laut.de-Kritik

Spielereien im deutschen Cloud-Rap-Olymp.

Review von

Deutschsprachiger Cloud Rap klang lange nicht so erfrischend wie auf Soulys "Ich wünschte, es würd' mich kümmern" aus dem letzten Jahr. Mit seinen bei R'n'B-anbandelnden Vocals und den oft humorvollen, aber auch emotionalen Texten wird der 26-jährige innerhalb der Szene als vielversprechender Newcomer gehandelt, der große Durchbruch bliebt bisher dennoch aus.

Auf "Bossbaby Tape" nutzt Souly nun die offenere Form des Mixtape-Formats aus, um auf zehn knappen Track zahlreiche musikalische Ideen zu jonglieren. Dabei bricht er notorisch mit den Erwartungshaltungen, indem sich Songs in eine unvorhersehbare Richtung entwickeln, oder nach einer Minute einfach abbrechen. Die impulsive Vortragsweise sorgt für Abwechslung, verliert sich aber auch in Sprunghaftigkeit und lässt den Hörer am Ende mit dem Gefühl zurück, man habe essentielle Passagen verpasst.

Von Beginn an beweist Souly seine musikalische Vielfältigkeit. Er transformiert den Opener "Bossbaby Intro" nach dem kurzen Vocoder-A-Cappella zu einem absoluten Überbrett, auf dem er in manischer Statement-Wut rappt: "Fick mein'n Vermieter, ja, fick meine Wohnung, hah / Fick SodaStream, hah, fick dein Auto, ja". Warum genau er Beef mit SodaStream und seiner Wohnung hat, bleibt unklar, sicher ist allerdings, dass die Delivery mehr als überzeugt.

Die fehlende Ernsthaftigkeit in den Texten verhilft dem gesamten Tape zu einer Lockerheit, die Genre-Kollegen gerne missen lassen, welche aber auch in dem weirden Vortrag resultieren kann, der "Tage Die Uns Brechen" vorangestellt wird. Dieser hängt irgendwo zwischen Fantasy-Film und Comedy-Nummer fest und wird nach mehrmaligem Hören schnell Skip-Material. Das ist vor allem deshalb schade, weil der Song an sich eines der Highlights des Tapes darstellt. Die überlauten cloudy Pads transportieren den Track direkt in die Atmosphäre, wobei uns Soulys Einstieg mit "Ich fick' das Game so hart, mein Schwanz tut weh" schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückwirft. Die Line ist natürlich irgendwo albern, passt aber zum größeren Konzept und wird durch den fantastischen Vibe des Songs ausgeglichen.

Man wünscht sich, Songs wie "Ziegenminister.Demo" und "Bundeswehr" wären länger, denn kaum hat Souly hier einen Flow gefunden, bricht er auch schon wieder ab. Auf "Pferde Emblem" ist das Outro selbst länger als der Rap-Part. Der Drake-like Beat hätte durchaus Potential für einen längeren Freestyle-Track geboten, allerdings würde er dann wiederum zu sehr in den Hip Hop-Blueprint passen, mit dem Souly offensichtlich brechen möchte. Indem er viele Songs so kurz belässt, bekommt das Tape einen skizzenhafteren Charakter. Der Eindruck soll bestehen bleiben, dass es sich hier wirklich nur um eine musikalische Spielerei handelt und kein vollwertiges Album.

Gerade hat man sich an das Erwartungsbrechen gewöhnt, da überrascht "Herz Schwer" mit einer relativ konventionellen Songstruktur und ungewöhnlich geringer Experimentierfreude. Die Streams geben dem Song recht, im Kontext des Tapes ist dieser kurze Ausflug in den Mainstream-Sound aber eher uninteressant.

"Null Acht Fünfzehn" klingt dann wieder überhaupt nicht 0815, das Streichersample ist unfassbar stimmig, und die Weise, wie Souly die Lines zwischen sich und seiner tiefer gepitchten Stimme hin- und herwirft, erinnern an die besten Tage eines A$ap Rockys. Ähnlich wie Kompagnon OG Keemo zieht auch Souly seine Hauptinspiration aus amerikanischen Produktionen, was auch in den Playboi Carti-artigen Adlips auffällt.

Einen späten Höhepunkt erreicht das Tape mit "Sterne Nehmen". Der Song nutzt einen sehr ähnlichen Synthi-Loop wie im "Bossbaby Intro", hier ist er aber gefiltert und langsamer. Auch inhaltlich fungiert der Track als reflexive Antithese zum durchgedrehten Intro. "Reiche, weiße Menschen ziehen reiche, weiße Lines / Ich nehm' ein'n Zug und atme ein und ich bin wieder viel zu high". Souly rappt von seinen Träumen und möglichen Reisezielen, wobei er am Ende klarstellt: "Und ich will nicht nach Dubai / Ich hasse Influencerinnen zu doll"

Damit wäre ein schlüssiger Rahmen um das Tape gezogen, doch Souly muss bis zuletzt überraschen, indem er einen Song hinterher wirft, der dann auch noch der längste von allen ist. "Loser ABC" klingt sicher nicht schlecht, die Extrarunde wäre aber nicht notwendig gewesen.

Über weite Strecken profitiert das Tape von der kurzweiligen, teils skizzenhaften Präsentation und seiner Unvorhersehbarkeit. Gleichzeitig verliert sich Souly aber auch ab und an in dem Vorhaben, das Ganze so raw wie möglich zu gestalten, indem er Songs beendet, die noch viel länger funktioniert hätten. Es ist wirklich schade, wenn gute Beats für einen 80-Sekunden-Track herhalten müssen. Das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass er hier abermals in hoher Qualität abliefert, wobei ein stärkerer, textlicher Fokus in Zukunft sicherlich nicht verkehrt wäre.

Trackliste

  1. 1. Bossbaby Intro
  2. 2. Tage Die Uns Brechen
  3. 3. Hart Gehen Ohne Grund
  4. 4. Pferde Emblem
  5. 5. Herz Schwer
  6. 6. Null Acht Fünfzehn
  7. 7. Ziegenminister.Demo
  8. 8. Bundeswehr
  9. 9. Sterne Nehmen
  10. 10. Loser ABC

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