Porträt

laut.de-Biographie

Godspeed You! Black Emperor

"U.X.O. steht für Blindgänger, für Landminen und Clusterbomben. Yanqui bedeutet postkolonialer Imperialismus, steht für den internationalen Polizeistaat und die multinationale Konzernoligarchie. Godspeed You! Black Emperor ist Mittäter, ist schuldig, leistet Widerstand." Das kurzgehaltene Presseinfo zu "Yanqui U.X.O.", dem 2002 veröffentlichten, und für acht lange Jahre vorläufig letzten Lebenszeichen der epischen Instrumentalband, ist ganz schön harter Tobak für eine Postrock-Formation.

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Doch die neunköpfige Band aus Montreal hat noch nie einen Hehl aus ihrem politischen, antikapitalistischen und gesellschaftskritischen Anspruch gemacht. So ziert das Coverfoto des zugehörigen Albums ein bombenwerfendes Flugzeug, während auf der Rückseite die Verbindungslinien der vier größten Majorlabels zur Rüstungsindustrie skizziert werden. Eine der großen Finessen von GY!BE: politisieren ohne gesprochene Worte.

Die innig gepflegte Aversion gegen den militärisch-industriellen Komplex schließt dem Selbstverständnis der Gruppe nach die Ablehnung traditioneller Mechanismen der Musikindustrie mit ein. Promoaktivitäten sind für Godspeed You! Black Emperor seit jeher ein rotes Tuch, und werbewirksame Interviews mit Hochglanzmagazinen genauso verpönt, wie sich für Gruppenfotos in Pose zu werfen.

Ein improvisierter Auftritt von Efrim Menuck, Mike Moya und Mauro Pezzente im Vorprogramm einer lokalen Band in Montreal markiert 1994 die Initialzündung für das kanadische Kollektiv. Lediglich mit zwei Gitarren und einem Bass bewaffnet, einigen sich die drei darauf, dass jeder von ihnen eine halbe Stunde lang stoisch einen einzigen Akkord spielt. Den Bandnamen entnehmen sie einer 1976 entstandenen Schwarz-Weiß-Dokumentation von Regisseur Mitsuo Yanagimachi über eine japanische Bikergang, die Black Emperors.

Die Positionierung des Ausrufezeichens durchläuft über die Jahre mehrere subtile Metamorphosen: von "Godspeed You Black Emperor!" über "Godspeed! You Black Emperor" zu "Godspeed You! Black Emperor". Auch das Line-Up ist konstanten Schwankungen unterworfen, bevor es sich schließlich mit Aidan und Bruce (Drums), Thierry und Mauro (Bässe), Efrim, Dave und Roger (Gitarren) sowie Norsola und Sophie an Cello und Geige bei neun fixen Mitgliedern einpendelt.

1995 beziehen die Mitglieder von GY!BE ein ehemaliges Lagerhaus in Montreal und taufen ihre neue XL-WG "Hotel2Tango". Das neue Basislager wird als Wohnraum, Konzertvenue und Tonstudio zum Dreh- und Angelpunkt der Kommune. 1997 nehmen GY!BE dort ihr Debütalbum
"F#A#Infinity" auf, das in einer limitierten Vinyl-Auflage von 500 Stück auf dem lokalen Postrock-Label Constellation Records erscheint. In traditioneller DIY-Manier werden alle Cover des Indielabels in Handarbeit gefertigt und von lokalen Künstlern gestaltet.

Mit diesem Werk legen sie nichts weniger als den Grundstein für den modernen Postrock und zählen neben Sigur Rós und Mogwai zu den stilprägenden Vorreitern des Genres. Mit der nachfolgenden '99er EP "Slow Riot For New Zero Kanada" sowie den beiden LPs "Lift Yr. Skinny Fists Like Antennas To Heaven!" und "Yanqui U.X.O." untermauern sie diesen Status nachhaltig. Ihre monumentalen Instrumentaltracks dehnen
GY!BE mittels dynamischer Spannungskurven auf bis zu 25 Minuten aus und integrieren Elemente aus Progressive Rock, Punk und Klassik, verordnen sich selbst jedoch als ganz banale Rockband.

Der epische und bombastische Sound basiert auf einer Fusion der Standard-Rockbesetzung mit einem klassischen Orchester. Die neun Musiker loten schon allein aufgrund ihrer zahlenmäßigen Übermacht ungeahnte Tiefen und Lautstärkepegel aus, sodass insbesondere die bis zu dreistündigen Live-Auftritte zu einem physischen Erlebnis werden. Endzeitige Filmprojektionen und verstörende Sprachsamples untermauern die melancholische Tragweite Godspeedscher Klangsinfonien äußerst effektvoll.

Obwohl sich GY!BE als Kollektiv 2003 zunächst für unbestimmte Zeit von der Bildfläche verabschieden, tauchen die einzelnen Mitglieder nicht in die Illegalität ab, sondern in regelmäßigen Intervallen auf dem musikalischen Radar auf. Auch wenn sie auf unzählige Bands wie Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra And Tra-La-La Band, Fly Pan Am und Set Fire To Flames verstreut sind, haben alle stets regen Anteil am großen pulsierenden Ganzen, der nie versiegenden kreativen Quelle des Künstlermekkas Montreal.

Im April 2010 melden sich die kauzigen Querdenker subversiv wie eh und je aus dem musikalischen Untergrund zurück. Ein schlichtes, im "tyrannischen Monster" Internet viral verbreitetes Pamphlet weist GY!BE als Kuratoren des britischen All Tomorrow's Parties-Festivals vom 3. bis 5. Dezember aus und verspricht verstärkte Aktivität im internationalen Live-Sektor.

Und das Kollektiv hält Wort: Innerhalb einer Dekade erscheinen gleich vier neue Studioalben.

Mit "'Allelujah! Don't Bend! Ascend!" legen Godspeed You! Black Emperor 2012 den Grundstein für ihr weiteres Vorgehen: Zwei Longtracks und zwei kurze Drone-Interludien pro Album sollen es sei. Auch sonst bleibt die Arbeitsweise der Gruppe eine pragmatische. Neue Songs finden bereits kurz nach Erscheinen der jeweils letzten Platte Einzug ins Live-Set.

Das 40-Minuten-Opus "Behemoth" erprobt die Band 83 mal im Live-Kontext, bevor es 2015 unter dem Namen "Asunder, Sweet And Other Distress" erscheint. Hier fehlen erstmals die von der Band so prominent eingesetzten Field-Recordings.

Ohne solche Sprach- und Klangfetzen kommt auch "Luciferian Towers" daher, welches die Band 2017 vorstellt. Auch die beiden Filmemacher Karl Lemieux und Timothy Herzog sind inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil der immer frequentierteren Live-Aktivitäten. Die abstrakten, dystopischen Projektionen der beiden flackern im Loop zur Musik über die Bühnenwände.

Ein Vorabstream zum 2021 erscheinenden siebten Studioalbum rückt die Arbeit der beiden noch mehr in den Mittelpunkt: Die Übertragung aus einem leeren Theater in Montreal ist der erste Vorbote zum neuen Werk mit dem Namen "G_d's Pee AT STATE'S END!".

"Und denkt immer daran: Alles, was wirklich zählt, ist mit dem Weitermachen weiterzumachen. Und Live-Shows. Und beherztes Engagement in der Welt. Und Leute wie wir und Ihr. Danke für Euer Verständnis und dafür, dass
Ihr immer noch zuhört
". Keine Ursache.

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Brüssel, Forest National, 2017 Große Location, großes Kino. Godspeed You! Black Emperor errichten ihre "Luciferian Towers".

Große Location, großes Kino. Godspeed You! Black Emperor errichten ihre "Luciferian Towers"., Brüssel, Forest National, 2017 | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Große Location, großes Kino. Godspeed You! Black Emperor errichten ihre "Luciferian Towers"., Brüssel, Forest National, 2017 | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Große Location, großes Kino. Godspeed You! Black Emperor errichten ihre "Luciferian Towers"., Brüssel, Forest National, 2017 | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Große Location, großes Kino. Godspeed You! Black Emperor errichten ihre "Luciferian Towers"., Brüssel, Forest National, 2017 | © laut.de (Fotograf: Alex Klug)

Surftipps

  • Dead Metheny

    MP3-Files, Bilder und Infos. Very comprehensive!

    http://brainwashed.com/godspeed/
  • Constellation Records

    Infos zu früheren Releases auf diesem Label, aber auch News, Tourdaten usw.

    http://cstrecords.com/gybe/
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    https://www.facebook.com/Godspeed-You-Black-Emperor-8421198748

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