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Leonard Cohen

Wer einmal der Melancholie des Leonard Cohen verfallen ist, kann und möchte sich meist ein Leben lang nicht mehr davon losreißen. Viel zu tief hat sich der monoton faszinierende Gesang, unterstützt von schlichten, melodischen, das Ohr des Zuhörers umschmeichelnden Gitarrenakkorden in dessen Herz eingegraben und es nicht mehr losgelassen. Die meisten fügen sich willig in dieses Schicksal, lassen sich gerne immer wieder aufs Neue von einem der ungewöhnlichsten Musiker der Popgeschichte verzaubern.

Leonard Cohen: Seine 20 besten Songs
Leonard Cohen Seine 20 besten Songs
Ein großartiger Songwriter, trotz beschränkter musikalischer Mittel, jeder seiner Songs erzählt eine Geschichte: Perlen aus allen Schaffensphasen.
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Dabei sieht es zunächst gar nicht so aus, als ob der am 21. September 1934 in einem Montrealer Vorort geborene Cohen einmal den Weg ins Musikgeschäft findet. Zwar lernt er mit 13 Jahren die ersten Akkorde auf der Gitarre und verdient sich kurze Zeit später sein Taschengeld mit Auftritten in den Cafes von Montreal. Doch dies scheint alles nur eine kurze Episode gewesen zu sein, als er noch vor seinem Universitätsabschluss den McNaughton Preis für kreatives Schreiben gewinnt. Kein Wunder, dass es für Cohen nach seinem Abschluss 1955 zunächst näher liegt, an eine literarische Karriere zu denken.

Sein erstes Buch "Let Us Compare Mythologies" wird im darauf folgenden Jahr veröffentlicht und trägt ihm bei Kritikern einen guten Ruf ein, den die beiden Novellen "The Favorite Game" (1963) und "Beautiful Losers" (1966) festigen. Seine zahlreichen weiblichen Bekanntschaften, seine Erfahrungen mit Drogen, seine Reisen und die erfolgreiche Vertonung einiger seiner Gedichte tragen dazu bei, dass Cohen Mitte der 60er Jahre bei weitem kein Unbekannter mehr ist.

Sein musikalisches Debüt auf der großen Bühne erlebt er jenseits der 30, als er im Sommer 1967 beim Newport Folk Festival teilnimmt. Es folgen ausverkaufte Konzerte in New York und ein Fernsehauftritt. Aus dem Schriftsteller wird der singende Poet Leonard Cohen, der mit seinem Debütalbum "Songs Of Leonard Cohen" 1968 einen Hit landet und sich in eine Songwriter-Ikone verwandelt.

Dabei scheinen seine Posie und seine Musik so gar nicht für den Massengeschmack gemacht zu sein: Dunkle, einfache Arrangements, sein monotoner, wenig Abwechslung bietender Gesang und seine oftmals die Tiefen der menschlichen Psyche auslotenden Gedichte verleihen den meisten seiner Songs einen manisch depressiven Charakter. Die folgenden Alben "Songs From A Room" (1969) und "Songs Of Love And Hate" (1971) weisen in dieselbe Richtung, werden vom Publikum jedoch nicht so begeistert aufgenommen. Erst mit "The Best Of Leonard Cohen" knüpft Cohen 1975 wieder an die Erfolge der ersten Tage an.

Seit den späten Siebzigern misst Cohen seiner Schriftstellertätigkeit wieder mehr Bedeutung bei und drosselt seinen musikalischen Output merklich. Trotzdem gelingt ihm in den späten Achtzigern mit "I'm Your Man" (1988) noch einmal ein Topseller, der die für ihn übliche melancholische Stimmung der Songs erstmals mit vorsichtig dosiertem Humor aufhellt. In den 90ern stößt er mit seinem Album "The Future" (1992) auch bei der MTV-Generation auf offene Ohren. Regisseur Oliver Stone untermalt die blutigen Abenteuer der Hauptdarsteller von "Natural Born Killers" mit seinem Song "Waiting For The Miracle".

Anschließend wird es still um die faszinierendste Stimme Kanadas. Cohen zieht sich in ein Zen-Kloster bei Los Angeles zurück, um für Roshi, seinen Zen-Meister, zu kochen. Erst 2001 gibt er in Form einer Liveaufnahme aus dem Jahre 1979 wieder musikalische Lebenszeichen von sich. Es ist der Vorbote eines neuen Albums, das im selben Jahr mit dem Titel "Ten New Songs" erscheint. Ein untypisches Cohen-Werk, da die Texte von ihm stammen, die Musik aber von seiner langjährigen Mitarbeiterin Sharon Robinson.

Das keyboardlastige Ergebnis ist eher enttäuschend und zieht wenig begeisterte Kritiken nach sich. Das im Oktober 2004 erschienene "Dear Heather" fällt dagegen gediegener aus und schließt wieder an den Humor und die musikalische Freude von "The Future" an. Im Jahr 2006 ehren einige Bands den Songwriter mit ihrer Beteiligung am Filmprojekt "Leonard Cohen - I'm Your Man". Mit dabei sind unter anderem Jarvis Cocker, Rufus Wainwright und Nick Cave. Ebenso veröffentlicht der Meister einen Gedichtband mit dem Titel "Book Of Longing", der auch diverse Zeichnungen enthält.

Im März des Jahres 2008 steigt Cohen in die Rock And Roll Hall Of Fame auf. Die Laudatio auf ihn hält Freund und Verehrer Lou Reed. Vollkommen überraschend geht der Kanadier im Sommer desselben Jahres im Alter von 74 noch einmal auf Welttournee. Die künstlerische Souveränität ist erstaunlich, ebenso die noch immer vorhandene Fähigkeit Cohens, sogar in einer Halle mit vielen Tausend Zuhörern eine intime Atmosphäre zu erzeugen. Weltpresse und Publikum reagieren gleichermaßen begeistert. Mit Bemerkungen wie "Excuse me for not dying!" spielt Cohen augenzwinkernd auf sein fortgeschrittenes Alter an und bestärkt die öffentliche Annahme, dies sei seine letzte Tour.

Ganz freiwillig ist Cohens Rückkehr auf die Livebühne indes nicht: Während er sich mit Meditation und Gedichte Schreiben den Lebensabend versüßt, bringt sein ehemaliger Manager sein gesamtes Vermögen durch. So erklären sich auch die Live-DVD-Veröffentlichungen "Live In London" (2009), "Songs From The Road" (2010) und "Live In Dublin" (2014).

2012 jubeln seine Fans: Auf dem neuen Studioalbum "Old Ideas" klingt der Partisan der Liebe wieder wie 1973 und bedient sich archaischer, minimaler Bluesstrukturen. Ein Konzept, das auch den Nachfolger "Popular Problems" auszeichnet, der in geradezu erschreckender Geschwindigkeit schon zwei Jahre später erscheint.

Mit seinem angekündigten Abschied von der Konzertbühne scheint der Poet sein musikalisches Schaffen endgültig abgeschlossen zu haben. Vielleicht wollte er seine Fans aber auch nur im Unklaren lassen: 2016 erscheint zur Verwunderung aller mit "You Want It Darker" ein weiteres Studioalbum des mittlerweile 82-Jährigen. Sohn Adam legt erneut das musikalische Fundament für des Vaters gewohnt stoisch-formstreng vorgetragene, wie immer großartige Poesie. Rauer und tiefer hat Leonard Cohen wohl nie geklungen.

Die Freude über sein Studio-Comeback ist aber nur von kurzer Dauer. Drei Wochen nach der Veröffentlichung stirbt der Kanadier im Alter von 82 Jahren in Los Angeles. "Heute haben wir einen unserer größten Botschafter und Ikonen verloren", wird der Bürgermeister seiner Heimat Montreal zitiert. Die Fahnen in Cohens Geburtsstadt werden auf Halbmast gesetzt. Tage später erfährt die Öffentlichkeit, er sei nach einem Sturz in seinem Haus "unerwartet und friedlich" im Schlaf gestorben. Am 10. November wird Leonard Cohen im kleinen Kreis im Familiengrab beigesetzt.

Doch ohne Zugabe geht es nicht: Schon früh heißt es, Cohen und sein Sohn Adam haben noch an einem weiteren Album gearbeitet. Das stellt Adam drei Jahre nach dem Tod seines Vaters fertig. Beteiligt sind unter anderem Feist, Beck und Bryce Dessner von The National.

"Thanks For The Dance" erscheint im November 2019 – als wohl letztes Werk des Ausnahmepoeten.

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Gesehen in Stuttgart 2010 Gäsenhaut pur in der Schleyerhalle - und das drei Stunden lang.

Gäsenhaut pur in der Schleyerhalle - und das drei Stunden lang., Gesehen in Stuttgart 2010 | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Gäsenhaut pur in der Schleyerhalle - und das drei Stunden lang., Gesehen in Stuttgart 2010 | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Gäsenhaut pur in der Schleyerhalle - und das drei Stunden lang., Gesehen in Stuttgart 2010 | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Gäsenhaut pur in der Schleyerhalle - und das drei Stunden lang., Gesehen in Stuttgart 2010 | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele)

Surftipps

  • Leonard Cohen

    Offiziell.

    http://www.leonardcohen.com
  • Cohen Files

    Die wohl kompletteste Cohen-Website.

    http://www.leonardcohenfiles.com/
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