laut.de-Kritik

Von Kreuzrittern, Kommunisten und Conquistadores.

Review von

Mit Metal lassen sich Geschichten erzählen. Saxon operieren seit jeher so, etwa mit Songs wie "Conquistador": Der Hörer meint fast, er schaue zu, wie die Spanier die Inka einkesseln. Die traurige Story aus dem 16. Jahrhundert geht auf "The Eagle Has Landed 40 (Live)" in ein famoses Drumsolo über - gerade derlei Expertise macht Aufnahmen wie dieses Box-Set unverzichtbar.

2005 kehrte Nigel Glockler auf den Drumhocker Saxons zurück - viele Mitschnitte der vorliegenden Kollektion stammen aus seiner Ära und von deutschen Bühnen. Kein Zufall: Hierzulande treffen sie einen besonderen Nerv. Erklären kann das vielleicht der ungeschliffene, rohe und energetische Sound der Box: Trotz aller Speed Metal-Anleihen geht er locker ins Knie und lässt den Head bangen. Weder klingen die Performances nach platten Maschinengewehr-Beats noch nach Prog-Rock-Inszenierung. Das zeichnet Saxon aus.

Als gigantisches Stück ragt "Crusader" hervor, aufgenommen beim Wacken anno 2014. Hört man die "Saxon! Saxon!"-Chöre des Publikums, könnte man annehmen, dass Konzert fange gerade erst an oder das Volk fordert bereits eine Zugabe. Aber nein, wir sind mitten im Set, und die Leute gehen richtig ab. Majestätisch und melodiebetont steuert der Song erst in Minute vier aufs Zentrum zu: "Fight the good fight / Believe what is right".

Saxon sind in ihrem Element, und der Kreuzritter erscheint in den elegischen Soloparts ab der siebten Minute wirklich vor dem inneren Auge. Die Engländer beherrschen den dramaturgischen Aufbau und lassen die Fans in ihrer Stimmung schwelgen. Statt Song um Song durchzupeitschen, werden Gefühle aufgebaut.

Wenn Sänger Biff Byford mal einige Passagen lang "la-da-da / da-da-da / la-di-da" lautmalt, erinnert seine heisere, unperfekte Stimme an Ian Anderson von Jethro Tull. Biff bleibt dennoch ein Original.

Als Höhepunkte seien drei weitere Nummern genannt. Der Titelsong strotzt vor Anspielungen an die Mondlandung ("Take a giant step for mankind") und Außerirdische ("on another world") und folgt einem tragikomischen Militärfilm aus den 70ern mit demselben Titel. Der Song enthält eine der Killer-Akkordfolgen, die sich später Skunk Anansie wohl für ihr Intro zum melancholischen "Hedonism" ausborgten.

Aus der dritten CD sticht "Ace Of Spades" heraus. Zwischen dem Tod von Lemmy und dem von Eddie Clarke spielte der schnelle Eddie von Motörhead selbst bei Saxon als Gast mit. Der Mitschnitt aus London vom Herbst 2016 kursiert auf YouTube und ist hier in besserer Tonqualität zu hören. "Ace Of Spades" entstand im Gründungsjahr von Saxon und passt zum 40. Jubiläum.

Auf der ersten CD tönt klangtechnisch zwar manches nach Bootlegblech wie vor 50 Jahren beim berühmten "Steppenwolf"- Livealbum, ein Song von enormer cineastischer Anschaulichkeit fällt dennoch auf: "Red Star Falling". Der Titel beschreibt die friedlichen Proteste gegen das Sowjetregime, wie sie in der DDR Ende der 80er zum Niedergang des Systems beitrugen und den schon wackelnden roten Stern des Kommunismus sinken ließen. Die Aufnahme stammt aus Berlin und ist zwar am Ende abgeschnitten, aber besticht durch ausgewogenen, brillanten Raumklang.

Wer schnellen, trockenen Metal in aufgedrehtem Tempo mag, lässt sich am besten auf die älteren Aufnahmen ein. Sie stammen aus den Jahren 2007 und 2009. Mit einem Wort: straight! Einzig die Mini-Metal-Oper "The Letter + Valley Of The Kings" als Medley aus zwei Klassikern und das stille, fast unplugged gespielte "Call To Arms" fallen aus dem Rahmen.

Zahlreiche Highlights wirft die zweite Scheibe mit Aufnahmen vom "Bang Your Head!!!"-Festival 2013 und wieder Wacken 2014 ab. Rutscht CD 1 ohne Reibung durchs Stromgitarren-Gewitter, spielen Saxon hier ihre Vielseitigkeit aus: Jeden Song formen sie zum Unikat. "Power And The Glory" wird mühelos zum Power-Gebratzel. Classic-Rock-Mittelteile und Space-Sounds aus der Maschine zeichnen "Dallas 1PM" aus. "Sacrifice" kommt mit kriegerischen Sounds für die Mittelalter-LARP-Partyfraktion.

Vom 2018er Album "Thunderbolt" servieren die britischen Sachsen auf der dritten Scheibe die Mehrheit der Titel: sieben der insgesamt elf Tracks und alle in hochgefahrenem Tempo. Gegenüber den beiden Livealben "The Eagle Has Landed - Part II / Part III" (1996 bzw. 2006) tauchen kaum Songs doppelt auf. Die Tracklist offenbart dagegen vier Kult-Stücke der legendäre Scheibe "The Eagle Has Landed" in neuen Versionen.

Vorliegende Livebox zeigt drei Seiten der britischen Heavyband: ein kerniges 70er-Jahre-Überbleibsel (CD 1), abwechslungsreiches Open Air-Entertaining (CD 2) und puristischen Metal (CD 3). Das Erscheinungsdatum zum Wacken Open Air passt perfekt: Saxon traten dort seit 1992 elf Mal auf - natürlich auch in diesem Jahr.

Trackliste

CD1 Berlin 2007/09, Sheffield 2007, London 2009

  1. 1. State Of Grace
  2. 2. Red Star Falling
  3. 3. Attila The Hun
  4. 4. If I Was You
  5. 5. Witchfinder General
  6. 6. Demon Sweeney Todd
  7. 7. The Letter + Valley Of The Kings
  8. 8. Machine Gun
  9. 9. Live To Rock
  10. 10. Hammer Of The Gods

CD1 Berlin 2011

  1. 1. Back in '79
  2. 2. I'Ve Got To Rock (To Stay Alive)
  3. 3. Call To Arms
  4. 4. Rock'n'roll Gypsy
  5. 5. Chasing The Bullet
  6. 6. Play It Loud

CD2 Bang Your Head!!! Balingen 2013

  1. 1. Sacrifice
  2. 2. Night Of The Wolf
  3. 3. Conquistador + Drum Solo
  4. 4. Stand Up And Fight

CD2 Wacken Open Air 2014

  1. 1. Crusader
  2. 2. Battalions Of Steel
  3. 3. The Eagle Has Landed
  4. 4. Power And The Glory
  5. 5. Dallas 1PM
  6. 6. Princess Of The Night
  7. 7. Denim And Leather

CD3 Zoetemer 2015, Helsinki 2015, London 2016

  1. 1. Eye Of The Storm
  2. 2. 747 (Strangers In The Night)
  3. 3. Killing Group
  4. 4. Ace Of Spades

CD3 San Antonio, L.A., Manchester, Stockholm & London 2018

  1. 1. 20,00 ft.
  2. 2. Thunderbolt
  3. 3. Sons Of Odin
  4. 4. This Town Rocks
  5. 5. Nosferatu (The Vampire's Waltz)
  6. 6. Predator
  7. 7. They Played Rock And Roll
  8. 8. The Secret Of Light
  9. 9. Battering Ram

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