laut.de-Kritik

Der erste Release des Phoebe Bridgers-Labels.

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Kurz vorangestellt: Claud ist non-binär. Im Englischen ist das Pronomen "they" für non-binäre Personen etabliert, in Deutschland gibt es noch keine gängige Form, die diesem "they" entspricht. In diesem Text wird deshalb auf Personalpronomen verzichtet und anstatt dessen öfter einfach der Name Claud verwenden.

Claud Mintz schreibt schöne Songs, die wunderbar produziert sind, hat eine tolle, sanfte Stimme, gute Texte und eingängige Hooks. Ähnlich wie zuletzt Beabadoobee oder davor auch schon Snail Mail und Soccer Mommy greift Claud auf der Suche nach Inspiration in die 90er und frühen 2000er und verbastelt das in zeitlose, geschmackvolle Pop-Kompositionen.

Der sogenannte Bedroom Pop klingt irgendwie ein bisschen weniger aufgehübscht, als man das aus dem Radio kennt, fällt immer mal wieder auf Lo-Fi-Sounds zurück und vereint poppige Allgemeinplätze mit indieartiger Selbstoffenbarung. Beachtung verdient das nun erschienene Debüt-Album auch, weil es das erste ist, das auf Phoebe Bridgers Label Saddest Factory Records erscheint.

Clauds Themen lassen sich am besten unter dem Label Coming-of-Age unter einen Hut bringen, also Liebe, Selbstfindung, mehr Liebe und so weiter. Wer wenig Bezugspunkte zur Jugend hat, dem kann das alles schnell zu naiv wirken und kitschig klingen. Wer tatsächlich noch jung ist oder sich mindestens jung fühlt, dem erzählt Claud etwas von gescheiterten Beziehungen, falschen Erwartungen an andere und sich selbst und vom Lernen, zu sich zu stehen. Mit anderen Worten: Man braucht tatsächlich einen "Soft Spot" für diese Gefühlsduselei. So heißt es schon im Opener "Overnight": "I fell in love like a fool overnight / I fell behind, can't keep up with real life / And all the time spent with you in my head / Turned into things that we finally did, overnight".

Die Musik dazu kommt ganz lässig mit Elektro-Beat und reduziertem Gitarren-Spiel daher, braucht auch gar nicht viel, denn die Stimme trägt die Stücke. Claud steppt auch mal gerne ins Explizte, etwa in "Pepsi": "I hate that you told me to masturbate / Instead of comin' over". Das Stück ist eines der wenigen, das weniger Bedroom Pop-Charme hat und mehr in Richtung Radio tendiert. Ähnlich verhält es sich mit "In Or In-Between", das mit Trap-Hi-Hat auch eher an aktueller Musik orientiert scheint. Immer wieder sind aber auch wunderbare Gitarren- oder Bass-Schnörkel in die Stücke verwoben.

Daneben gibt es Balladen wie "This Town" oder "Jordan", die zwischen den antreibenderen Stücken Abwechslung bieten. Am überzeugendsten unter diesen ruhigeren Songs ist dabei "Ana", auf dem Claud von Nick Hakim unterstützt wird. Der Titel baut auf einer simplen Akkordfolge auf, verzichtet komplett auf Drums und funktioniert vor allem dank der sehr reduzierten Strophen, die immer wieder in eine dichtere Hook führen. Insgesamt sind es aber die groovenden Stücke, in denen Claud begeistert. "Gold" beispielsweise erinnert zwischendurch an die frühen Gorillaz, kombiniert das aber mit einem Gitarren-Motiv, das stark nach The War On Drugs klingt. "Cuff Your Jeans" ist etwas verträumter, hat aber trotzdem einen wunderbaren Antrieb.

Am stärksten ist allerdings "That's Mr. Bitch To You", ein erstaunlich rockiges Stück, das gleichzeitig nie wirklich kantig wird. Vielmehr erinnert der Song zwischenzeitlich an "We Didn't Start The Fire" von Billy Joel und verbreitet auch durch seinen empowernden Text ziemlich gute Laune. Trotz alledem fällt vor allem bei mehrmaligem Hören auf, dass auf das ein oder andere Stück auch gut hätte verzichtet werden können, etwa auf "Guard Down" oder das kurze "Rocks At Your Window", das in seiner Schwere den Albumfluss eher stört. Und auch wenn die Stücke in ihrem recht kantenlosen Pop-Appeal gut funktionieren, wünscht man sich doch das eine oder andere mal einen Ausbruch, einen Klimax, in dem eines der Stücke aus der Reihe tanzt. "Super Monster" macht aber in jedem Fall Laune auf weitere Releases von Claud und der Saddest Factory.

Trackliste

  1. 1. Overnight
  2. 2. Gold
  3. 3. Soft Spot
  4. 4. In Or In-Between
  5. 5. Cuff Your Jeans
  6. 6. Ana feat. Nick Hakim
  7. 7. Guard Down
  8. 8. This Town
  9. 9. Jordan
  10. 10. That's Mr. Bitch To You feat. Melanie Faye
  11. 11. Pepsi
  12. 12. Rocks At Your Window
  13. 13. Falling With The Rain feat. Shelly

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LAUT.DE-PORTRÄT Claud

Claud Mintz identifiziert sich als non-binär und hat im Englischen das Pronomen "they" für sich gewählt, für das es im Deutschen noch kein etabliertes …

1 Kommentar mit 12 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Warum ist auf laut.de gerade jeder dritte Begriff "Phoebe Bridgers"? Sie hat eine Platte rausgebracht. Die war ganz nett, vielleicht sogar grundsolide. Hatte die was mit nem Youtuber, oder warum gerade der schwirrende Buzz?

    • Vor 3 Jahren

      Weil die gefühlt an drölf millionen Projekten beteiligt war/ist und sich offenbar jedes davon als erfolgreich erwiesen hat.

    • Vor 3 Jahren

      Ragism möchte halt lieber News über MÄNNER lesen, denn MÄNNER sind nunmal einfach die besseren Künstler! Denke das wurde ja in letzter Zeit mehr als deutlich. :D

    • Vor 3 Jahren

      War unser Ochse nicht immer Gegner von weiblichen MCs?

    • Vor 3 Jahren

      Na Christian, musst du dich wieder an Ragism abarbeiten, weil dich selbst der debile SirPsycho verlassen hat. :D

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Echt mal laut.de, warum berichtet ihr hier über ein Album, das gerade neu erschienen ist. Was seid ihr, eine Musikrezensionsseite? Dabei weiß doch jeder, dass wenn man eine Person in den News jüngst zwei, drei Mal erwähnt hat, man keine mit der Person assoziierten Alben mehr besprechen darf! Journalistischer guter Ton und so!

    • Vor 3 Jahren

      Haariger_Männerrücken, Alter, was geht?

    • Vor 3 Jahren

      Gleep mal wieder fleek

    • Vor 3 Jahren

      Ich liebe die debile Bubble auf laut.de :D

      Danke, Schwinger. Kannte nur die letzte Scheibe von ihr, und die war halt nur ganz nett. Dachte, es liege wieder am belanglosen, klicksicheren Boulevard, daß die Tante gerade so hip ist.

    • Vor 3 Jahren

      Betty Ford Oblivious Center oder so ist auch ganz nett.

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Der Name ist schon mal sehr vielversprechend. Hab über die Jahre einfach zu viel albernen Hype mitbekommen. Kaum etwas davon hatte mehr Lebenserwartung als eine Stubenfliege.

      Ich mißtraue den durch den Mangel an populärem Musikertalent ausgelösten Buzz um "die Leute im Hintergrund", vor allem Produzenten, mittlerweile auch etwas. Aber oft sinds ja die kleinen Nebenprojekte, die sich lohnen. Danke für den Tipp!