Porträt

laut.de-Biographie

Sinéad O'Connor

1986 kommt "The Captive" in die englischen Kinos, dessen Soundtrack vor allem U2-Fans aufhorchen lässt. Unter den zahlreichen Instrumentals des Gitarristen The Edge befindet sich auch "Heroine", ein Song mit U2-Drummer Larry an den Drums und einer Frau namens Sinéad O'Connor am Mikrofon.

Sinéad O'Connor: Boygenius covern "The Parting Glass"
Sinéad O'Connor Boygenius covern "The Parting Glass"
Gemeinsam mit dem irischen Folk-Duo Ye Vagabonds verneigen sich die Amerikanerinnen vor der zu früh verstorbenen Sängerin.
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Jene führte bis dato ein eher unstetes Leben: Geboren im Dezember 1966 im irischen Glenageary in der Nähe von Dublin, in ihrer Jugend von der Mutter missbraucht, die Scheidung der Eltern als Achtjährige miterlebt, später der Schule verwiesen, wegen Ladendiebstahls eingesperrt und irgendwann ins Internat gesteckt.

Von dort flieht sie mit 16, um Gesang und Klavier zu studieren. Sie hält sich mit Kellner-Jobs über Wasser und singt nebenbei Bob Dylan-Songs in Kaffeehäusern. Mitte der 80er unterschreibt sie in London bei Ensign Records und gerät an das Edge-Projekt, veröffentlicht aber schon ein Jahr später ihr recht erfolgreiches Debüt "The Lion And The Cobra". Zu der Zeit heiratet sie ihren Drummer John Reynolds und bekommt ein Kind von ihm.

Die Single "Mandinka" schlägt Wellen in der Independent-Szene, das Video mit einer glatzköpfigen Frau nicht weniger. Kaum im Rampenlicht, startet die eigenwillige Irin ihre rebellischen Attacken. Die größte Polarisierung bewirkt ihre erklärte Sympathie mit IRA-Aktionen.

1990 schlägt die von Prince geschriebene Single "Nothing Compares 2 U" weltweit ein. Das dazu gehörende Album "I Do Not Want What I Haven't Got" verkauft sich weltweit über sieben Millionen mal. Sie erhält den "Best Alternative Music Performance"-Grammy, nimmt diesen aber nicht an. Im selben Jahr weigert Sinéad sich, in New Jersey aufzutreten, da vor ihrem Auftritt die amerikanische Nationalhymne gespielt werden soll. Die berühmte Drohung Frank Sinatras bezüglich ihres Verhaltens lautete schlicht: "I kick her ass!"

Die inzwischen wieder Geschiedene schließt sich den Rap-Rebellen Ice-T und N.W.A. an. 1992 treibt sie ihr kontroverses Verhalten auf die Spitze: Bei einem Auftritt in Saturday Night Live zerreißt sie ein Bild von Papst Johannes Paul II., was ihr Promotion in Form von Hass und Verwünschungen quer über den Globus einbringt und das Bild der ewig auf Kriegsfuß mit der Gesellschaft stehenden Künstlerin festigt.

Die allseits Beschimpfte kehrt dem Musikbiz vorerst den Rücken und beginnt in Dublin ein Studium der Oper. 1994 erscheint "Universal Mother", ein Album mit soften Balladen und leichten Hip Hop-Einflüssen, das nicht an alte Erfolge anknüpfen kann. Eine "Gospel EP" erscheint 1997 weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

2000 kehrt Sinéad nach sechs Jahren mit dem Album "Faith And Courage" ins Musikgeschehen zurück. Zwei Jahre später serviert sie mit "Sean-Nós Nua" ein Folk-Pop Album, das sie ihren Roots, der kulturellen Herkunft und den musikalischen Traditionen widmet.

Anfang 2003 singt sie als Gast auf Massive Attacks Album "100th Window" mit und tritt auch vereinzelt mit den Bristol-Boys auf. Im April verkündet Sinéad, dass sie sich aus dem Musikgeschäft zurück ziehen wolle. Sie habe das Leben im öffentlichen Interesse satt und wolle endlich "ein normales Leben führen", so die Musikerin.

Lange hält sie es allerdings nicht aus. Nach zwei Jahren hat sie die Faxen dicke und nimmt in Kingston auf Jamaika ein neues Album auf. "Throw Down Your Arms" ist eine Kollektion aus Roots-Reggae-Songs, die sie in den letzten 15 Jahren inspiriert und berührt haben. Die Reggae-Legenden Sly & Robbie stehen ihr als Produzenten zur Seite. Mit deren Hilfe und dem Songmaterial von Peter Tosh, Bob Marley, Burning Spear und vielen anderen Reggae-Ikonen stellt O'Connor mit "Throw Down Your Arms" erneut ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis.

2007 veröffentlicht die Irin das Doppelalbum "Theology", mit dem sie zu ihren musikalischen Wurzeln zurückkehrt. Neben eigenen Songs findet sich auch eine Coverversion von Curtis Mayfields "We People Who Are Darker Than Blue". 2011 gelangt die mittlerweile 45-Jährige in die Klatschspalten, weil sie sich nur 16 Tage nach der Heirat mit Barry Herridge wieder von ihm scheiden lässt. Es war bereits ihre vierte Ehe. O'Connor hat inzwischen vier Kinder aus früheren Beziehungen.

Im März 2012 erscheint "How About I Be Me (And You Be You)?", ihr mittlerweile neunter Longplayer. Der Veröffentlichung folgt die "The Crazy Baldhead"-Tour. Diese muss sie allerdings wegen massiver gesundheitlicher Probleme abbrechen. Auf ihrer Internetseite schreibt die Sängerin, sie sei manisch depressiv, hatte einen sehr ernsten Zusammenbruch und fühle sich sehr unwohl. Innerhalb weniger Tage versucht sie zweimal, sich das Leben zu nehmen. Eine bittere Phase ihres Lebens, die sie aber bewältigt. Ein Jahr später wirkt sie auf Bildern deutlich gesünder und glücklicher.

Noch mehr Aufsehen erreicht die Irin jedoch im Oktober 2013 mit einem offenen Brief via Facebook an Miley Cyrus. Als die US-Amerikanerin erklärt, dass ihr Nacktvideo zu "Wrecking Ball" von "Nothing Compares 2 U" inspiriert sei und sie die Irin gar als Vorbild ansehe, sieht sich O'Connor zu einem Kommentar genötigt. "Ich bin sehr besorgt, dass dich dein Umfeld dazu verleitet hat, zu glauben, dass es auf irgendeine Art 'cool' ist, in deinen Videos nackt zu sein und an Vorschlaghämmern zu lecken", so O'Connor, deren guten Wünsche in dem Satz münden: "Lass dich nicht prostituieren!" Cyrus reagiert beleidigt und macht sich via Twitter über O'Connors psychische Probleme lustig, indem sie sie mit der Schauspielerin Amanda Bynes vergleicht, die schon seit Jahren an Schizophrenie und einer bipolaren Störung leidet. Ein medienträchtiger Online-Krieg der beiden Sängerinnen entbrennt.

Im Alter von 51 Jahren kehrt die O'Connor dem katholischen Glauben den Rücken und konvertiert zum Islam. Im Zuge dessen änderte sie auch erneut ihren Namen. Auf Twitter gab Sinéad bekannt, von nun an Shuhada' Davitt zu heißen. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie ihren Namen in Magda Davitt geändert, um sich von ihrer Kindheit zu distanzieren.

Nicht selten scheint es, als würde Sinéad O'Connor gegen Windmühlen anrennen. In einem Interview mit dem NME im März 1991 beschreibt sich selbst: "Ich tue nichts in der Absicht, Ärger zu machen. Es passiert einfach, dass sich der Ärger natürlich aus dem entwickelt, das ich einfach tue. Ich bin stolz darauf, ein Troublemaker zu sein."

Am 26. Juli 2023 stirbt die Sängerin im Alter von 56 Jahren. Ihr früher Verlust beschäftigt die Musikwelt wochenlang. Seun Kuti, der auf ihrem letzten Album "I'm Not Bossy, I'm The Boss" Saxophon spielte, versucht sich im Gespräch mit Radio Z an einer Einordnung:

"Ihre Ehrlichkeit wurde ihr zum Verhängnis. Ich stand ihrer Familie ziemlich nahe, kannte ihren Sohn und ihren Ex-Mann. Manchmal übernachtete ich in ihrem Haus, wenn ich in London war, wobei Sinéad nicht mehr in diesem Haus lebte. Wir hatten einige Konzerte zusammen. Sie hat einen großen 'Spirit', ist ein sehr ehrlicher Mensch. Die Welt war so schwierig für sie. Wenn du dich entscheidest, ehrlich zu sein, wird die Welt sehr schwierig. Sinéad entschied sich für die Ehrlichkeit und pfiff auf die Konsequenzen. Dafür zahlte sie den Preis. Sie ist eine von den Guten."

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