laut.de-Kritik

Im Namen des Vaters: Baxters Leben in 30 Minuten.

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Die Pandemie brachte bekanntlich einige vermeintliche Gewissheitheiten ins Wanken. So auch bei Baxter Dury. Der bestaussehendste Sakkoträger neben Nick Cave wollte 2020 mit seinem neuen Album "The Night Chancers" auf Tournee gehen, was plötzlich nicht mehr möglich war. Stattdessen spielte er mit seinem 17-jährigen Sohn Cosmo an der Gitarre eine denkwürdige "Royal Albert Home"-Session aus seinem Wohnzimmer.

Er war nicht der einzige, der aus Ermangelung der Möglichkeit, die eigene Zukunft zu planen, Halt in der Vergangenheit suchte. Schließlich dämmerte ihm - aus für uns Außenstehende nur schwer nachvollziehbaren Gründen - dass es vielleicht eine gute Idee wäre, die eigene Kindheit aufzuschreiben. Hierfür sah sich der knapp 50-Jährige logischerweise mit einem Menschen konfrontiert, zu dem er seit seinem Auftauchen auf der Musikbühne im Jahr 2001 in jedem einzelnen gottverdammten Interview Stellung beziehen musste: Seinem Vater, dem großen Pub-Philosophen Ian Dury. Diese schmerzhafte Vergangenheitsbewältigung gab es bisher nur in Form des Buches "Chaise Lounge" zu lesen, nun folgt die musikalische Umsetzung.

Gleich die ersten Worte in "So Much Money" knüpfen an das Buch an: Zu melancholischen Piano-Chords und Saxofon ruft Baxter verzweifelt in die Echokammer seines Lebens: "Hey Mummy, hey Daddy / Who am I? / Who Am I, Mummy?" Es dürfte kein Zufall sein, dass Baxter seine ersten musikalischen Gehversuche mit Anfang 30 nach dem Tod des Vaters wagte. Heute ist er selbst nur noch wenige Jahre von dem Alter entfernt, in dem der Alte an Krebs starb.

Ein heruntergepitchtes Sample verstärkt die Jenseits-Atmosphäre, aus der uns der weibliche Backgroundgesang mit Engelsflügeln herausholt: "Waiting for the chorus line / there's so much money on my mind." Die female vocals sind auf "I Thought I Was Better Than You" noch präsenter und geben dem Spoken-Word-Genöle des selbsternannten Sohns von Dschingis Khan das nötige Gegengewicht. Denn die enorme Popularität des Vaters führte Ende der 70er Jahre nicht gerade zu größerer Beliebtheit für Baxter auf dem Schulhof. Dort hörte er eher Sprüche wie: "Hey Boy, never gonna be like us."

In "Leon", einem dieser vermeintlich nur aus sattem Bass bestehenden Tracks im Stile seines Szene-Hits "Miami" bricht es aus ihm heraus: "Why am I condemned because I'm the son of a musician?". Dabei gibt es nicht nur den berühmten Vater, der ihn zeitlebens zugunsten seiner Karriere eher links liegen ließ, sondern natürlich auch die für die Öffentlichkeit weniger interessante Mutter: "But Mumma's normal, she'll solve the issue".

Für Eingeweihte mag Baxters inhaltliche Offenheit bemerkenswert sein, musikalisch bleibt er sich weitgehend treu - und das kann nach den zwei brillanten Vorgängern eigentlich niemanden enttäuschen. Die Eleganz, mit der der Hammersmith Bohemian hier wieder seine pumpenden Beobachtungen mit Streichern verziert, dieser Auffahrunfall aus 90er Jahre-Trip-Hop und französischem Autorenkino, spielt nach wie vor in einer eigenen Liga. Nur schade, dass sein alter Herr diesen kreativen Ausbruch nicht mehr miterleben durfte.

Im wunderschön souligen "Shadow" bringt er den ganzen Schlamassel auf den Punkt: "But no one will get over that you're someone's son / Even though you want to be like Frank Ocean / But you don't sound like him, you sound just like Ian." Und nach 30 Minuten ist auch schon alles vorbei.

Trackliste

  1. 1. So Much Money
  2. 2. Aylesbury Boy
  3. 3. Celebrate Me
  4. 4. Leon
  5. 5. Crashes
  6. 6. Sincere
  7. 7. Pale White Nissan
  8. 8. Shadow
  9. 9. Crowded Rooms
  10. 10. Glo

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