laut.de-Kritik

"Shindy for President - make rap great again."

Review von

"Ich bin Reimfetischist. Es müssen nicht acht Silben sein aber ich mag es, wenn man ästhetische Worte oder Nomenreime hintereinander rausschießt, ohne dass ein Reim dabei ist, den man hätte vorhersehen können", sprach er, zu Backspins Niko, hoch droben im 29. Stock des Luxus-Hotels. Unter ihm der Kurfürstendamm und ein bestechender Ausblick auf die Gedächtniskirche.

Dass ihm dieses Leben zu Kopf steigt, hört man in fast jeder Strophe auf Shindys drittem Longplayer heraus. Er frönt dabei nicht nur seinem Hotel-Lifestyle, sondern auch dem ausufernden Konsum. "Wenn ich eines Tages sterbe dann an Kaufsucht", seien es Klamotten, Autos oder eben Parfüm. Wofür man nicht alles Geld ausgeben kann, wundert man sich. Was fehlt da noch? Klar, Bitches. "Du kriegst mich nie mehr aus ihr raus wie Excalibur." Die inhaltliche Bandbreite wäre damit im Großen und Ganzen abgefrühstückt. Zugegeben, man hat jetzt aber auch nicht arg viel mehr erwartet.

Was einen dafür erwartet: alles in allem ziemliche frische Beats. Wir reden hier nicht von einem Skip-Kandidat-freien Album. Aber doch von einem, das zwar diesen Trap-Trend aufgreift, aber zwischendurch immer wieder luftigere und frische, Boom Bap-artige Beats in modernem Gewand auffährt. Der Titeltrack steht exemplarisch dafür. Beinahe versöhnlich und locker aus der Hüfte geschossen, geht dieser Kopfnicker-Beat geschmeidig ins Ohr, auch wenn der Bass-Regler auf Anschlag steht.

Warum sich Shindy als Reimfetischist bezeichnet, zeigt er in diesen Zeilen: "Bin eingeschlafen in mei'm Astra ohne Klimaanlage / Und aufgewacht im Benz - München Maximilianstraße / Park' ihn vor der Tiefgarage, Schlüssel an den Portier / Du Missgeburt, das ist kein Eis, das ist ein Sorbet."

Leider raubt einem diese völlig verhunzte Hook die Harmonie aus Schmunzeln und Kopfnicken. "Dieses Deutsch-R'n'B-Thema ist ja immer heikel." Er nennt das Problem ja schon beim Namen, warum nur zieht er daraus nicht die richtigen Schlüsse? Dieser leidige Nico Santez mag hinter den Reglern was drauf haben, okay. Am Mic versaut sein autogetuntes Jaulen einige Songs des Albums.

Mit der Trap-Erscheinung und der dazugehörigen, völlig verautotunten Sing-Sang-Rap-Art kann der Vater dieser Zeilen wenig bis gar nichts anfangen. Trotzdem kriegt mich "Heartbreak Hotel" dazu, leicht mit dem Kopf zu nicken, den Mädels-bumsenden Zeilen Shindys zu lauschen und mich seltsamerweise unterhalten zu fühlen. Vielleicht wächst in mir so eine Art unerklärliche Affinität zu Grauenvollem, wie sie hinter einer Lobhudelei über Scooters Kirmes-Disco-Sound steckt, oder meinem Faible für Atzen-Pogo. Wie dem auch sei, Herr Schindler bringt mich zum Schmunzeln. "Du bist schwer zu knacken wie das Rätsel auf der Packung von den Cini Minis."

Einzig der Versuch, ernsthaft (oder doch ironisch?) darüber nachzudenken, ob das viele Geld seinen Charakter verändert und er dafür in der Hölle landet, passt weder zu Shindy noch zum Gesamtkonzept des Albums. "Fahr' kein Auto ohne Stern oder ohne Pferd / Was ist das Leben ohne Rolex wert? / Was wird aus den Kids, wenn das die Message ist? / Wer sagt, dass das überhaupt die Message ist?" In einem ansonsten nur von Oberflächlichkeiten aufgeladenen Album wirken solche Zeilen unangenehm deplatziert ("31. Dezember").

"Dreams" unterhält mich, zumindest phasenweise, trotz meiner Vorurteile erstaunlich gut. Mir hätten statt 15 auch locker zehn Songs gereicht. Die immer gleiche Thematik macht daraus jetzt auch kein Album für die Jahres-Besten-Listen (auch wenn Shindy das behauptet: "Nicht zu diskutieren, hier das Album of the year." Trotzdem gelingen ihm hier und da reimtechnische Überraschungen, die dann jedoch leider schnell an Glanz verlieren, wenn man danach sowas in den Ohren hat: "Shindy for President - make rap great again!"

Labelboss Bushido bleibt zwar zwei Mal ziemlich blass, das hier möchte ich aber nicht vorenthalten: "Vollbart, Rapolymp, schieß' auf euch – Zeusblitze / 100k-Banktransfer, Verwendungszweck: Koifische." Vielleicht stammen diese Zeilen auch aus Shindys Feder, wer weiß das schon? Festzuhalten bleibt: Die Fanfaren-begleiteten "Statements" machen Bock, genauso wie die ganze Platte rund und frisch wirkt. Wären da nur nicht diese Santoz-Hooks. Die klingen schlimmer als schlecht geölte LKW-Bremsen oder eine Horde Flöte-spielender Drittklässler. Macht nix, schließlich: "Der Neid ist real, denn der Hype ist real / Und jetzt hatet mein'n Kleidungsstil."

Trackliste

  1. 1. Kudamm x Knesebeck
  2. 2. Family First
  3. 3. Roli
  4. 4. Hallelujah feat. Rin
  5. 5. Dreams
  6. 6. Heartbreak Hotel
  7. 7. Art of War feat. Bushido
  8. 8. Me, Myself & I
  9. 9. Playerhater feat. Ali Bumaye
  10. 10. Statements feat. Bushido
  11. 11. Monogramm
  12. 12. Zahlen
  13. 13. Laas Abi Skit
  14. 14. 31. Dezember
  15. 15. Eggs Benedict

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33 Kommentare mit 57 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    jau manu, wenn du das hier liest... ich wär dabei. erst arafat, dann die anderen beiden. #tagX

  • Vor 7 Jahren

    1/5 für das Album sollte klar sein, Musik für charakterlich kaputte Menschen.
    5/5 bekommt der gute Shindy dafür das er seine minderbemittelten Fans mit der Box abzieht, bei schlechter Laune einfach die Rezi's auf Amazon lesen.

    • Vor 7 Jahren

      ich bin charakterlich kaputt und höre lieber die neue superjoint :smoke: :cool:
      ich weiss nicht, ich hab jetzt auch kritiken gelesen. irgendwie symptomatisch was im deutschrap falsch läuft... klar es ist lustig, aber irgendwie tun mir die meisten käufer (fast) leid. ich meine, dass der abmahn-gangsta sich krummnasiger praktiken bedient ist seit langem klar, eigentlich müsste das auch jedem normalen menschen einleuchten, dass das für seine label-sklaven ebenso gillt.
      aber wenn da jetzt ein 13 jähriger halt echt sein taschengeld opfert, anstelle diesen schund raubzukopieren... tja life sux
      bei armatus liegt wenigstens hin und wieder mal ne patronen oder blut in der plattenhülle

    • Vor 7 Jahren

      Schon ulkig, das EGJ Camp kam mit so vielen Dingen durch (anbandeln mit organisierter Kriminalität, Beleidigung, Ghostwriter Vorwürfe, Abmahnung, etc.) und stolpert am Ende einfach über einen billigen Rucksack. Haha.