30. August 2005

"Kool Savas hat bekommen, was er verdient"

Interview geführt von

Trotz eines laut Manager Schlereth enttäuschenden Ergebnisses von "nur vier Kronen in der Juice" stieg "Zukunftsmusik" auf Platz 51 der Charts ein – nicht zuletzt dank der außergewöhnlichen Zuwendung des Labels, das extra für die Releaseparty drei Tage lang Sven Väths Nobelschuppen Cocoon in Frankfurt angemietet hatten. So erwartet uns ein sichtlich entspannter Tone im Aufnahmestudio des Ulteamate-Produzententeams in Offenbach. Wegen Problemen mit dem Aufnahmeequipment verlegen wir das Interview kurzerhand in den engen Gesangsraum des Studios. Die äußerst perfektionistischen Produzenten vergewissern sich mehrfach, dass Lautstärke und Qualität für eine runde Aufnahme ausreichen, bevor es losgeht.

Platz 51 für ein Debütalbum. Du bist sicherlich zufrieden?

Naja, einerseits natürlich schon. Andererseits muss man wahrscheinlich auch sagen, dass noch viel mehr drin gewesen wäre.

Aber nach einer Pause von fast zehn Jahren?

Es ist sicherlich erstaunlich, dass es so viel Feedback gibt. Das fiel mir auch im Board der Homepage positiv auf: Es gibt viele Leute, die sich trotz der langen Pause noch für mich interessieren.

Ganz Frankfurt soll ja kurz vor dem Release mit Tone-Stickern und Plakaten zugeklebt gewesen sein. Wie würdest du deinen eigenen Stellenwert für die Entwicklung des Frankfurter Hip Hops einschätzen?

Das Lied "Ich diss dich", das wir damals mit Konkret Finn gemacht haben, das war zu der Zeit schon etwas, was es so nicht gab, und was auch sehr viele Leute inspiriert und beeinflusst hat. Insofern habe ich wohl schon einen gewissen Stellenwert. Die Leute sehen, okay, der war schon damals dabei, der wird schon wissen, wie man rappt.

Gerade die Frankfurter und Berliner Rapper gelten ja als Gegenpol zu dem früheren Hamburg- und Stuttgart-Rap, dem sogenannten Spaßrap. Ich kenne einige Frankfurter, die der Meinung sind, dass man, wenn man nicht ernst rappt, überhaupt nicht rappen sollte. Würdest du sagen, Bands mit witzigen Texten wie Blumentopf oder 5 Sterne DeLuxe sind schlechte oder "unechte" Rapper?

Ich würde jemandem, der lustige Raps schreibt, nicht die Berechtigung dazu absprechen. Ich finde, Vielseitigkeit ist eine wichtige Sache. Wobei es für meinen persönlichen Geschmack jetzt auch langweilig wäre, ein ganzes Album nur lustig und tralalala zu hören. Für mich ist das nicht das Wahre. Aber einen gewissen Humor im Rap finde ich schon wichtig. Gibt so ne gewisse Würze.

Wenn du als Vater des deutschen Battleraps siehst, wie jemand wie Kool Savas mit einem Album nach dem nächsten chartet, während du selbst eine fast zehnjährige Albenpause hattest, wie fühlst du dich dann? Schlägt jemand Profit aus dem, was du erschaffen hast?

Das stimmt ja so nicht. Er schlägt Profit aus dem, was er geschaffen hat. Er hat sein Ding durchgezogen, hat seine Reime geschrieben, das komplette Business von A bis Z durchgezogen und dafür das bekommen, was er verdient. Das wäre ja lächerlich, wenn ich darauf Anspruch erheben würde.

Seit "Ich Diss Dich" hat sich Battlerap sehr zum Aggressiven hin entwickelt. Ist das eine gute Entwicklung? Und in welche Richtung wird das weiter gehen?

Man muss sich überraschen lassen, wo sich das hinentwickelt. Aber ich finde eh, dass diese ganzen Styles ihre Phasen haben. Im Moment ist halt dieses Aggressive, Gangstamäßige angesagt, eine Zeit lang waren es eher Hamburg-Stuttgart-Styles, ein wenig gaudimäßig – ich denke, das wandelt sich permanent. Mir persönlich ist eine gewisse Ausgewogenheit wichtig. Nur witzig oder nur hart fände ich langweilig. Für mich persönlich muss alles vertreten sein. Aber dadurch, dass es so viele verschiedene Arten gibt, ist auch für jeden was dabei.

Hätte es ohne den Hype um Battlerap ein Tonealbum zum jetzigen Zeitpunkt gegeben?

Ja. Ein marktstrategischer Zeitpunkt war für mich eh nie ausschlaggebend, ansonsten hätte es wesentlich bessere Zeitpunkte gegeben, um ein Album zu veröffentlichen, aus rein geschäftlicher Hinsicht. Mir war es wichtig, solche Sachen ganz außen vor zu lassen und erst dann rauszukommen, wenn ich empfinde, dass das, was ich kreieren wollte, auch wirklich fertig ist. Und dieser Zeitpunkt ist halt jetzt.

Du hast dir für dieses Debüt ziemlich viel Zeit gelassen. Findest du, dass sich manche Rapper mehr Zeit für ihre Alben nehmen sollten?

Ja, einige mit Sicherheit, könnte ich mir vorstellen. Wenn man es zu eilig hat, bleiben gewisse Dinge einfach auf der Strecke. Für mich war es einfach wichtig, auch die menschliche Entwicklung in die Musik einfließen zu lassen. Und es dauert halt einfach seine Zeit, bis man gewisse Erkenntnisse hat und auch in der Lage ist, sie textlich umzusetzen. Das war auch das, was an diesem Album am längsten gedauert hat.

A propos persönliche Entwicklung: mit "Versteckter Feind", "Süßes Gift" und noch einigen anderen sind ja schon sehr intime Tracks dabei. Beziehst du dich jeweils auf eine konkrete Situation?

Mehr oder weniger. Ich habe in allen Fällen mit der betreffenden Situation zu tun gehabt, entweder direkt ich selbst oder eine Person aus meinem Freundeskreis oder direkten Umfeld. Aber von diesen persönlichen Texten würde ich eher "Du Brauchst Mich" und "Schick Mir Nen Engel" hervorheben, das sind auch die beiden ältesten Texte auf dem Album, ohne die "Zukunftsmusik" nicht entstanden wäre. Geschrieben habe ich sie 97, als ich mich von Konkret Finn getrennt habe. "Du Brauchst Mich" zum Beispiel befasst sich mit dem Thema Sucht, wobei ich in der Erzählform in die Rolle der Droge hineingeschlüpft bin, um tiefer in das Thema eintauchen zu können, ohne zu schnell in eine so krasse Opferrolle zu kommen, dass man gar keinen Bock mehr hat, darüber zu schreiben, weil man damit vielleicht auch merkt, wie erbärmlich das ist. Das hat es mir leichter gemacht, tief in das Thema einzutauchen, und ich fand das auch interessanter als irgendwie zeigefingermäßig 'Nehmt keine Drogen' oder so nen Scheiß abzuliefern. "Schick Mir Nen Engel" beschreibt rückblickend den Punkt, an dem man merkt, dass man etwas verändern muss, weil man sich einfach auf dem falschen Weg befindet.

... damals aber ohne den Naidoo-Part. Wie kam es dazu?

Auf Naidoo bin ich mit A-Bomb [aus Tones Produzententeam, d. Red.] gemeinsam zugegangen, der Kontakt wurde 2002 von einem gemeinsamen Bekannten hergestellt. Er hat dann tatsächlich zugesagt und für mich den Part eingesungen, was für mich natürlich der Überflash schlechthin war.

Es ist immer sehr interessant zu beobachten, dass die härtesten Battlerapper total gerührt davon sind, wenn ihnen jemand wie Naidoo eine Hookline einsingt.

Naja, ich glaube, man weiß diesen Künstler halt einfach zu schätzen. Es ist klar, dass das ein besonderer Mensch ist, der sich dann mit deiner Musik auseinandersetzt, sich da hineindenkt und auch etwas dazu beiträgt. Das ist ein besonderer Moment für jeden.

Ich hatte bei den Beats auf deinem Album häufiger das Gefühl, dass sie perfekt zum Thema passen. Gehst du da vorher zu den Produzenten und sagst: "Jungs, macht mir mal einen Beat zum Thema Drogen", oder wie läuft das ab?

Bei manchen Dingen habe ich einfach eine Textidee. Erst, wenn der komplette Text steht, setzt man sich zusammen und sucht nach den passenden Samples und Ideen. Das war gerade bei "Du Brauchst Mich" und "Schick Mir Nen Engel" der Fall. Der größte Teil der Platte ist allerdings so entstanden, dass der Beat zuerst da war, und ich mich von dem Vibe des Beats habe tragen lassen, mir die Bilder ausgemalt habe, die ich darin sehe und dann versucht habe, das so klar wie möglich aufs Papier zu bringen.

Wirst du mit dem aktuellen Album noch mal auf eine Tour gehen?

Ja, da ist was in Planung im November. Genaue Termine kann ich dir jetzt allerdings noch nicht geben.

Kurz vor der letzten US-Wahl kam es in den Staaten zu vermehrten politischen Statements der dortigen Rapper. Woran liegt es, dass das in Deutschland nicht passiert, obwohl wir ja auch eine recht prekäre Situation haben?

Ich weiß nicht, ob das nicht der Fall ist ... vielleicht hat man manche Leute nicht gehört in dieser Form, aber gewisse Kommentare hier und da gab es mit Sicherheit. Ich kann mich auf jeden Fall an ein Flame-Konzert erinnern, in dem er in der Ansprache auf diesen John J. Rambo namens George Bush kam, der hier meint, die Welt aufmischen zu müssen. Das ist eher eine Frage der Medienaufmerksamkeit, die einem Künstler zu dem Zeitpunkt zukommt. Davon hängt es ab, wie weit man bei so etwas gehört wird. Man sieht es ja momentan wieder an solchen Live Aid-Aktionen: Egal welches Thema es ist, man braucht die Aufmerksamkeit der Medien, um daüber eine gewisse Zeit sprechen zu können. Davon hängt es auch ab, ob die Leute in dieser Zeit dafür offen sind. Aber ich glaube schon, dass in diesem Land genug Leute dazu ihren Senf abgegeben haben, auf jeden Fall.

Ich bezog mich jetzt nicht auf die US-Wahl, sondern auf die Bundestagswahl im September ...

Oh, dann habe ich dich falsch verstanden.

... weil es ja gerade in Amerika auch viele Rapper gab, die die Jugendlichen zum Wählen animieren wollten. Das fehlt in Deutschland.

Ja, das kann sein. Da bekomme ich auch nicht so viel mit (Nachdem sich kurz Schweigen ausbreitet, fangen wir beide an zu lachen). Ja, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Okay, dann danke ich dir für das nette Gespräch.

Das Interview führte Philipp Gässlein

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