laut.de-Kritik

Der Rapper macht nicht viel, das aber super.

Review von

Wenn jemand Gunna auf einer intuitiven Ebene nicht rafft, dann ist es überraschend schwer, seinen Appeal zu erklären. Der Young Thug-Protegé kam nach seinem Feature auf "Jeffery" quasi durch die Hintertür mit den "Drip Season" und "Drip Or Drown"-Tapes in die Szene. Er etablierte sich als konstanter Feature-Gast und Fashion-Talker etabliert und ist ein bisschen wie Perry, das Schnabeltier: Eigentlich macht er nicht viel. Selbst seine großartigen Tapes wie das bis heute monumentale "Drip Or Drown 2" haben wenig, das einen unbedingt beeindruckt zurücklassen würde.

Umso faszinierender, denn wenn es je den Moment gegeben hätte, jemanden zu beeindrucken, dann wäre dieser jetzt gekommen. Nachdem sein Mentor und Freund Young Thug dank eines RICO-Strafbefehls in den Knast ging, kursierte in der Szene, Gunna hätte seine Label-Familie für seine eigene Freiheit verkauft. Lil Durk war sichtlich sauer auf ihn, auch geleakte Telefonate zwischen Thug und Lil Baby sprechen für die dicke Luft. Ist "A Gift & A Curse" jetzt das emotionale Tell-All, der Rückschlag gegen die Vorwürfe?

Die Antwort lautet: Nein. Gunna ist nicht diese Art von Rapper. Sein Mojo ist Swagger, die Fähigkeit, genau das richtige Level an zoned-out-ness zu wahren, um seiner oft nahezu makellosen Beatauswahl die Bühne zu geben. Er macht es für die Atmosphäre und die smoothen Flows, für den psychedelischen Xanax-Nebel und die Bässe, die wie Privatjet-Sitzleder klingen. Auf mächtige Verses muss man eher warten. Aber trotzdem: Da ist Veränderung, hat man darauf gewartet.

Diese kommt vor allem daher, dass Gunna mit deutlich mehr Wucht und Hunger rappt, als er es auf den beiden Vorgängern "Wunna" und "DS4Ever" getan hat. Beide hatten ihre starken Songs, aber nun merkt man, dass er nach vorne stößt, die Flows sind schneller und ein bisschen präsenter. Die Stimmung entlädt sich aber vor allem in der Produktion. Diese kombiniert seine opulente Marke mit Stress, Entrüstung und einem verqueren Kampfgeist, der ihm gut zu Gesicht steht.

Es fängt schon mit der ersten Single an, "Back To The Moon", auf dem er E-Gitarren und ein Space-Thema auspackt, das einen Kid Cudi stolz machen könnte (ganz ehrlich, der träumt leider von solchen Beats), aber die Kombination aus einem ornamentalen Sample gegen Holzbläser, Gitarre und schwerelose Atlanta-Bässe lässt den Mond tatsächlich sehr lebendig erscheinen. Aber wie so oft ist es das Layering der Produktion, die seinen Sound so fesselnd macht. Auch hier hat jeder Beat eigentlich nur eine 808-Line im rhythmischen Fundament, um die sich wie bei einer Zwiebel kleine, ausführende Instrumente schichten, die einander alle gerade genug kontrastieren, um ein unvorhersehbares und eigenwilliges Produktions-Bild zu ergeben.

Gunna selbst macht aus seinem Hedonismus Trotz. Er klingt müde, zeigt mittels seiner Stimmlage die Schwere, mit der die aktuellen Ereignisse auf ihm lasten. Dass er dann doch diese energischen, temporeichen Flows und Luxus-Raps droppt, gibt ihm ein verwegenes 'Jetzt-erst-recht'-Gefühl. In Sachen Flow gibt es ja irgendwo zwei Pole: Einmal die Rapper, die einen Beat killen wollen, die Spitter, die über ihre Verses knüppeln und dabei wirklich aufregend klingen können. Aber Gunna bewegt sich über Beats wie ein Drachen im Herbstwind. Er schwebt widerstandslos darüber und passt sich der Bewegung des Instrumentals an.

Dabei entstehen hier wieder eine ganze Menge fantastischer Trap-Songs. "IDK No More" kommt mit einem brettharten Knock, das darauf gesungene "I don't know no more" zeigt eine der raren Passagen der Verwundbarkeit. Auf "Ca$h Shit" hält er im Refrain mit einer Geldzählmaschine eine Zwiesprache. "Go Crazy" geht in den R'n'B-Bag wie "Living Wild", das Piano-Sample klingt wertiger und schöner ausproduziert, als es Kollegen wie Polo G oder Lil Durk picken würden.

Das große Highlight des Albums bleibt aber eindeutig der Doppel-Punch von "Fukumean" auf "Rodeo Dr". Ersteres geht ja gerade als offensichtliche Hit-Single viral, unter anderem deshalb, weil es diesen "The Box"-esken Quiek-Sound am Ende jeder Line hat - aber wie sich das Vocal-Sample zur Hook für ein kathartisches "fuck you mean?" aufbäumt, das slappt einfach. Genuin, if i do say so myself. Dann verschiebt sich der Beat ein kleines Bisschen, fast wirkt es so, als würde er einen Trap-Keyswitch hinlegen und noc hmal zwei Minuten dunklerer, hungriger und opulenter nachlegen.

"A Gift & A Curse" macht einen seltsamen Spagat, der das Problem des Albums überraschend gut auflöst: Gunna ist einer, der im Zweifel eher die Klappe hält. Er ist kein Rapper der großen Worte. Und auch dabei lässt er den Melodien und Flows die Bühne und pickt sich stattdessen ein weiteres Album mit meisterhaften Beats, das seinen emotionalen Zustand perfekt spiegelt.

Einen letzten Song gäbe es noch zu nennen, der alles perfekt zusammenfasst: Die Lead-Single "Bread & Butter", die instrumental einen der minimalistischeren Momente macht. Aber wie er hier in sein Geflexe Müdigkeit und Melancholie einwebt, stellt doch ein Unikum, dar, das ihm in seiner stillen und unaufdringlichen Art so schnell keiner nachmacht. Es ist die Art von Trap-Hit, den man tausend Mal hören könnte, bevor man überhaupt merkt, dass man ihn die ganze Zeit absolut großartig fand.

Trackliste

  1. 1. Back At It
  2. 2. Back To The Moon
  3. 3. IDK Nomore
  4. 4. Paybach
  5. 5. Ca$h $hit
  6. 6. Fukumean
  7. 7. Rodeo Dr
  8. 8. Bottom
  9. 9. P Angels
  10. 10. Born Rich
  11. 11. Go Crazy
  12. 12. Bread & Butter
  13. 13. Turned Your Back
  14. 14. I Was Just Thinking
  15. 15. Alright

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