laut.de-Kritik

Mieze und Co. setzen ihren Sinkflug fort.

Review von

Keiner rockt wie Mia! Zumindest nicht auf dem Darmstädter Schlossgrabenfest 2004. Im Grunde ging damals alles schief, was bei einem Konzert schief gehen kann. Es regnete, die Anlage fiel aus, Mieze Katz' Mikro zickte durchgehend und hinter der Bühne zog ein düsteres Gewitter auf. Doch all diesen Unsäglichkeiten begegnete die Band mit Zorn im Bauch und einer Wucht, wie ich sie bei Mia vorher nicht für möglich gehalten hatte. Als hinter der Bühne Blitze im Minutentakt den Nachthimmel durchbrachen, bildete das Weltuntergangsszenario das perfekte Umfeld für wütende Interpretationen von "Machtspiele (Ich Tanz Drauf)" und "PRO Test". Das war kein schlichtes Konzert. Das war ein von unzähmbarer Energie durchflutetes Happening, das das Publikum in einen Zustand von Trance und Lust versetze.

2015 droht mir für diese Anekdote die Zwangsjacke. Das glaubt mir doch kein Mensch mehr! Die Gähnfabrik "Biste Mode" setzt den seit Jahren andauernden Sinkflug der fettnäpfchenerprobten Berliner fort. Ihre Live-Energie konnten sie nie auf Platte bannen, aber was sie zuletzt mit "Willkommen Im Club" und "Tacheles" ablieferten, hatte den muffigen Charme von Omas Häkeldeckchen. "Biste Mode" tanzt unter der bereits sehr niedrig angelegten Erwartungshaltung Limbo.

Mia funktionieren im Grunde ganz einfach. Um sich von der Masse abzusetzen, bedient man sich an dem Jahrzehnt, das im Augenblick der Veröffentlichung den größten Ekelfaktor in sich trägt. Auf "Hieb Und Stichfest" schockten 2002 noch die schultergepolsterten Achtziger. Rainer Henze fiel fast in Ohnmacht. Jetzt, wo der Drops endgültig gelutscht ist, greift man eben auf die Neunziger zurück. Wie innovativ. Dabei treiben andere die Sau schon seit einer ganzen Weile durchs Dorf.

Wild mit den Armen fuchtelnd und arg konzeptlos rennen Frau Fellnase und ihre drei Jungs in sämtliche Richtungen. Ein Ziel kennen sie nicht. In "United States Of Ich & Du" wagen Mia Elektro-Machtspiele mit ihrer Vergangenheit, bleiben aber altbacken und zahnlos. Die Selbstzitate "Sekunde" und das qualvoll jodelnde "Lauffeuer" geraten blutlos.

Mit "Queen", "Du Wirst Vermisst" und "Berg & Tal", bietet Madame Zeckentaxi, deren Nina Hagen-Werdung munter fortschreitet, erbärmlichen Kirmestechno im Stil von David Guetta und ihrem DSDS-Nachfolger DJ Antoine. In diesem Umfeld fällt selbst der schlageresque Titelsong "Biste Mode", in dem Mieze Katz' Stimme ein leichter Hauch Hildegard Knef umweht, positiv auf.

Nicht erst während "Schick Mich", dem Duett mit dem Ex-Polarkreis 18-Sänger Felix Räuber, würde man sogar lieber einer Frida Gold-Platte lauschen. All die bisher überstandenen Qualen sind jedoch nichts im Vergleich zu der Hölle, die einen in dem mit Tangowerk entstandenen "Geld" erwartet. Ein achtminütiges und komplett dumpfbackiges Wirrwarr, das so gerne Genre-Grenzen einreißen möchte, aber nur plump, blind und Kopf voran gegen Mauern rennt. "Geld Geld Geld Geld, Autos Autos Autos Autos, Geld Geld Geld Geld, Aaaaaaaah." Wow! Welch brillant geäußerte Gesellschaftskritik. Ich ziehe meinen Hut.

Längst auf einer Stufe mit Nena, Silbermond und Juli angekommen, bleibt die größte Frechheit an "Biste Mode", dass uns Mia diesen geschmacksunsicheren Schlonz hochnäsig als wahrhaftige Alternative verkaufen wollen. Den einzigen Unterschied stellt jedoch nur die schlechte Produktion dar. Als positive Erkenntnis bleibt, dass das nächste Album nur schwer noch schlechter ausfallen kann. Bis dahin gilt allerdings: No Cat Content.

Trackliste

  1. 1. Lauffeuer
  2. 2. United States Of Ich & Du
  3. 3. Biste Mode
  4. 4. Berg & Tal
  5. 5. Sekunde
  6. 6. Queen
  7. 7. Nein! Nein! Nein!
  8. 8. Vielleicht Bleib Ich
  9. 9. Brunowitzjacke
  10. 10. Speedo
  11. 11. Nachtgestalten
  12. 12. Du Wirst Vermisst
  13. 13. Einmal Mehr
  14. 14. Schick Mich
  15. 15. Geld

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7 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Irgendwie hätte ich Lust, mit der Mietze Katz mal einen Abend zu verbringen. Ehrlich keine Ahnung, was mich immer auf diesen Gedanken bringt. Könnte irgendwo ziemlich verrückt, aber lustig werden. Aber dann ist auch genug ... irgendwo hasse ich mich für diesen Gedanken.

  • Vor 8 Jahren

    Ist das Zeitgeist-Tralala, dass von der Zeit überholt wurde? Ähnlich wie bei den Prinzen? Ich hab mir Mia nie angehört, aber zum nebenbei hören, ist das Album doch ganz okay. So auf den ersten kurzen Hörer. Warum ist es schlecht produziert? Also für meine Ohren klingt es handwerklich okay gemacht.

    Ich mag Mieze Katz nicht besonders seit DSDS. Dort wirkte sie arrogant und unsympathisch. Wünsche trotzdem viel Erfolg mit dem Album. Alles gut!