Porträt

laut.de-Biographie

Dead Moon

Frederick Lee Cole ist zwar kein musikalisches Wunderkind, doch ein Frühstarter, der bald ein Talent entdeckt, mit dem er sich finanziell über Wasser halten kann. Schon mit 13 spielt der am 28. August 1948 in Tacoma/Washington geborene Fred in Bands wie Little Red Roosters oder den Barracudas. Mit 15 erkennt man sein Gesangstalent, und bald wird er in der Las Vegas-R'n'Blues-Truppe Deep Soul Cole als "weißer Stevie Wonder" gefeiert. Mit 17 spielt Cole bei den Weeds.

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Irgendwann sollen die als Opener für die Yardbirds im Filmore in San Francisco spielen. Als die Band jedoch in Frisco ankommt, weiß niemand etwas davon und man jagt sie aus der Stadt. Aus nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen will man sich nach Kanada durchschlagen, aber auf halbem Weg geht in Portland, Oregon das Benzin aus. Doch mit dem lokalen Club The Folk Singer ist schnell eine Bühne gefunden, auf der Musik gemacht und Geld verdient werden kann.

Genau zu der Zeit arbeitet im Folk Singer eine gewisse Toody Conner. Toody fährt sofort auf The Weeds ab. Vor allem auf deren Frontmann Fred. Das Schicksal bringt ein R'n'R-Paar zusammen, das sich in eine Linie mit Ozzy und Sharon Osbourne oder Thurston Moore und Kim Gordon (pardon) einreiht. Fred und Toody treten 1967 vor den Traualtar, halten aber ihre Heirat streng geheim, da es damals natürlich völlig uncool ist, im Rock-Biz verheiratet zu sein.

Mit den Weeds läuft es besser denn je und ein Deal mit UNI Records lässt nicht lange auf sich warten. Von der Plattenfirma bekommen sie den Manager Tim Hudson aufgebürdet. Dieser rühmt sich zwar einerseits, den Begriff "Flower Power" geprägt zu haben, andererseits findet er den Namen The Weeds zu anrüchig und benennt die Band in The Lollipop Shoppe um. Es gibt leider nur eine spärliche Frucht dieser Zusammenarbeit, die 1968er-LP "Just Colour". Die Songs "Don't Look Back" und "You Must Be A Witch" finden sich auch heute auf den Setlists der Dead Moon.

Während des Vietnamkriegs zieht es die auf fünf Köpfe angewachsene Familie Cole (drei Kinder, Amanda, Weeden und Shane) nach Yukon, Kanada, wo Fred dem drohenden Wehrdienst entgeht. Sie bezieht dort eine selbstgebaute Blockhütte und Fred tauscht Gitarre gegen Büchse, um Bären zu jagen. Die Einöde wächst der jungen Familie jedoch schnell über den Kopf. Mit Ron Buzzle vom Lollipop Shoppe gründet Fred Cole Buzzle. Sie ziehen kurzentschlossen um nach L.A., weil dort Elektra auf sie aufmerksam geworden ist. Der in Aussicht gestellte Plattenvertrag wird aber nie abgeschlossen. Fred zieht desillusioniert mit Toody zurück nach Oregon. In Portland eröffnen sie Captain Whizeagle's, Gitarrenladen und Plattenlabel zugleich. 1974 bringt dort Freds neues Projekt Zipper seine erste Platte heraus.

Ende der 70er Jahre erkennt Toody endlich ihr Talent als Bassistin und Sängerin. 1979 spielt sie erstmals mit ihrem Mann in der Punkrock-Formation The Rats. Mit wechselnder Besetzung an den Trommeln nehmen sie drei Alben auf, deren Songs heute noch teilweise in den Livesets der Dead Moon auftauchen. Anfang der Achtziger verliert aber der Punkrock viel von seinem originellen Charme, und so trennen sich auch die Rats (1983). Die Coles ziehen nach Clackamas, einem Vorort von Portland. Gitarrenladen und Label ziehen mit um und werden in diesem Zuge in Tombstone Music umbenannt, Untertitel: Music too tough to die.

Fred und Toody zeigen sich zu dieser Zeit sehr inspiriert durch Country- und Westernmusic. Mit The Ranged Rats sind sie 1986 wieder am Start und suchen noch den passenden Trommler. Andrew Loomis, ein Barkeeper aus Portland spielt bei ihnen vor. Doch die Funken schlagen nicht über, weil Andrew nichts mit Country am Hut hat und lieber in einer Punkrockband trommeln würde. Fred und Toody versuchen es weiter mit einer Drummachine, legen aber auch dieses Projekt nach einem Jahr ad acta.

Der Kontakt zu Loomis reißt jedoch nicht ab. Gegen Ende der 80er Jahre ist es für Fred an der Zeit, mit Toody ein neues Projekt zu starten. Mehr Rock'n'Roll diesmal. Und wieder fehlt ein Drummer. Fred ruft bei Andrew an und die Sache ist perfekt. Schon beim ersten Proben zeigt sich die ganz besondere Chemie, die fortan dieses Trio magisch beherrscht. Später bei einem Trip nach Nevada erscheint den Dreien ein riesiger roter Mond über der Wüste. Red Moon wird aber als Bandname abgelehnt, weil Dead Moon mit den zwei flankierenden Vier-Buchstaben-Wörtchen einfach sexier daherkommt.

1988 schenkt Toody ihrem Fred zum 39. Geburtstag eine echte Rarität: eine 1954er Preston 88. Das ist ein Schallplattenaufnahmegerät (Vinyl-Cutter), und gilt seinerzeit als "Cadillac unter den Vinyl-Cuttern". Darüber hinaus ist es die Maschine, mit der die Kingsmen seinerzeit den Klassiker "Louie Louie" aufnahmen. Einziger Nachteil: das Ding nimmt nur in Mono auf und ist derart sperrig, dass man für seine Anlieferung erst mal den Türrahmen bei Tombstone Music auseinandernehmen musste.

Auf diesem legendären Gerät wird 1988 die erste Single "Parchment Farm" (mit dem eigenwilligen "Hey Joe"-Cover auf der B-Seite) produziert. Seitdem schreibt man dieser Maschine einen Hauptteil des Dead Moon-Spirits zu. Alle Veröffentlichungen wurden darauf geschnitten und verströmen diesen Vintage-Touch von altem Mono-Vinyl. Die Preston 88 ist der lange gehegte Traum Fred Coles. Er kann jetzt unabhängig Platten pressen, ohne sich von irgendwelchen Labelbossen reinreden lassen zu müssen. Ab jetzt ist alles "Homemade" und die Maschine steht selten still. Bis 1990 nennen Dead Moon schon drei Singles und drei Alben ("In The Graveyard", "Unknown Passage" und "Defiance") ihr Eigen.

Der trashige Lo-Fi-Garagensound mit minimalistischen Effekten und einfachsten Songstrukturen ist nicht allein zum Markenzeichen der Band geworden. Auch Fred Coles unvergleichbar soulig-krähender Rockröhre im Vordergrund mit lamentierendem Tremolo trägt zum Wiedererkennungswert entscheidend bei. Unterstützt wird er dabei immer von seiner Frau, die bei einigen Songs auch die Leadvocals übernimmt. Unabhängig von ihren Aufnahmen auf Vinyl und CD sind Dead Moon auch eine grandiose Liveband, die sich mit Herz und Seele dem R'n'R verschrieben hat.

Das Tübinger (sic!) Label Music Maniac wird auf den kleinen Kollegen Tombstone aufmerksam und man lädt Dead Moon nach Europa ein, um ein paar Gigs zu spielen. Die Leute bei Music Maniac sind begeistert von dem bisher erschienenen Material und bringen gleich zwei Compilations der ersten drei Dead Moon-Alben heraus ("Dead Moon Night" und "Thirteen Off My Hook"). "Dead Moon Night" ist dabei das einzige Zeugnis des Dead Moon-Schaffens, das in Stereo überliefert ist, weil Music Maniac das Mastering übernimmt. Die Freundschaft zwischen Band und Label ist der Grundstein für eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, die nicht zuletzt Labelchef Hans Kesteloo und seinen Kontakten zu verdanken ist.

Am 1. Juli 1990 spielen Dead Moon im Vera Club im niederländischen Groningen ihren ersten Gig auf europäischem Festland. Eine Europa-Tour folgt und eine ansehnliche Fanbase findet zusammen. Der legendäre Gig im Stuttgarter Longhorn am 23. August 1990 schreibt als "Live Evil" auf Vinyl und CD Geschichte. Er fängt einen Moment der psychedelischen Rockmusik ein, der in seiner Intensität und charismatischen Präsenz einzigartig ist.

Neben dem unverkennbaren Sound wird das markante Logo (ein Sichelmond mit Totenkopfgesicht) zum Trademark der Band. Auf dem Cover von "Live Evil" zeigt das Trio stolz seine Logo-Tattoos in die Kamera. Frontmann Fred trägt seinen Mond sogar auf der rechten Wange. Um diese Zeit wird ein weiteres Markenzeichen geboren: eine minimalistische Lightshow. Eine umgedrehte Jack Daniels-Flasche wird auf die Bassdrum gesteckt, wo sonst die Toms fest gemacht werden. Darauf brennt während des ganzen Livesets ein Kerze und begründet die Seance-artige, ja fast sakrale Stimmung während jedem Dead Moon-Konzert. Im laufenden Set wird schon mal die eine oder andere Flasche Bier oder Jackie getrunken. Der Rest Flüssigkeit landet auf den Fellen bei Andrew Loomis, der dann aus seinem Drumkit mit jedem Stockschlag ein kleines feuchtes Feuerwerk zaubert.

Diese Rituale werden bei fast jedem Konzert der Band zelebriert, was nicht zuletzt auf die seltsame Abergläubigkeit Fred Coles zurückzuführen ist. Was einmal funktioniert hat, muss beim nächsten Mal akribisch genau so nachgemacht werden. Das gipfelt in der Tatsache, dass Fred nie ein Bühnenoutfit ein zweites Mal trägt, in dem er zuvor schlecht gespielt hatte. Der Kult um die Band ist aber auch das Resultat aus verschiedenen Umständen, die Anfang der 90er Jahre schicksalhaft aufeinander treffen.

Einerseits ist das Rockbusiness vom Grunge-Virus befallen. Auch wenn Dead Moon musikalisch vielleicht etwas zu Lo-Fi sind und mit ihrem Homerecording in Mono nicht ganz auf dem aktuellen Trend liegen, passen sie doch vom Look and Feel zumindest für einige Konsumenten in dieses Genre. Da derzeit alles gekauft wird, was auch nur in etwa aus Seattle kommt, können auch Dead Moon diesen Auftrieb für Gitarrenbands aus dem Nordwesten Amerikas nutzen.

Bis 1994 erscheinen weitere drei Alben ("Stranded In The Mystery Zone", "Strange Pray Tell" und "Crack In The System") im bewährten Homerecording-System. Der Höhepunkt im Schaffen der Band, die als eine der aufregendsten Liveacts dieser Zeit gehandelt wird. Erfolg und Kultstatus beschränken sich jedoch hauptsächlich auf Europa. 1996 haben sie einen Auftritt im Dokumentarfilm "Hype!", der die Musikszene in und um Seattle beleuchtet und den Aufstieg und Fall des Grunge nachzeichnet. Viele Anhänger erkunden die musikalischen Wurzeln ihres Idols Fred Cole und die Nachfrage nach Material aus der Zeit vor Dead Moon steigt. Music Maniac reagiert darauf mit dem Re-Release des Zipper-Albums von 1974, scherzhaft auch unter dem Namen "Fred Zeppelin" bekannt.

1997 bringen Dead Moon das legendäre Live-Album "Hard Wired In Ljubljana" mit dem großartigen Coverartwork des niederländischen Comiczeichners und Karikaturisten Peter Pontiac heraus. Danach wird es stiller um das Trio. Fred geht öfter mit seinen Enkeln fischen und baut mit Toody den Tombstone Store aus. Noch leben Dead Moon ihren amerikanischen Rocktraum weiter und versuchen, ihre Fans mindestens alle zwei bis drei Jahre mit einem neuen Album zu beglücken und auf ausgedehnten Clubtouren zu feiern.

2004 sind Dead Moon die Hauptdarsteller in der Rockumentary "Unknown Passage" der Dokumentarfilmer Jason Summers und Kate Fix. Hier wird die Bandstory akribisch nachgezeichnet, und man bekommt bislang ungewährte Einblicke in das Privatleben eines R'n'R-Ehepaars. Eine Familie, die sich über die Jahre hinweg gegen alle Regeln des Showbusiness durchsetzt und mit großen Schritten auf die rubinene Hochzeit (40. Ehejubiläum) zusteuert.

Die erreicht zwar das Paar Fred und Toody, ihre Band allerdings nicht mehr, denn nach der großen Europatournee 2006 geben Dead Moon bekannt, dass nun die verdiente Rente ruft. Fred Cole im Originalwortlaut: "Nach 20 Jahren treten Dead Moon nun in den Ruhestand. Es war eine Reise, die wir immer wertschätzen werden und wir freuen uns, dass an ihre Stelle eine weltweit agierende Familie getreten ist. Dead Moon ist zu einem Do It Yourself-Underground-Thema geworden, das viel größer ist als die eigentliche Band, und das vielen Menschen sehr viel bedeutet. Die Kerze brennt weiter."

2014 erscheinen die ersten drei Alben "In The Graveyard" (1988), "Unknown Passage" (1989) und "Defiance" (1990) frisch gemastert von den Originalbändern und höchst offiziell auf Cargo Records. Dadurch fließen noch einmal sämtliche Royalties der Re-Issue-Verkäufe in die Dead Moon-Kasse. Danach ist es mit den guten Nachrichten leider vorbei: Anfang 2016 stirbt Drummer Loomis im Alter von 54 Jahren an den Folgen eines Lymphoms. Sänger Fred verliert den Kampf gegen Leberkrebs am 9. November 2017. Er schlief friedlich in seinem Haus in Clackamas/Oregon ein, so seine Witwe Toody. Die Dirtbombs und Mudhoney gehören zu den Bands, die Cole daraufhin mit Social Media-Postings ihren Respekt zollen. Die Kerze brennt weiter.

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Ein Totenmond live über Konstanz Dead Moon am 15. November 2006 vor der halben laut.de-Redaktion und weiteren 130 Zuschauern in Konstanz.

Dead Moon am 15. November 2006 vor der halben laut.de-Redaktion und weiteren 130 Zuschauern in Konstanz., Ein Totenmond live über Konstanz | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Dead Moon am 15. November 2006 vor der halben laut.de-Redaktion und weiteren 130 Zuschauern in Konstanz., Ein Totenmond live über Konstanz | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Dead Moon am 15. November 2006 vor der halben laut.de-Redaktion und weiteren 130 Zuschauern in Konstanz., Ein Totenmond live über Konstanz | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Dead Moon am 15. November 2006 vor der halben laut.de-Redaktion und weiteren 130 Zuschauern in Konstanz., Ein Totenmond live über Konstanz | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele)

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