Porträt

laut.de-Biographie

Johnny Cash

Sun Records. Eigentlich sind bei diesem Begriff in musikgeschichtlicher Hinsicht erstmal nur zwei Assoziationen zugelassen: Elvis und Johnny Cash. Während The Pelvis zum Rock'n'Roll-Idol mutierte, seinem Reichtum am Ende aber erlag, überstand Cash seine zahlreichen, ungesunden Eskapaden und gilt trotz seines Todes im Jahre 2003 unangefochten als King of Country Music.

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Da klingt es nahezu unglaublich, dass Sun-Chef Sam Phillips den jungen Johnny mit seinen Tennessee Two (mit Gitarrist Luther Perkins und Bassist Marshall Grant) 1955 zunächst abweist, da dieser sich als Gospelsänger vorstellt. Zu unkommerziell. Erst als der zunächst eingeschnappte Cash die biblischen Texte links liegen lässt und die Nummer "Hey Porter" anschleppt, zeigt sich Phillips begeistert. Der Song wird die B-Seite seiner ersten Sun-Single "Cry Cry Cry", die prompt die Country-Charts erklimmt.

Der am 26. Februar 1932 in Kingsland, Arkansas geborene Cash klingt nicht nach Nashville, und obwohl seine Karriere mit der Geburt des Rock'n'Roll zusammen fällt, passt auch diese Kategorie nicht. Obgleich seine rebellische Haltung und die einfach gehaltenen, aber inhaltsschweren Kompositionsmuster den Attitüden der aufkommenden Rock-Bewegung ähneln.

Schließlich wird Johnny 1957 die Ehre zuteil, als erster Sun-Artist eine LP zu veröffentlichen: "Johnny Cash With His Hot And Blue Guitar". Zu dieser Zeit ist auch der ehemalige Lastwagenfahrer Elvis bereits ein kleiner Star. Eine gewisse June Carter singt zu der Zeit bereits in seiner Band und lernt durch Elvis, der Johnny vergöttert, ihren zukünftigen Ehemann kennen. Noch ist Cash allerdings mit Vivian Liberto verheiratet, die er nach seiner Army-Karriere im deutschen Landsberg Mitte der 50er zur Frau nimmt.

Anfang der 60er Jahre zerstreitet sich der Sänger wegen eines geplanten Gospelalbums erneut mit Sun Records und ergreift die günstige Gelegenheit eines Labelwechsels, als der Mediengigant Columbia Records mit einem dollarschweren Vertragsangebot lockt. Zu dieser Zeit beginnt seine tragische, knapp neunjährige Alkohol- und Drogenkarriere: Um über 300 Auftritten im Jahr körperlich Herr zu werden, schluckt Johnny Amphetamine wie andere Leute Traubenzucker. Auch ein Likörchen ist immer schnell mal zur Hand. 1963 verlässt er seine Familie und zieht nach New York, um dort mit dem Gesetz in Schwierigkeiten zu geraten.

Johnny Cash - At The Carousel Ballroom
Johnny Cash At The Carousel Ballroom
Ein überraschendes Zeugnis von Cashs Wiederauferstehung.
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Neben einigen schweren Autounfällen im Rausch, die dem Star meist nur leichte Kratzer zufügen, schmuggelt Cash auf einer Tournee Pillen in seinem Gitarrenkoffer über die mexikanische Grenze und legt obendrein ein mittelgroßes Feuer, was einen stattlichen Waldbrand zur Folge hat. Erst mit dem Entdecken der Bibel und der Hochzeit mit June Carter, die mit ihm den Welthit "Ring Of Fire" komponiert, gelangt Cash wieder auf die rechte Bahn.

In dieser Verfassung beginnt Ende der 60er Jahre die erfolgreichste Phase seiner Karriere. 1968 tritt er live im Gefängnis von Folsom auf; der Mitschnitt wird zu seinem populärsten Album, ein Zuspruch, den er im folgenden Jahr mit "Live At Saint Quentin" bestätigen kann (beide Platten sind Ende 2000 in restaurierter Fassung mit bisher unveröffentlichtem Material neu aufgelegt worden). Für die Liner-Notes zu Bob Dylans "Nashville Skyline" erhält er zudem ein Grammy.

Von Juni 1969 bis März 1971 erhält er auf ABC seine eigene Fernsehshow, tritt trotz regierungskritischer Meinung (Vietnam-Krieg) im Weißen Haus für Präsident Richard Nixon auf und veröffentlicht seine Autobiographie, die zum Bestseller wird. Doch bald sinkt sein Stern rapide - zu rockig und rebellisch für die Nashville-Welt, zu country-lastig für die Rock-Szene, fällt er in die Schublade der alternden Stars, die mit ihren betuchten Hits durch die Welt ziehen und ab und zu eine qualitativ hochwertige, vom breiten Publikum jedoch weitgehend ignorierte Aufnahme veröffentlichen.

In den 80ern nimmt er einige Lieder aus Bruce Springsteens "Nebraska" auf und musiziert mit den Highwaymen, zu denen neben ihm auch Kris Kristofferson, Willie Nelson und Waylon Jennings gehören. Erst 1993, als Cash zu Bonos großer Freude auf dem U2-Album "Zooropa" den Song "The Wanderer" einsingt, schlägt seine große Stunde. Def Jam-Gründer und Beastie Boys-Entdecker Rick Rubin hört den Song und kontaktiert die Legende, um gemeinsam ein Album aufzunehmen. Das schlicht "American Recordings" betitelte '94er Werk präsentiert einen Cash, wie ihn noch niemand kannte: Von unnötigem Country-Ballast befreit, raunt er seine Songs und die von Leonard Cohen, Tom Waits und Danzig tief und düster zur Akustikgitarre. Zum Song "Delia's Gone" dreht Cash ein Video, in dem Topmodel Kate Moss gleich zweimal erschossen wird.

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Die Erfolgsformel setzt das Duo nach einem Auftritt Cashs als Headliner beim Glastonbury Festival 1996 mit "Unchained" fort. Hierzulande kann man Cash ein letztes Mal am 31. Juli 1997 live in Koblenz (!) bewundern. Im Sommer 2000 erscheint die 3CD-Retrospektive "Love God Murder". Obwohl der Sänger bereits seit 1997 an der Parkinson'schen Krankheit leidet, schafft er es, einen dritten Teil der Serie mit Rick Rubin abzuschließen, der im Oktober 2000 mit dem Titel "American III: Solitary Man" erscheint und so etwas wie sein Vermächtnis darstellt. Nur wenige rechnen aufgrund der sich häufenden Krankenhaus-Stippvisiten Cashs damit, dass die Legende ein weiteres Mal mit Rubin zusammen kommt.

Sie sehen sich getäuscht: "The Man Comes Around" erscheint 2002, pünktlich zu seinem 70. Geburstag, und ist ein würdiges Abschiedsgeschenk an seine Fans, wieder mit gelungenen Fremd-Interpretationen (u.a. Depeche Mode, Nine Inch Nails, Beatles, Sting).

Außerdem erscheint eine Cash-Biographie von Franz Dobler über "die seltsame und schöne Welt der Country-Musik". Dobler hat auch das Tribute-Album "A Boy Named Sue - Johnny Cash Revisited" zusammengestellt, auf dem deutsche Indie-Bands der Legende ihre Verehrung aussprechen. In den USA erscheinen ebenfalls zwei Tribut-Alben, außerdem ist die Verfilmung von Cashs turbulentem Leben mit den Darstellern Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon in Planung. Einen schweren Schicksalsschlag erleidet der Country-Sänger im Jahr 2003: Am Abend des 15. Mai verstirbt Johnnys Ehefrau June Carter Cash im Alter von 73 Jahren im Baptist Hospital in Nashville an den Folgen einer Herzklappen-Operation.

Enge Vertraute Cashs berichten, dass der Musiker trotz des schweren Verlusts gewillt ist, mit Rubin ein weiteres Albumprojekt anzugehen. Im August muss er aufgrund seines Diabetes-Leidens jedoch erneut ins Krankenhaus in Nashville. Zwei Tage nach seiner Entlassung, Cash wollte gerade nach Kalifornien reisen, um mit Rubin an neuen Songs zu arbeiten, stirbt er am 12. September 2003 unerwartet rasch an den Folgen der Krankheit. Johnny Cash wurde 71 Jahre alt. Ende des Jahres erscheint die noch zu seinen Lebzeiten geplante 5-CD-Box "Unearthed", die außer Outtakes und unveröffentlichten Songs der Rubin-Ära auch ein 1996 von Cash eingesungenes Gospelalbum beinhaltet, sein Lebenstraum seit seiner Vorstellung als Sänger bei Sun Records im Jahre 1955.

Johnny Cash hinterlässt ein Werk von gewaltigen Ausmaßen, das auch nach seinem Tod noch Stoff für diverse Veröffentlichungen bereit hält. Ein überaus empfehlenswertes Hörbuch, bestehend aus vier CDs, gelangt im Spätsommer 2004 in den Handel. Eingesprochen von Schauspieler Peter Lohmeyer und mit 36 Songs gespickt, erzählt "Auf Kurs" mit äußerster Akribie die lange Geschichte der Country-Legende. Im Sommer 2005 erscheint mit der 4-CD-Box "The Legend" noch einmal ein Überblick über sein musikalisches Schaffen bis 1994. Das Material ist dabei teilweise chronologisch, vor allem aber thematisch geordnet. So enthält CD 1 alle Charts-Hits der Jahre 1956 – 1979 und CD 2 die wichtigsten Singles. Auf CD 3 covert Cash Folk-, Blues- und Hillbilly-Standards, CD 4 enthält Duette etwa mit Bob Dylan, Elvis Costello oder Ehefrau June Carter Cash. Sieben unveröffentlichte Songs und ein aufwändig gemachtes Booklet runden das Paket ab.

2006 erfährt der Mann in schwarz höhere künstlerische Weihen. Am New Yorker Broadway planen Richard Maltby Jr., der u.a. "Miss Saigon" inszenierte, und William Meade das Cash-Musical "Ring Of Fire", in dem 38 seiner Songs aufgeführt werden. Die Regisseure holen sich Cashs Einverständnis schon Jahre vor dessen Tod. Das Stück soll in der Tradition so genannter Jukebox Musicals wie "Mamma Mia" oder "Rat Pack" stehen. Im September 2005 wird es bereits vor Publikum getestet, die Broadway-Premiere ist für Februar im Ethel Barrymore Theatre angesetzt. Wer Cashs Rolle übernimmt, steht noch nicht fest. Ein Film mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle ist ebenfalls in der Mache und kommt im Februar 2006 in die Kinos. Während sich "Walk The Line" auf die frühen Jahre konzentriert, will "Ring Of Fire" Cashs Geschichte umfassend erzählen.

Wer aber dachte, mit der Best Of-CD "Ring Of Fire - The Legend Of Johnny Cash", die 2005 erscheint, sei der letzte posthume Tonträger des großen Mannes erschienen, der hat die Rechnung ohne das Marketing der Neuzeit gemacht. Zunächst findet die Doppel-CD "Personal File" im Mai 2006 den Weg in die Regale, auf der Archivmaterial aus den 70er und 80er Jahren zu finden ist, bevor sich auch Rick Rubin als Sherlock Holmes ausgibt und die kultgewordene "American Recordings"-Reihe weiterführt. Wie bei anderen verstorbenen Legenden ist auch bei Cash kein Ende an weiteren Nachlass-Veröffentlichungen in Sicht.

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Johnny Cash Der Man in Black, wie er leibte und lebte.

Der Man in Black, wie er leibte und lebte., Johnny Cash | © Universal (Fotograf: ) Der Man in Black, wie er leibte und lebte., Johnny Cash | © Universal (Fotograf: ) Der Man in Black, wie er leibte und lebte., Johnny Cash | © Universal (Fotograf: ) Der Man in Black, wie er leibte und lebte., Johnny Cash | © Universal (Fotograf: )

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  • Johnny Cash

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    http://www.johnnycash.com
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    http://www.johnnycash.de/

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