nach.

Hi Eliot, du hast dich gerade hier sehr intensiv mit einigen Hotelangestellten unterhalten. Man hatte fast den Eindruck, als wärst du schon öfters hier gewesen. Ist dem so?

Eliot Sumner: Oh ja, ich war schon oft in Berlin. Ich kenne hier viele Leute. Ich liebe die Stadt. Und soll ich dir ein Geheimnis verraten?

Nur zu.

Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann werde ich im nächsten Jahr sogar hierher ziehen.

Echt? Wie kommt's?

Ich spüre eine ganz bestimmte Verbindung. Die Stadt, die Menschen, die Atmosphäre: Das ist genau das, was ich brauche. Ich brauche diesen ständigen Austausch. Ich brauche diese Gegensätze. Das Chaos auf der einen Seite. Und die Ruhe auf der anderen Seite. Berlin bietet all das. Ich freu mich schon total. Aber, wie gesagt, es ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern.

Im Gegensatz zu deinem neuen Album. Das heißt "Information" und ist – nach meinen Informationen – bereits seit vergangenem Februar im Kasten. Grenzt die Wartezeit bis zur Veröffentlichung im Januar 2016 nicht an Folter?

(Lacht) Das Album wurde sogar bereits im letzten Januar gemastert. Das ist schon eine ganz schön lange Zeit. Aber weißt du, ich komm damit klar. Seitdem habe ich die Songs auch nicht mehr gehört. Ich glaube, ich würde verrückt werden, wenn ich vor dem Release noch einmal reinhören würde.

So?

Naja, ich würde wahrscheinlich tausend Dinge entdecken, die ich gerne verändert hätte. Diesen Stress will ich mir und meinem Team natürlich ersparen.

Ich hab's heute früh das letzte Mal gehört. Soll ich ...

(Unterbricht mich)

Oh ja, erzähl mir, was du gehört hast. Ich bin gespannt.

"Mein Dad ist kein Thema mehr"

Es klingt sehr intensiv; ein Mix aus Industrial, New Wave und noisigem Pop. Sehr schwer zu beschreiben, wie ich finde.

Yeah, das klingt gut. So in etwa habe ich es auch in Erinnerung. Großartig! Ich danke dir fürs Update (lacht).

Sehr gerne. Mit dem I Blame Coco-Sound hat es definitiv nur noch wenig zu tun.

Das war mir auch sehr wichtig.

Warum?

I Blame Coco hatte nichts von mir. Ich bin damals in diese Schiene reingezwängt worden. Ich war noch viel zu jung. Da waren Dutzende Leute um mich herum, die mich und meine Musik formen wollten. Man wollte einen Pop-Star aus mir machen. Aber schau mich an. Sehe ich aus wie ein Pop-Star? Nicht wirklich, oder? Ich wusste bereits am Veröffentlichungstag, dass ich das Projekt schnell zu Grabe tragen werde.

Du gabst seinerzeit indirekt deinem Vater die Schuld dafür. Denkst du immer noch so darüber?

Nein, schon lange nicht mehr. Mittlerweile habe ich das Business begriffen.

Das heißt?

Mir ist klar geworden, dass es damals einfach so laufen musste. Ich meine, ich bin nun mal die Tochter eines berühmten Musikers. Da kann ich noch so viel strampeln und meckern. Die Leute sehen zunächst nun mal nur diese eine Verbindung. Sprich: Ich mache Musik, weil mein Vater Sting heißt. Punkt. Dass das natürlich nicht so ist, interessiert erst einmal keinen. Diesen Fakt muss man als junger Mensch begreifen. Das hat bei mir ziemlich lange gedauert. Deswegen habe ich mich auch eine ganze Weile zurückgezogen. Ich hatte einfach keine Lust mehr, permanent nur Fragen zu meinem Vater zu beantworten. Heute habe ich den Durchblick. Und ich habe auch schon viel live gespielt. Das hilft natürlich ungemein.

Inwiefern?

Nun, die Leute hören einfach, dass meine Musik so gut wie gar nichts mit der meines Vaters zu tun hat. Die Menschen erkennen, dass ich ein eigenständiges musikalisches Leben führe.

Dein Dad ist also kein Thema mehr?

Mein Dad ist kein Thema mehr (lacht). Aber ich liebe ihn! Er ist ein großartiger Mensch.

Du trittst manchmal mit einem seiner Vintage-Bässe auf. Die einzige musikalische Verbindung zwischen euch beiden?

Das ist nicht sein Bass. Das Teil gehört eigentlich meiner Schwester. Aber es stimmt schon; der Bass hat schon große Ähnlichkeit mit dem Bass, den unser Vater lange Zeit auf Tour dabei hatte. Anyway, er stand lange Zeit nur in der Ecke rum. Das ging natürlich nicht. Also habe ich ihn mir "ausgeborgt".

... und mitgenommen in eine einsame Lake District-Hütte, in der du dich ein knappes halbes Jahr zum Songwriting zurückgezogen hast?

Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht mehr, ob ich den Bass dabei hatte. Aber mein Hund war dabei. Das weiß ich noch.

"Wir hatten alle total die Hosen voll"

Bekommt man als Mensch mit leicht chaotischen Zügen in einer einsamen Hütte fernab der Zivilisation nicht irgendwann die Krise?

Davor hatte ich auch ein bisschen Angst. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Diese Isolation hat mir dabei geholfen, zu mir zu finden. Da waren nur ich, der Hund und jede Menge Songideen. Es gab nichts, das mich hätte ablenken können. Weißt du, so ein Hund braucht einen geregelten Tagesablauf. Der muss zu bestimmten Zeiten raus. Und gefressen wird auch nicht nach Lust und Laune. Da braucht es schon Strukturen. Diese Ordnung hat mir beim Arbeiten sehr geholfen.

Ich wusste immer genau, zu welchen Zeiten ich was machen konnte. Und die Phasen, in denen ich mich komplett auf die Songskizzen einlassen konnte, habe ich natürlich sehr intensiv genutzt. Ich habe alles in mich aufgesogen. Das war eine sehr aufregende und inspirierende Zeit für mich.

Du hast vorhin deine bisherigen Live-Aktivitäten erwähnt. Du warst ja mit deiner Band bereits in Amerika auf einer siebenwöchigen Tour. Deine Eindrücke?

Oh, diese Tour war unglaublich. Wir haben so viel erlebt. Alleine die Busfahrten waren der Hammer.

Die Busfahrten?

Ja, die waren teilweise total krass. Wir waren beispielsweise irgendwann in Kansas unterwegs. Und da war plötzlich dieser Sturm vor uns. Wir hatten alle total die Hosen voll. Aber wir mussten irgendwie da durch, denn es gab nur diese eine Straße. Und die führte mitten durch diesen Sturm. Wir sind also einfach geradeaus weiter. Und als wir den Sturm hinter uns hatten, saßen wir inmitten hunderter Glasscherben. Es gingen dabei nämlich einige Fensterscheiben zu Bruch. Am nächsten Tag hat sich auch ein Reifen verabschiedet. Aber egal, ich liebe das Touren. Man ist ständig auf Adrenalin.

Süchtig?

Absolut. Und das, obwohl ich eigentlich ein total nervöses Wrack bin, bevor ich auf die Bühne gehe.

Lampenfieber?

Ja, und wie! Ich hibbel dann immer rum, bin kaum ansprechbar und renne wirr von einem Raum zum anderen.

Musst du dann auf die Bühne geschubst werden? Oder kriegst du dich kurz vorher noch ein?

Ich reiß mich dann zusammen. Und sobald es losgeht, ist alles weg. Die ganze Anspannung, die Nervosität und das Lampenfieber sind dann wie weggeblasen. Dann bin ich nur noch in der Musik drin. Das ist dann wie ein Rausch.

Klingt gut.

Ist der Hammer! Ich will nichts mehr anderes in meinem Leben machen. Ich will Songs schreiben und damit auf Tour gehen. Das bin ich.

Ein Interview, weitestgehend befreit von Fragen über deinen Vater: Daumen hoch?

Alle beide. Aber ich hätte eh nicht viel über meinen Vater erzählen können. Wir führen beide unser eigenes Leben. Und es fühlt sich toll an, so wie es ist. Ich stehe endlich auf eigenen Beinen. Und das soll auch so bleiben.

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 8 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 8 Jahren

    Zitat Sumner (s.o.): "I Blame Coco hatte nichts von mir. Ich bin damals in diese Schiene reingezwängt worden. Ich war noch viel zu jung. Da waren Dutzende Leute um mich herum, die mich und meine Musik formen wollten. Man wollte einen Pop-Star aus mir machen. Aber schau mich an. Sehe ich aus wie ein Pop-Star? Nicht wirklich, oder? Ich wusste bereits am Veröffentlichungstag, dass ich das Projekt schnell zu Grabe tragen werde." Mal wieder die pure Heuchelei. Als das Album "damals" rauskam, war es DAS Ding. Ja, Sumner und Co waren sich noch nicht einmal zu schade zu betonen, dass ihr Vater Tränen in den Augen hatte, als er das Album gehört hatte - jetzt ist es natürlich totale Scheiße und hatte überhaupt nichts mit ihr zu tun. Sumner-Baby schafft es mit solchen Aussagen schon nach dem ersten Album ihr bisheriges Schaffen als Bockmist abzutun und damit allen, die das Album vielleicht gut fanden, eine Abfuhr zu erteilen. Wenn man so etwas macht, steht zwischen den Zeilen folgendes: "Liebe Fans der ersten Stunde, wie konntet ihr nur so einen Dreck kaufen?" Ich persönlich bin froh, dass ich schon damals von der ganzen Marketingstrategie und dem Sound dermaßen abgetörnt war, dass das für mich nur eine Randnotiz war. Dem neuen Album gebührt m. E. keine Chance. Denn wer weiß, in drei Jahren wird Sumner wahrscheinlich behaupten, dass das eh nur ein dummes Album war und sie jetzt in Berlin erst richtig verstanden hat, wie die Musik und sie selbst funktionieren. Ach so, einen hab ich noch. Wer sein Album nach dem Mastering ein Jahr nicht mehr anhört, kann es wohl selbst kaum ertragen...

  • Vor 8 Jahren

    Ich mochte ein paar Songs von I Blame Coco... und bin entsprechend enttäuscht über die dazu getätigten Aussagen :( Na ja, mal sehen, wie lange ich "information" links liegen lasse, bis ich mal reinhöre :P