laut.de-Kritik

Die Würde des Menschen ist antastbar.

Review von

Die Würde des Menschen ist antastbar. Zumindest Heinos Würde. Auf die setzen alle Beteiligten, ihn selbst eingeschlossen, seit Jahren einen dampfenden Haufen nach dem anderen. Wer dachte, der Barde der Nation könne nach alldem wirklich nicht mehr tiefer sinken, sieht sich so brutal getäuscht wie alle, die seinen Abschiedsgruß für bare Münze genommen haben.

Nee, Stichwort "bare Münze": So lange sich noch irgendein Fitzelchen Profit aus ihrem Euter pressen lässt, muss auch die greiseste Cashcow erneut aufs dünne Eis. Wieder, wieder und wieder. Man könnte fast Mitleid bekommen, mit dem alten Mann, der sich da ganz offensichtlich wie ein Tanzbär am Nasenring durch die Manege zerren lässt.

Aber nur fast. So er es denn partout nicht wollte, müsste er diese erbärmliche Posse ja nicht mitmachen. Falls er nicht massiv ungeschickte Business-Entscheidungen getroffen hat, dürfte er in den vergangenen Jahrzehnten doch wahrlich genug Kohle gescheffelt haben, um es sich zusammen mit seiner Hannelore in den paar Jahren, die ihnen noch bleiben, hübsch gemütlich zu machen. Wenn er unbedingt noch singen und auftreten will, fände sich doch bestimmt irgendein angemessener Rahmen dafür. Der wäre nur wahrscheinlich lange nicht so lukrativ, wie dieses Schmierentheater hier.

Hiernach braucht Heino wirklich nicht mehr zu versuchen, irgendjemandem irgendetwas von Liebe zur Musik oder zu deutschem Liedgut vorzugaukeln. "Lieder Meiner Heimat" lässt jede Liebe auf dem Altar des Kommerz in lodernden Flammen aufgehen. Diese Platte ist ein von vorne bis hinten durchkalkuliertes Geldscheffel-Projekt, das keinen Funken Energie mehr darauf verschwendet, diesen Umstand auch nur ansatzweise zu verschleiern.

Es geht weder um die "Kunst" (die eh schon lange weinend das Weite gesucht hat) noch um den "Spaß an der Sache", den Heino zu haben oder die "Freude", die er zu verbreiten behauptet. Es geht auch nicht um "Heimat", was auch immer Heino darunter verstehen mag, nee. Es geht einzig und allein um Aufmerksamkeit, und die beschafft man in ohnehin schon aufgeheizten Zeiten am verlässlichsten über Empörung. Um die zu generieren, drückt der vorliegende Mulm schmieriger Saufi-Saufi-Ficki-Ficki-Ballermann-Mitgröl-Zumutungen, den irgendjemand auf dem siffigen Boden eines Bierzelts zusammengefegt haben muss, natürlich genau die richtigen Knöpfe. Mit Sexismus und Deutschtümelei hat man hierzulande noch immer die Massen gekriegt, auf beiden Seiten.

Die einen empören sich über das Frauenbild oder das ungehemmte Ranwanzen an den rechten Rand (zumindest letzteres sollte eigentlich nicht überraschen, zieht es sich doch wie ein schwarzbrauner Faden durch Heinos komplette Karriere, selbstverständlich immer mit unschuldigem Hab'-ich-nicht-gewusst oder Hab'-ich-nicht-so-gemeint abgewiegelt. Um ihm das abzunehmen, ist es aber einfach zu oft passiert), die anderen empören sich über die Empörung, reißen Witze über Wokeness und politische Korrektheit und räkeln sich in selbstgefälligem Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen. Klar, ihr dürft alles sagen. An mancher Äußerung zeigt sich dann halt bloß, wes Geistes Kind eine*r ist.

Wer auch immer diesem Album seinen Titel verpasst und die Tracklist zusammengestellt hat, hatte zweifellos genau diese beiden Reaktionen im Sinn. Die Genugtuung, ihrem Konzept in der einen oder anderen Weise auf den Leim zu gehen, möchte man diesen Menschen eigentlich nicht geben. Sich dem zu entziehen, entpuppt sich aber als unmöglich. Versuchen wirs, obwohl es angesichts der Alkoholismus-Verherrlichungs-Parade extraschwer fällt, trotzdem erst einmal nüchtern:

"Geh Mal Bier Hol'n" eröffnet den Reigen nämlich ziemlich angemessen. Erstens werden wir es brauchen, viel davon, um halbwegs unbeschadet zu ertragen, was noch droht. Zweitens zeigt gleich dieser Song, welch künstlerischer Offenbarungseid hier geleistet wird. Heinos unikater Gesang mit teutonisch rrrollendem Rrr wirkt, prominent in den Vordergrund gemischt, noch immer kraftvoll. Was angesichts der Schwachbrüstigkeit des Instrumentals aber keine große Kunst ist: Wirklich faszinierend, WIE saftlos sich Bierzelt-Humptata-Sound abmischen lässt. Man meint, Heino ließe sich da von einem billigen Alleinunterhalter den Rücken freihalten. (Ich möchte wirklich nicht ausschließen, dass es sich genau so verhält.)

Dieses Problem zieht sich durch, vollkommen wumpe, ob Heino gerade Ballermann-Schlager ("Dicht Im Flieger", "Johnny Däpp"), Karnevals-Quatsch ("Das Rote Pferd"), eine sackblöde Coverversion von "I Am Sailing" ("Ich Bin Solo") oder sexistischen Scheißdreck ("Zehn Nackte Friseusen", "Layla", "Olivia", ...) abarbeitet. "Singen" kann man das in seiner totalen Emotionslosigkeit kaum noch nennen. Dafür bräuchte es ja irgendeine Regung, und davon birgt "Lieder Meiner Heimat" genau Null.

Das macht zwar einerseits die gesprochenen Ansagen, Intros und "Witzigkeiten" zwischendurch schwer zu ertragen, weil sie (kaum vorstellbar zwar, aber isso) noch unauthentischer und hölzerner rüberkommen als die gesungenen Parts. Zum anderen ist innere Versteinerung wohl einfach zwingend erforderlich, damit ein 84-jähriger Mann, zudem ein arrivierter Schlager- und inzwischen längst Pop-Star von den "Bullen" singen kann, die vor der Tür stehen, um die "Mucke leiser" zu drehen, von jungen Frauen, die nur noch die Schuhe anhaben, von schöneren, jüngeren, geileren Puffmüttern, von Fingern in Pos und davon, dicht in irgendeinem Billigflieger zu sitzen, ohne dabei vor Scham im Erdboden versinken zu müssen.

Bei einem langsamen, etwas balladigeren Song wie "Cordula Grün" gehts noch halbwegs. Wenn das Tempo anzieht, wie in im unsäglichen "Hulapalu" oder "Sie Hatte Nur Noch Schuhe An", entsteht der Eindruck, das Instrumental treibe den Opa, der versucht, sich darin zurechtzufinden, gnadenlos vor sich her. Überhaupt, "Hulapalu", Jesus Christus! Mit Andreas Gabalier auch wieder schön die rechtsoffene und offen rechte Klientel abgeholt, von der es in diesem Land ja reichlich gibt, wie Umfragewerte täglich frisch offenbaren. Die kann sich dann gleich so richtig im Vaterlandsstolz suhlen, begleitet von "Liedern Meiner Heimat", my ass. Aber wer dafür Anlässe findet, hält ein gutes Dutzend Ballermansongs, die Zweitverwertung ihrer Titel auf der Melodie von "An Der Nordseeküste" und einen Track eines gestrigen Österreichers wahrscheinlich wirklich für akustische germanische Nationalheiligtümer.

Kein Wunder, dass auf die musikalische Umsetzung niemand einen feuchten Furz gegeben hat. Jedes bisschen Aufwand dahingehend wäre total verschwendete Liebesmüh' gewesen. Kein Wunder, dass auch die Backgroundsängerinnen wie lebende Tote wirken. Sind das überhaupt echte Frauen oder echot da ein computergenerierter Chor?

Alter, Heino, wie tief kann man sinken?

Tief, anscheinend. Sehr, sehr tief, und ist man erst weit genug unten, spürt man offenbar gar nichts mehr. Dort angekommen, ist einem nichts mehr peinlich. Die teils fragwürdigen, größtenteils aber schlicht strunzblöden Texte nicht, nicht die lieblose musikalische Umsetzung, und schon gar nicht der Umstand, dass man keine einzige dieser dämlichen Zeilen auch nur annähernd glaubwürdig transportiert bekommt. Letzteres spräche sogar irgendwie für Heino, steckte sein Karren nicht längst so tief im Dreck, dass es wirklich keinen Unterschied mehr macht, wie er sich in diesem Morast schlägt.

Trackliste

  1. 1. Geh Mal Bier Hol'n
  2. 2. Zehn Nackte Friseusen
  3. 3. Dicht Im Flieger
  4. 4. Johnny Däpp (Ich Will Mallorca Zurück)
  5. 5. Layla
  6. 6. Mama Laudaaa
  7. 7. Cordula Grün
  8. 8. Finger Im Po - Mexiko Paris - Athen - Auf Wiedersehen
  9. 9. Hulapalu
  10. 10. Sie Hatte Nur Noch Schuhe An
  11. 11. Olivia
  12. 12. Das Rote Pferd
  13. 13. Schatzi Schenk Mir Ein Foto
  14. 14. Ich Bin Solo
  15. 15. Lieder Meiner Heimat

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