laut.de-Kritik

Die beste Mastodon-Platte 2017.

Review von

Im Vorfeld des Releases von "Emperor Of Sand" hörte man aus dem Mastodon-Lager Stimmen, die davon sprachen, genug Material für ein Doppelalbum zu haben. Letztendlich veröffentlichte die Band Platte sieben aber doch in normaler Länge. Dafür war plötzlich die Rede von einem möglichen Soloalbum Brent Hinds' namens "Cold Dark Place". Auch das entpuppte sich nun als falsche Fährte, da auf dem Cover eben doch der Bandname prangt. Treibende Kraft hinter der EP scheint aber trotzdem Hinds zu sein. Seine Vocals und Leads dominieren die vier neuen Songs und der selbsterklärte 'Metalhasser' frönt der ruhigen – aber auch düsteren – Seite seines musikalischen Schaffens.

Warum "North Side Star", "Blue Walsh", "Toe To Toes" und "Cold Dark Place" nicht auf "Emperor Of Sand" erschienen, wird schnell klar. Auf dem Album liegt der Schwerpunkt auf verscherbelten Uptempo-Riffs. Die EP dagegen zieht ihren Reiz aus Atmosphäre und Melodien. Damit offenbaren sich stärkere Parallelen zum dicht gewebten Vorgänger "Once More 'Round The Sun" und den schwermütigen Ausreißern auf "The Hunter" ("The Hunter", "The Sparrow"), setzt in punkto Tiefe aber sogar noch einen drauf.

Beinahe omnipräsent ist die Akustikgitarre, die stets als wichtigstes Element der Arrangements die Basis für den Songaufbau legt. Gerade der eigentlich rockigste Track "Toe To Toes" profitiert enorm von den Akustik-Einspielern, die Mastodon als Klebstoff zwischen hektische Tapping-Rotationen schmieren. Dadurch stellt sich ein gewisser Country-Vibe ein. Handclaps verstärken diesen Eindruck. "Toe To Toes" ist der Lichtblick im ansonsten eher hoffnungslosen "Cold Dark Place".

Am Mikro kosten Hinds und Co. lange Seufzer aus. Nur in "Blue Walsh" reißt Troy Sanders kurz aus und bellt – angestoßen durch einen kurzen Schlagzeug-Anschieber Brand Dailors. "North Side Star" und der Titeltrack dagegen verharren in Wehmut. Was aber nicht heißt, dass Mastodon Abwechslung vermissen lassen. Der Opener beginnt als ausstaffiertes Singer/Songwriter-Stück, in das sich sogar eine einsame Trompete verirrt. Einige Folk- und Bluegrass-Anleihen später findet man sich in einem grimmigen Percussion-Groove wieder. Die Gitarren setzen zum southern-bluesigen Outro-Lead an: Lynyrd Skynyrd lassen grüßen. Stilistisch festnageln lässt sich "North Side Star" nicht und gerade das macht ihn zum wahrscheinlich besten Mastodon-Song des Jahres.

Den Höhepunkt ihrer Melancholie erreicht die Band im Titelsong. Die Akustische legt Hinds dafür gar nicht mehr aus der Hand. Bis zum Schlusspart, in dem ein kurzes, metallisches Aufbäumen sie in den Hintergrund drängt, gibt sie den Ton an. Es würde mich nicht wundern, wenn Hinds sich in Live-Situation für diesen Track allein auf die Bühne setzt. Denn außer gelegentlichen Schlagzeug-Akzenten und verhaltenen Atmo-Leads verzichtet man auf Sperenzchen. Letztere sind allerdings so geschickt eingesetzt, dass trotz der reduzierten Instrumentierung ein dichter Klangteppich entsteht. Als dann nach über vier Minuten doch noch der Sturm losbricht, krönt Hinds diesen mit einem ekstatischen Gitarrensolo.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Mastodon verzichten auf "Cold Dark Place" nicht auf komplexe Riffs und Brann Dailors Schlagzeug-Extravaganz. Doch darüber breiten sie ein Tuch aus, dass viel der sonst bisweilen vorherrschenden euphorischen Energie schluckt, was der Gesamtatmosphäre keinesfalls schadet und die EP einem stimmig Konzept unterordnet. Selten klangen Mastodon so filigran wie hier. Mit Metal hat das zwar im Kern nur noch wenig zu tun, der kompositorischen Vielfalt schadet das aber bestimmt nicht.

Trackliste

  1. 1. North Side Star
  2. 2. Blue Walsh
  3. 3. Toe To Toes
  4. 4. Cold Dark Place

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