laut.de-Kritik

Ein hypnotisches Klangerlebnis mit Potential zum Klassiker.

Review von

Den Klängen der mittlerweile in Los Angeles lebenden Komponistin, Musikerin, Sängerin und Produzentin Kaitlyn Aurelia Smith haftet seit jeher etwas Nostalgisches an. Mit ihren von Terry Riley und Philip Glass inspirierten, repetitiven Synthesizermodulationen hat sie nicht nur im elektronischen Bereich viele Hörer begeistert. Nach dem hochgelobten Vorgänger "EARS" und der überaus gelungenen Kollaboration "FRKWYS Vol. 13: Sunergy" mit Suzanne Ciani erscheint mit "The Kid" nun ein Konzeptalbum.

In den modernen Zeiten von Streamingdiensten will sie damit vor allem die Vinylhörer ansprechen. Auf insgesamt vier LP-Seiten wendet sich die US-Amerikanerin den Stadien der Lebensdauer des Menschen zu, von der Geburt zum ersten Bewusstsein des Ichs über die Identitätsformung bis hin zum Alter und dem damit verbundenen und abschließenden Tod. Schon der formale Aufbau orientiert sich stark an frühe Elektronik-Vorbilder aus den 70er-Jahren wie Tangerine Dream und Jean Michel Jarre.

Musikalisch greift die 30-Jährige auf klassische Synthesizermodelle wie den Buchla 100 und den EMS Synthi 100 zurück. Digitale Software wie Ableton Live hat sie bisher nur sporadisch genutzt, und wenn, nimmt man es in dem Soundbild ohnehin kaum wahr. Akustische Instrumente wie Flöte und Klarinette setzt sie eher akzentuiert und sparsam ein. Im Mittelpunkt rückt deshalb der häufig verfremdete Gesang von Kaitlyn Aurelia Smith, der sich auf eigentümliche Weise mit den kreisenden Synthie-Motiven verbindet.

Bei "An Intention" glaubt man wegen der verhuschten Stimme der in Orcas Islands im Bundesstaat Washington aufgewachsenen US-Amerikanerin zunächst, es könnte sich um ein Stück von Fever Ray handeln. Durch die einfache und folkig anmutende Melodieführung weist dieser Track eine angenehme Unaufdringlichkeit und Schüchternheit auf und bildet dadurch das Highlight auf der ersten LP-Seite.

Im weiteren Verlauf kommen auf diesem Album verspieltere Elemente hinzu. Die Geräusche, die Kaitlyn Aurelia Smith ihren Maschinen entlockt, hüpfen und springen oftmals herrlich wild und verplant durch die Lautsprecher, wie "In The World" beweist. Somit besitzt "The Kid" etwas erfreulich Unperfektes und Spontanes. Weiterhin lässt ihr Gesang an vielen Stellen an kindliche Onomatopoesie denken.

In "I Am Learning" auf der zweiten LP-Seite sucht sie nach Worten oder eher nach Lauten, um mit den vielen Möglichkeiten, emotional zu reifen und einen individuellen Lebensweg einzuschlagen, umzugehen. Dabei erinnert ihre Stimme zu stolpernden Maschinenklängen an eine unbeschwert-naive Kate Bush. Dass ihre Musik in progressiven Kreisen einen hohen Stellenwert genießt, hört man in diesem Song deutlich heraus.

Ebenso findet man auf der dritten LP-Seite mit "Who I Am & Why I Am Where I Am" eine schöne und besänftigende Instrumentalnummer. Die sich wiederholenden Töne des EMS-Synthi-100 lassen genug Raum zur Selbstreflexion, klingen aber, je weiter dieses Stück voranschreitet, tänzerischer und markieren somit einen Übergang in die von Vergänglichkeit geprägte finale Phase der menschlichen Existenz.

Vor allem barocke und schwere Sounds durchziehen die letzte LP-Seite. Mit den majestätischen Trompetenarrangements, den tiefen Cellosektionen und dem meditativen Spiel diverser Holzbläser, eingespielt von dem in Berlin ansässigen Stargaze Quartet, rückt Smith atmosphärisch in die Nähe eines Philip Glass.

In dem großartigen Abschlusssong "To Feel Your Best" singt sie im Refrain: "One day i'll wake up and you won't be there." Thematisch regt diese Nummer dazu an, sich mit dem Gefühl der Trauer und der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. Die akustischen Klänge assoziieren am Ende ein friedliches Hinübergleiten in die ewige Dunkelheit.

Mit den tiefgründigen Texten erzählt Kaitlyn Aurelia Smith auf "The Kid" von dem natürlichen Kreislauf des Homo sapiens. Ihre Musik entfaltet dabei eine unnachahmliche Sogwirkung. Prog-, Art-Pop-, Krautrock- und New-Age-Hörer und Liebhaber der Neuen Musik sollten sich also gleichermaßen auf diese Platte einigen können. Die Grenzen der elektronischen Musik hat sie spätestens mit diesem Werk mit Potential zu einem zukünftigen Klassiker überwunden.

Trackliste

  1. 1. I Am A Thought
  2. 2. An Intention
  3. 3. A Kid
  4. 4. In The World
  5. 5. I Am Consumed
  6. 6. In The World, But Not Of The World
  7. 7. I Am Learning
  8. 8. To Follow & Lead
  9. 9. Until I Remember
  10. 10. Who I Am & Why I Am Where I Am
  11. 11. I Am Curious, I Care
  12. 12. I Will Make Room For You
  13. 13. To Feel Your Best

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