10. September 2020

"Ich klang wie ein Monster"

Interview geführt von

Songs wie "Tom's Diner", "Marlene On The Wall", "Luka" haben über 30 Jahre nach Erscheinen kein Quäntchen ihrer Energie eingebüßt, ebenso wie die Soundtrack-Auskopplung "Left Of Center" oder "Blood Makes Noise" - lauter zeitlose Nummern.

Nach dem fünften Studioalbum wurden die Pausen lang und länger: Fünf, sechs, acht Jahre. Dafür gibt es Live-Mitschnitte in allen denkbaren Konstellationen. Von Theateraufführung über Jazzfestival, Akustik-Set bis Jam-Session.

Nun covert Suzanne Vega den Lou Reed-Klassiker "Walk On The Wild Side" und präsentiert eine Art Live-Best Of mit Erläuterungen. Den roten Faden durch ihre neue CD/LP "An Evening Of New York Songs And Stories" webt die beispiellose Storytellerin entlang ihrer Heimatstadt New York. Deutschland-Gigs waren geplant, u.a. am 15.09. in Berlin. Doch das Interview konnte wegen Corona dort nicht stattfinden. Suzanne machte es sich also zuhause, nahe des berühmten "Tom's Diner" (112th Street) in Manhattan, am Telefon bequem. Sie erzählt uns von Songs und großartigen Songwriter(inne)n, die ihr Leben kreuzten.

Einer deiner bekanntesten Songs, "Luka", der jetzt auch auf "A New York Evening Of Stories And Songs" enthalten ist, handelt vom Missbrauch eines Jungen. Luka könnte vom Namen her ein Mädchen oder ein Junge sein, in deinem Song ein Junge. Interessiert dich an der #MeToo-Debatte eher die Gewalt an Männern oder an Jungens?

Nun, "Luka" war nicht dafür gedacht, sexuelle Gewalt zu thematisieren. Es gibt da keine Anspielungen auf Sex in dem Song, sondern geht um häusliche Gewalt. Sexuelle Gewalt ist meiner Meinung nach eine spezielle Kategorie. Darüber habe ich auch einen Song gemacht, "Bad Wisdom" (Anm. d. Red.: auf "99.9F°", 1992). Bevor ich "Luka" schrieb, dachte ich über die Problematik von Kindesmissbrauch nach und überlegte, wie ich die Thematik angehen könnte, ohne dass es diese typische "dein-Kind-schlagen-ist-schlecht"-Haltung einnimmt.

Diesen Jungen Luka sah ich in dem Haus, in dem ich wohnte. Das heißt, zuerst sah ich ihn nicht, ich wusste erst mal nur den Namen, und ich versuchte mir vorzustellen, wie dieser Junge wohl aussah. Denn von diesem Namen ausgehend war es ja schon unmöglich zu sagen, welcher Nationalität Luka war, ob es ein Junge oder Mädchen sein würde - ein universeller Name, und genau aus diesem Grund habe ich diesen Namen für den Song ausgewählt. Ich hatte mir einen Charakter für den Song vorgestellt, und dieser Luka passte dazu, weil er in gleichem Maße schüchtern wie auch 'tough' war, eine ungewöhnliche Kombination. Somit wurde der Name Luka zu einem Vehikel für das, was ich in dem Song ausdrücken wollte.

Du hast die Figur Luka so beschrieben: "Er unterschied sich sehr von den anderen Jungs." Was war es, das da so anders ist?

Er schien eine heikle Seite an sich zu haben, die damit zu tun hatte, dass er abgebrüht war, und sich in einer Weise sehr 'tough' verhielt, zumindest so wie es ein Kind tun kann, aber für ein Kind völlig überdurchschnittlich.

Wenn du den Song heute spielst, tust du es mit einem anderen Gefühl als damals in den 80ern?

Nein, ich singe ihn heute immer noch mit der Leidenschaft, die ich immer hatte. Es hat sich an der Interpretation nichts geändert.

Auf der originalen Studiofassung von "Luka" hat Shawn Colvin bei dir Background gesungen. In Europa wurde sie erst Ende der 90er bekannt. Warst du damals eine Art 'Role Model' für sie und andere weibliche Singer/Songwriters?

Shawn Colvin, wie auch Lucy Kaplansky, die ich ebenfalls als Background-Sängerin gewann, waren damals in den USA bekannter als ich und verkehrten in derselben Folk-Szene. Ich wollte sie beide dabei haben, damit ihre Bekanntheit auf mich ausstrahlte. Sie hatten einen größeren Hörerkreis, ich liebte sie auch stilistisch. Ich nahm Shawn 1986 auf meine Tour mit. Ja, ein Role Model für andere Frauen möchte ich durchaus sein, das nehme ich gerne an, ab dem Moment, wo eine Frau das wirklich explizit sagt, dass sie 'von Suzanne Vega beeinflusst' war. Denn du weißt ja nie, wer dich mag, wer nicht, wem du egal bist.

Gibt's denn jemanden, der das explizit gesagt hat?

Gibt es, ja. Hm, also ich schätze es sehr, dass Tracy Chapman gesagt hat, sie verdanke mir, - das heißt meinem Erfolg - ihren Plattenvertrag. The Indigo Girls haben mir ihr Demo Tape gegeben, damit ich es mir anhöre. Lange bevor sie dann großen Erfolg hatten. Ich habe auch von anderen gehört, dass ich Vorbild gewesen sei, aber ich erinnere mich da nicht mehr genau dran.

Sucht man jetzt nach einem 'Role Model' für dich, dann stößt man womöglich auf Carson McCullers, eine Schriftstellerin, die dich zu deinem kompletten letzten Studioalbum inspirierte, das 2016 erschien. Ist sie eine Art Vorbildfigur?

(Lacht laut) Nein, sie ist kein Vorbild, sie lebte ein tragisches Leben, lebte ein sehr undiszipliniertes Leben, trank zu viel, rauchte zu viel, es war viel Sex mit im Spiel. Ich hoffe, dass das nicht mein Schicksal werden wird. Ich bin heute bereits zehn Jahre älter als sie es war, als sie starb. Ich bin also ganz glücklich, dass sie kein 'Role Model' für mich war, gleichwohl: Es machte sehr viel Spaß, als "sie" zu agieren. Das heißt, ich "studierte" sie, und schrieb von da ausgehend ein Theaterstück über sie, über ihr Leben. Ich erforschte ihr Leben über die Jahre. Sie starb 1967. Ich fing so um die acht Jahre später an, als ich Teenager war, ihre Bücher zu lesen.

Von diesem Album über sie hast du den Song "New York Is My Destination" für das Live-Album ausgewählt. Du bist ja aus New York, während diese Carson McCullers eine andere Perspektive hat und aus Georgia, aus dem Süden, kommt.

Ja, sie wuchs in einem sehr kleinen Dorf in Georgia aus. Wobei ich auch erst mit zwei Jahren nach New York kam. Gut, ich wusste damals nicht, wohin wir gehen, als meine Eltern hier herzogen. Nur dass wir in eine andere Umgebung gingen. Aber New York wurde auch mein Ziel und es ist immer noch mein Ziel, wenn ich unterwegs bin.

Was stellte sich deine 'Anti-Heldin' Carson denn vor, als sie nach New York ging? Was denken Leute über deine Stadt?

Sie mochte die Dinge, die ich in dem Song aufzähle, die mit der glamourösen Seite von New York zu tun haben und mit der Geschichte der Stadt. Alles, was ich da nenne, stammt wirklich aus ihrem Leben. Den Glamour stellte sie sich nicht nur vor, sie hatte ihn auch, als sie hierher kam: Sie ließ sich im Plaza Hotel nieder, mochte die Drinks dort, mietete bewusst dort ein Zimmer, weil sie den Room Service haben wollte. Aber sie suchte auch die Kulturszene. Sie vernetzte sich auch mit anderen Kunstschaffenden und lernte beim Schreiben dazu, auch das gehört dazu: Das findet man, wenn man von außerhalb kommt.

Im Song "New York Is A Woman", auch auf dem Live-Album enthalten, da gibt es die Zeile "She's every girl you've seen in every movie / seen in every late night TV." Wofür steht dieser Song? Für die mondäne Seite New Yorks?

Nun, ich stellte mir New York in meinem Kopf als eine Frau vor. Dabei fragte ich mich, was für eine Art Frau sie wohl wäre. In meiner Vorstellung ist New York eine Frau, die glamourös ist, hat aber auch eine irgendwie dunkle Seite. Eine Frau mit einem Herz aus Gold, aber doch mit der Hand in deiner Tasche. Sie ist nicht immer sauber, sie ist nicht immer schön, aber faszinierend, 'tough', magnetisch. Du kannst die Augen nicht von ihr lassen, aber sie, das heißt New York, ist nicht immer 'schön'.

Die erwähnte dunkle Seite zeigt sich nun vor allem auch in deiner Coverversion "Walk On The Wild Side", dem Song von Lou Reed. Der Song kam heraus, als du 13 warst. Erinnerst du dich daran, wie du den Song das erste Mal gehört hast?

Ich erinner mich daran, wie ich den Song als Teenager hörte, ja. Aber ich habe damals nicht alle Referenzen verstanden. Aber ihn das erste Mal gehört zu haben, daran konkret kann ich mich nicht erinnern, der Song übte lange keine so große Wirkung auf. Erst, als ich Lou Reed im Konzert sah.

Bist du dann Fan von ihm geworden? Oder gleich eine Freundin? Die erwähnte dunkle Seite zeigt sich nun vor allem auch in deiner Coverversion "Walk On The Wild Side", dem Song von Lou Reed.

Zuerst wurde ich Fan, da war ich 19, damals sah ich ihn das erste Mal live. Es war ein ziemlich schockierender Auftritt, mit Gewaltausbrüchen, er tat so, als ob er von der Bühne schieße. Er schmiss Zigaretten aufs Publikum, die Leute brüllten zurück, also sehr schräg. Das wirkte wie Theater, es schien als Theaterperformance gemeint zu sein. (Anm. d. Red., Anfang 1979; auf Lous Live-Album jener Phase dauert "Walk On The Wild Side" 17 Minuten) Trotzdem kümmerte mich dieses Drumherum nicht. Mir ging es um die Song-Inhalte von ihm, ich mochte seine Texte, kaufte mir dann das "Berlin"-Album.

Danach fing ich an, ihn wann immer er in New York war, live zu sehen. Aber es verstrichen sieben Jahre, bis ich ihn wirklich kennen lernte. Dann trafen wir nämlich in einer Fernseh-Show aufeinander. Den Ausschnitt kann man auf YouTube finden. Ich wusste gar nicht, als ich in dieses TV-Studio kam, was mich da erwartete und dass ich ihn dort treffen würde. Er sollte das Interview mit mir führen. Das war ein Alternative-Format von MTV, "120 Minutes". Für mich verlief das recht peinlich, ich verhielt mich sehr schüchtern und ging nicht aus mir heraus, während des ganzen Interviews. Nach diesem Ereignis aber haben wir uns regelmäßig überall in New York getroffen und wurden Freunde. Einschließlich seiner letzten fünf Lebensjahre, in denen wir ein sehr enges Verhältnis zueinander hatten.

Lou Reed führt die damalige Newcomerin Suzanne als "Anführerin des Folk-Revivals" in die Sendung ein und nimmt doch tatsächlich seine Sonnenbrille für sie ab:

Wie reagierte dein Publikum bisher, wenn du "Walk On The Wild Side" gespielt hast?

Oh, die Leute lieben es (lacht). Sie lieben es.

"Eine einfache Gesangsspur legte alle Fehler von MP3 offen"

Ein anderer Klassiker: "Marlene On The Wall". Die Metaphern in diesem Text "the wall", "danger zone", "the soldier", "fighting", was erzählen sie? Und wer ist Marlene tatsächlich?

Marlene ist Marlene Dietrich. Sie ist die Schauspielerin, die ich am meisten bewundere, als Ikone. Nicht so sehr für ihre schauspielerischen Fähigkeiten. Sondern für ihr Image. Eine klassische Schönheit, aber eine gewiefte Person, die niemands Opfer ist. Zum Vergleich: Marilyn Monroe war zart und hatte eine Art Opfer-Persönlichkeit in mancher Hinsicht. Ich empfinde es so, dass Marlene Dietrich mehr ein "Survivor"-Typ ist. Darüber spreche ich in dem Song: "The mocking smile" ist das Bild auf einem Marlene Dietrich-Poster an meiner Wand.

Dann natürlich "Tom's Diner", oft gecovert ...

Oh, (lacht) ich kann gar nicht erklären, was da genau passierte. Die Elemente des Songs waren offenbar so simpel, dass alle möglichen Leute sie nahmen, neu zusammensetzten und in ihren eigenen Stil übertrugen. Phänomenal, und es funktionierte.

Der Song war Prototyp des MP3-Formats....

Korrekt. Ich habe Karlheinz Brandenburg vom Fraunhofer-Institut getroffen. Er hat MP3 entwickelt und sagte, hm, wenn ich diese warme menschliche Stimme hernehme und sie durch dieses Format laufen lasse, dann sollte sich der Klang zuverlässig wiederherstellen lassen. Was aber stattdessen passierte, war: Ich klang wie ein Monster, verzerrt, mit allen möglichen Schattierungen über den Vocals ... er musste noch einige Monate daran arbeiten. Bis er das so verfeinerte, dass sie an einem Punkt angelangten, wo sie zufrieden waren.

Was reizte das Fraunhofer-Institut, genau diesen Song zu nehmen? War es, weil das Lied acapella war oder worin bestand die Herausforderung, das in ein digitales Format hineinzubekommen?

Es war die Acapella-Version, und es ging um die Vocals. So eine einfache Gesangsspur legte die ganzen Schwachstellen des digitalen MP3 frei.

Dachtest du denn zu dieser Zeit, dass ein nicht-physisches Musikformat einst die Zukunft sein könnte?

Naja, man hat mich damals nicht gefragt. Der Entwickler hat sich nicht meine Erlaubnis eingeholt, um das Stück zu verwenden, sondern benutzte es einfach, und als ich das mitbekam, war es dann schon rückblickend, nämlich im Jahr 2000. Da wussten wir natürlich alle schon, dass etwas Neues kommen würde, eine Art technische oder technologische Revolution. Die alles verändern würde, so dass wir nicht mehr in der Lage sein würden, Musik in ihrem herkömmlichen Format zu kaufen. Zwölf Jahre vorher war mir das aber nicht klar, weil ich von dem ganzen Vorgang nichts wusste.

Wenn du erlaubst, einige biographische Fragen: Du hast den Nachnamen 'Vega' von deinem puertoricanischen Stiefvater. Man kann aber sagen, du schaust nicht wie eine 'Latina' aus. Man schreibt über dich, dass du erst im Alter von neun Jahren wusstest, dass dieser 'Stiefvater' gar nicht dein biologischer Papa ist. Wie hast du reagiert, als du das herausfandest? Und gibt es darüber einen Song?

Der Song, der das anspricht, wie ich meinen gebürtigen Vater suchte, ist ziemlich abstrakt, und du würdest beim Hören nie darauf kommen, dass es um dieses Thema geht. Das Lied heißt "Pilgrimage", auf dem dritten Album, "Days Of Open Hand". Das handelt davon, meinen Vater gefunden zu haben. Aber es gibt keinen direkten Hinweis darauf, man würde es nie erraten. Der andere Song darüber ist "Blood Sings" und geht darüber, Familienfotos anzuschauen. Denn, natürlich, wie du schon sagst, sehe ich nicht allzu sehr wie mein Stiefvater aus.

Deine Mutter arbeitete in einem - vor allem damals - sehr männlich geprägten Berufsbild, als IT-Systementwicklerin. Wie reagierte sie, als du Singer/Songwriterin werden wolltest?

Nun ... Sie unterstützte uns alle. Ich komme aus einer Familie mit vier Kindern. Sie war glücklich darüber, dass wir in die Kunst gingen, so lange wir unsere Rechnungen zahlen konnten. Das war das, worum es ihr ging. Sie zahlte bei uns zuhause die Steuern, sie zahlte die Rechnungen, sie hatte einen Master in Ökonomie. Mein Stiefvater und meine Mutter waren in gewisser Weise ein ungewöhnliches Paar. Sie kümmerte sich ums Geld, studierte Wirtschaft, und er studierte Politikwissenschaft und war Schriftsteller. Sie waren also recht kontrastreich.

Als du dann anfingst aufzunehmen, warst du nicht die Jüngste im Musikbusiness, etwa 24, 25.

Das war das, was man damals als 'jung' ansah.

Wenn man das aus der heutigen YouTube-Ära heraus im Rückblick sieht, ist das ja viel älter, als die heutigen Newcomer im Durchschnitt sind...

... das stimmt natürlich....

Hat sich das als Vorteil herausgestellt? Du hattest zu der Zeit ja schon mehr Lebenserfahrung. Oder kamen gar Probleme durch das Alter auf?

Probleme gab es da gar keine. Ich hatte Songs angefangen zu schreiben, als ich 14 war. Ich wäre heute vielleicht eines dieser Schlafzimmerkinder, die ihre eigene Musik aufnehmen und auf ihrem Channel hochladen. Ich denke, damals war es gut zu warten. Denn ich musste lernen, wie man wirklich auf der Bühne auftritt. Da musste ich mich erst selbst daran gewöhnen, zu einem Publikum zu sprechen, es zu entertainen, die Leute zu packen und bei der Stange zu halten. Das war mehr, als nur ein Mikrofon oder eine Kamera zu benutzen.

"Paul Simons E-Mail sollte ich mir an die Wand hängen"

In Bezug auf "Tom's Diner" sagtest du mal, du wolltest es acapella aufnehmen, weil du zu der Zeit keine guten Pianisten kanntest, die dich auf dem Song hätten begleiten können. Aber das stimmt ja nicht, denn du hattest zuvor schon mit Joe Jackson gearbeitet, oder?

Ja, aber geschrieben hatte ich "Tom's Diner" bereits 1982. Und damals kannte ich auch Joe Jackson noch nicht. Als ich das Demo aufnahm, hatte ich den Song schon jahrelang live in der Acapella-Version performt. Dabei wollte ich dann auch bleiben. Ich dachte zwar, es wäre sehr gewagt, ihn acapella aufzunehmen. Und dann habe ich mich aber doch dafür entschieden, weil es live so gut funktioniert hatte.

Nun hattest du da zuvor bereits den Soundtrack-Hit "Left Of Center" gehabt, zusammen mit Joe Jackson. Der Joe Jackson ist ja noch sehr beliebt in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wenn er hier tourt. Über seinen Charakter wissen wir wenig. Wie würdest du ihn denn und die Chemie zwischen euch beschreiben? Du hast in den 90ern an einem seiner Alben mitgearbeitet.

Er kann wundervoll sein, so genial. Er war großartig, als wir "Left Of Center" aufnahmen. Super easy, mit ihm zu arbeiten. Viel schwieriger wird es, wenn er der Boss ist. Dann ist er sehr penibel. Als ich bei ihm mitmachte, hat er mir genau vorgegeben, wie ich meinen Part zu interpretieren hatte. Er ließ mich Sachen X Mal wiederholen, war sehr exakt, konnte leicht verärgert sein, und du wusstest nicht warum, sehr empfindlich. Er ist ein sensibler Künstler. Aber so oder so: Ich bin sehr glücklich, wenn ich ihn sehe. Er ist schon eine Art Freund aus meinen A&M-Zeiten.

Du bist eine synästhetische Komponistin. Das heißt, du hast nicht professionell gelernt, Noten zu lesen, und du siehst Noten in Farben.

... in Farben und Formen, ja. Das ist sehr persönlich: Wenn ich einen Akkord höre, erzeugt er eine geometrische Form in meinen Gedanken oder eine Form, die ich mit meinen Fingern auf einem Instrument mache. Die Farbe scheint von der Art und Stimmung des Akkordes her zu stammen: Wenn es ein trauriger Akkord ist, zum Beispiel a-moll, ist das so ein Blaugrau, so stelle ich mir das vor, A-Dur ist mehr orangefarben und gelb.

Zu deinem Musikgeschmack. Paul Simon und Leonard Cohen gehören zu den Persönlichkeiten, die dich beeinflusst haben und von denen du Fan bist. Was ist dein Verhältnis zu ihnen? Kennst du Paul Simon persönlich?

Ja, wir kennen uns. Wir sind vielleicht nicht Freunde, aber Bekannte. Er ist ein wundervoller Songwriter, mit einer wunderschönen Stimme. Da unterscheidet er sich von all den anderen Leuten, die ich bewundere. Viele sind tolle Songwriter, aber haben eben nicht immer eine so schöne Stimme. Paul Simons Harmonien sind wunderschön und seine Ideen sind großartig. Ich hab seine Musik immer geliebt.

Als ich mich mit ihm in Verbindung setzte, da schrieb ich ihm und fragte ihn um Rat: Wie man Lieder schreibt, die Freude bringen. Weil er einer der wenigen Songwriter ist, die wirklich Songs schreiben, die Spaß machen. Sein Tipp war, morgens zu schreiben, wenn ich eine Menge Koffein intus habe (lacht). Er schrieb mir eine wunderschöne E-Mail zurück. Die sollte ich mir wirklich ausdrucken und an die Wand hängen. Schön geschrieben, und ... da steht noch mehr drin ... aber das ist der Part, an den ich mich erinnere: Schreib morgens, nachdem du Kaffee getrunken hast, und dann los!

Hattest du zu Leonard Cohen Kontakt, als er noch lebte?

Eine Menge, ja. Wir haben auch mal ein Interview zusammen gegeben. (Anm. d. Red.: Cohen und Vega interviewten sich 1993 gegenseitig über ihre Familien, ihre Songs und ihren jeweiligen Humor) Er schickte mir dann eine Zeit lang immer Geschenke. Ich habe einen schönen Spiegel, den er mir schenkte. Und er schickte mir Schachteln mit Kuchen zu Weihnachten. Als meine Tochter auf die Welt kam, schickte er mir ganz hübsche pinkfarbene Seiden-Pyjamas. Wir haben uns auch viele Male persönlich getroffen. Er war außergewöhnlich. Wir hatten eine angenehme, lange Freundschaft.

Also jemand, den du nie vergessen wirst.

Niemals. Nie vergessen! Ich hüte alle Sachen, die er mir gegeben hat, immer noch sorgfältig. Ich werde Leonard Cohen nie vergessen.

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