1. August 2016

"Ich träumte von bemalten VW-Bussen"

Interview geführt von

Endlich werden wieder Blues-Pillen geschmissen! Zwei Jahre nach dem Mega-Erfolg ihres Debüts melden sich die Blues Pills mit ihrem zweiten Studiowerk "Lady In Gold" zurück.

Mit ihrem Debütalbum sorgten Blues Pills im Jahr 2014 für einen gewaltigen Paukenschlag in der Bluesrock-Szene. Nach langer Durststrecke fühlten sich eingefleischte Fans des Genres plötzlich wieder an ihre alten Helden aus den Sechzigern und Siebzigern erinnert.

Für die aus dem schwedischen Örebro und Iowa stammenden Blues Pills-Bandmitglieder Elin Larsson, Dorian Sorriaux, Zack Anderson und André Kvarnström sind die Sounds aus der Schlaghosen-Ära das Nonplusultra. Fleetwood Mac, Free, Led Zeppelin, Janis Joplin, Grand Funk Railroad: Die Liste der musikalischen Einflüsse ist lang. Trotz offenkundiger Quellen präsentieren sich Blues Pills aber keineswegs als reines Klon-Projekt. Die Band fährt ihren eigenen Sound. Das hört man auch auf ihrem zweiten Album "Lady In Gold". Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums trafen wir uns in Berlin mit Sängerin Elin Larsson und Bassist Zack Anderson zum Interview und sprachen über Reifeprozesse, bunte VW-Busse und vertraute Kräfte.

Hi ihr zwei, wenn es um psychedelischen Bluesrock mit Vintage-Einschlag geht, gehört ihr momentan zu den Bands der Stunde. Berechtigterweise?

Elin Larsson: Das ist eine Frage, bei der man aufpassen muss, was man antwortet (lacht). Aber gut, wir haben in den vergangenen Jahren viel Selbstbewusstsein getankt. Die Leute überall auf der Welt klopfen uns auf die Schultern. Und unsere Shows werden größer und größer. Das sind zumindest Indizien dafür, dass wir nicht alles falsch machen. Ich würde uns jetzt aber nicht als DIE Bluesrock-Band der Stunde bezeichnen. Wir sind zufrieden, happy und gut dabei, keine Frage. Aber wir sind auch noch lange nicht ausgereift – weder als Band, noch jeder einzelne von uns als Musiker. Da ist noch viel Luft nach oben.

Zack Anderson: Wenn eine Band aus einem Genre, das normalerweise nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, plötzlich steil geht, dann ist man immer schnell mit Superlativen bei der Hand. Wir sind da aber ganz relaxt. Wir wissen genau, wo wir herkommen und dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Dieser ganze Hype interessiert uns nicht. Sicher, wir freuen uns über die Reaktionen. Aber wir heben deswegen jetzt nicht ab. Wir bleiben am Boden und arbeiten einfach weiter. Ich glaube, dass man auch nur mit dieser Einstellung langfristig gute Arbeit abliefern kann.

Auch bei eurem neuen Album "Lady In Gold" trifft psychedelischer Bluesrock auf hippiesken Soul. Was macht diesen Mix für euch so spannend?

Elin Larsson: Es sind die Atmosphäre, die Authentizität und das Gefühl der künstlerischen Freiheit, die mich faszinieren und inspirieren. Das ging bei mir schon sehr früh los. In der Schule hing ich immer mit den Metaltypen rum, und daheim hörte ich die Aretha Franklin-Alben meiner Mutter. Dann kamen irgendwann Janis Joplin, Free und Fleetwood Mac hinzu. Und schon war es um mich geschehen. Plötzlich träumte ich nur noch von bunt bemalten VW-Bussen und engen Schlaghosen. (lacht)

Zack Anderson: Ich persönlich habe einfach ein Problem mit neumodischer Musik. Mir ist das alles zu transparent und zu einfältig. Ich will jetzt nicht behaupten, dass wir zu den tiefgründigsten Bands dieses Planeten gehören. Aber wir geben uns Mühe, uns und den Menschen etwas zu präsentieren, das langfristig Bestand hat. Und das erreicht man nur, wenn man sich von Zwängen und Trends löst. Man muss sich seine eigenen Gedanken machen. Natürlich ist Inspiration wichtig. Hör dir nur unser Debütalbum an. Das strotzt nur so vor Referenzen. Diesmal sind wir aber einen Schritt weiter gegangen. "Lady In Gold" ist das Produkt einer Band, die ihre eigene Identität gefunden hat.

Die bis dato größte Herausforderung?

Zack Anderson: Auf jeden Fall. Das hat sich ja nicht einfach so ergeben. Wir wussten bereits vorher, dass wir uns mit dem neuen Album in einem anderen Licht präsentieren wollten. Das gehörte quasi zum Masterplan. Es ging darum, die Essenz des ersten Albums beizubehalten und dem Ganzen ein eigenes Gesicht zu verpassen. Das ist uns, glaube ich, auch ganz gut gelungen. Die Songs sind intensiver und ausgefeilter. Die Lyrics sind tiefer. Und die Produktion ist eine Spur satter geworden.

"Wir haben Cory nicht rausgeschmissen"

Mir gefällt auch die Schlagzeugarbeit eures neuen Drummers André Kvarnström sehr gut. Wie zufrieden seid ihr mit seiner Arbeit?

Elin Larsson: Wir sind hochzufrieden. Er macht einen tollen Job und ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung für die Band. Wir wussten, dass wir ein Risiko eingehen, wenn wir jemanden in die Band holen, der vorher noch nie in einem richtigen Studio war. Aber André hat seinen Job perfekt gemacht. Es fühlt sich mittlerweile sogar so an, als wäre er schon immer dabei gewesen.

Ihr habt euren Ex-Schlagzeuger Cory Berry ja eher durch die Hintertür verabschiedet. Es gab monatelang keine eindeutigen Statements hinsichtlich der Gründe für die Trennung. Mittlerweile heißt es, dass Cory damals dem Tourleben nicht mehr gewachsen gewesen sein soll. Stimmt das?

Elin Larsson: Das ist natürlich eine sehr oberflächliche Begründung. Es war einfach so, dass es auf der persönlichen Schiene irgendwann nicht mehr so richtig funktioniert hat. Versteh mich jetzt nicht falsch. Es gab keine derben Streitereien zwischen uns. Aber es ist halt ein Unterschied, ob man im normalen Alltag zusammen arbeitet oder auf engstem Raum während einer wochenlangen Tournee. Da hat es dann irgendwann einfach nicht mehr so richtig gepasst.

Zack Anderson: Wir haben ihn auch nicht rausgeschmissen. Wir sind einfach alle zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste wäre, wenn wir getrennte Wege gehen. Cory gehört aber immer noch zur Familie. Wir bleiben Freunde. Und wir wünschen ihm natürlich für die Zukunft alles Gute. Er ist ein toller Musiker.

Für das neue Album habt ihr auf bewährte Kräfte gesetzt. Das gemalte Cover stammt erneut aus der Feder von Marijke Koger-Dunham. Und produziert wurde die Scheibe von Don Alsterberg, der bereits beim ersten Album Regie führte. Wie wichtig ist es euch, Leute an Bord zu haben, denen ihr vertraut?

Elin Larsson: Das kommt immer auf die Situation an. Grundsätzlich macht es das Arbeiten natürlich leichter, wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die man bereits kennt. Manchmal muss man aber auch neue Türen öffnen. Diesmal hatten wir einfach ein Paket zusammengestellt, das förmlich danach schrie, mit den gleichen Leuten zusammenzuarbeiten. Marijke ist eine Ikone auf ihrem Gebiet. Sie war schon für Bands wie die Beatles und Cream tätig. Ihr Stil passt einfach wunderbar zu unserer Musik. Also haben wir uns gemeinsam hingesetzt und ein Original-Design, das vor 50 Jahren entworfen wurde, etwas aufgepeppt.

Die erste Zusammenarbeit mit Don hat bei uns ebenfalls große Spuren hinterlassen. Da passte einfach alles. Vielleicht werden wir das nächste Album mit einem anderen Produzenten angehen. Wer weiß? Vielleicht wird aber auch wieder Don hinter den Reglern sitzen. Das hängt vor allem vom Sound ab, den wir anstreben. "Lady In Gold" sollte den nächsten, logischen Schritt markieren. Dafür war Don der perfekte Mann. Sollten wir für das nächste Album einen anderen Weg einschlagen, werden wir vielleicht einen anderen Produzenten engagieren. Wir werden sehen. Für den Moment passt aber alles wunderbar zusammen.

"Musik ist eine Kunstform des Herzens"

Der Retro-Hype ist immer noch in vollem Gange. Ihr seid mittendrin. Auf welche Bands sollte man eurer Meinung nach noch ein Auge werfen?

Zach Anderson: Oh, da gibt es unheimliche viele. Momentan höre ich beispielsweise oft das neue Album der Alabama Shakes ("Sound & Colour"). Das ist der Sound, der mich packt, schüttelt und nicht mehr loslässt. Großartige Band.

Elin Larsson: Ja, die Alabama Shakes sind toll. Auch der Hammer: die Monophonics aus San Francisco. Die haben es auch total drauf. Ich glaube, dass die Leute immer mehr begreifen, dass Musik eine Kunstform des Herzens ist. Wenn man merkt, dass ein Künstler oder eine Band voll und ganz in ihrem Sound aufgehen, dann kommt das bei den Menschen auch an. Das ist gut für uns. Und natürlich auch für all die anderen tollen Bands da draußen.

Eure Sound-Hauptzutaten sind Blues, Rock und Soul. Schon mal darüber nachgedacht, das Spektrum zu erweitern? Und wenn ja: Was würde eurer Meinung nach noch passen?

Elin Larsson: Eigentlich sind wir sehr zufrieden mit unserem Sound. Natürlich werden wir noch weiter an den Details feilen. Aber grundsätzlich wird sich wohl eher nichts an unserem Sound ändern. Obwohl ...

Aha?

Elin Larsson: Ich finde Jazz total spannend. Vielleicht wäre das mal eine Option. Aber das müsste man erst einmal im Proberaum zur Sprache bringen (lacht).

Da würde ich dann gerne Mäuschen spielen.

Elin Larsson: Das glaube ich dir gerne.

Ab September geht es zusammen mit Kadavar auf große Europa-Tour. Vorfreude pur?

Zack Anderson: Auf jeden Fall. Wir sind schon ganz hibbelig und können es kaum erwarten, die neuen Songs live zu spielen. Das wird eine intensive Zeit, auf die wir uns schon sehr freuen.

Die Zeit ist leider abgelaufen. Was bleibt mir noch zu sagen? Habt Dank für das nette Gespräch und weiterhin alles Gute für die Zukunft.

Elin Larsson: Vielen Dank.

Zack Anderson: Ja, von mir auch. Hoffentlich sieht man sich demnächst mal auf Tour.

Berlin, Columbiahalle.

Zack Andersson: Ist notiert (lacht).

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1 Kommentar

  • Vor 7 Jahren

    Naja, streng genommen sind Blues Pills auch ein ziemlich neumodisches Produkt und wahrlich kein Unikat in diesem Genre. Von daher ist mir die Sicht auf "neumodische" Musik etwas zu beschränkt. Nur weil man alte Vibes aufleben lassen will ist man halt noch lange nicht oldschool.