laut.de-Kritik

Nur Jeezy trappt härter.

Review von

Ob MoTrip, Nicone oder Animus: Er hat sie gepusht, sie haben ihn verraten. So lautet zumindest Flers Version der Geschichte - eine Geschichte, die sich in den letzten Jahren seiner Karriere häufig wiederholte. Irgendwie hatte Patrick Losensky mit so ziemlich jedem deutschen MC schon mal etwas zu tun: "Wenn es um Connection geht, bin ich die Deutsche Telekom."

Für sein zehntes Solo-Album "Neue Deutsche Welle 2" entledigt sich Fler erneut einiger falscher Spieler in seinen Reihen und verlässt sich neben den erprobten Begleitern Silla und G-Hot vor allem auf einen: sich selbst. Zwischen Snitches, Schnorrern und Schauspiel-Rappern ist nach all den Jahren schließlich nur einer übrig geblieben: der "Junge Mit Charakter".

In dem über sechs Minuten langen Ungetüm gleichen Namens rechnet Fler sowohl mit langjährigen Weggefährten als auch ewigen Rivalen ab: Bushido bekommt genauso sein Fett weg wie "Felix Blume", die "Edelhure", während Farid Bang nur müde belächelt wird: "Farid hatte Glück mit seiner Marktlücke / Idiotenrap für Hartz-Krüppel."

Die Wahrheit hinter all den Anschuldigungen bleibt dem Hörer zwar vermutlich auf ewig verschlossen, aus erzählerischer Sicht liefert Fler hier aber eine Glanzleistung ab. Den klaren roten Faden von den Anfängen bei Aggro bis zu den jüngsten Konflikten innerhalb der Maskulin Group spinnt Flizzy bewusst nicht entlang akrobatischer Worthülsen, sondern mit knallharten und direkten Lines.

Auf die starke Abrechnung setzt Fler, der auf dem letzten, lustlos wirkenden Maskulin-Mixtape noch mit dämlichen Hashtag-Lines übers Pumpen nervte, aber noch einen drauf. Mit "Zurück Aus Bonnys Ranch" gelingt ihm sein persönliches "Cleaning Out My Closet": "Ich komme heut' nach Hause und mach' wieder Stress, Mama / Lange nich' gesehen, ich hoff' es ging dir schlecht, Mama." Klapse, Heim, Payback - die lyrische Rache an der eigenen Mutter markiert nicht nur dank des epischen Beats ein klares Highlight.

Überhaupt erweist sich das von Brisk Fingaz, Iad Aslan und Booba-Lieferant Therapy produzierte Soundgerüst als einzige Wucht. Man möchte fast sagen: Nur Jeezy trappt härter. Dass Flizzy ein Phänomen, das in den USA seit Jahren einen Mega-Hype erlebt, auch in Deutschland etablierte und hierzulande nach wie vor die größten Trap-Bretter im Repertoire hat, steht außer Frage: "90 BpM, hier habt ihr sie."

Von "Hipster Hass" über "Gangster-Rap 2.0" bis hin zu "Ein Kugelsicherer Jugendlicher" feuert der perfekt gemeisterte Hybrid aus "CCN"-Sound und Jeezys "Let's Get It: Thug Motivation 101" denkbar mächtig aus den Boxen. Die Eighties-Anleihen in "Weisser Tupac" und das zurückgelehnte "Vermischt Mit Dem Betong" bieten dennoch willkommene Abwechslung.

Was auf produktionstechnischer Ebene funktioniert, setzt sich auch lyrisch fort: Fler perfektioniert die Amerikanisierung seines eigenen Sounds von Album zu Album und macht Rockys "PMW (Pussy Money Weed)" zum Deutschrap-Banger. Das ruft anfangs vielleicht Skepsis hervor, ist musikalisch und sprachlich aber nicht mehr oder minder dämlich als der Hit, der vor zwei Jahren noch weltweit gefeiert wurde. Tatsächlich liefert A$AP Fleezy mit "Drogen, Nutten Und Cash" sogar ein recht unterhaltsames Pendant ab.

Wer sich dennoch am repetitiven Autotune-Part stört, sollte sich so einige Hooks lieber gar nicht erst anhören. Die gehören nach wie vor nicht unbedingt zu Flers Stärken, was aber nur in wenigen Tracks wirklich auffällt. "Level" und "Businessman" übertreiben die ständige Wiederholung stupider Catchphrases wie "Bei mir läuft Junge" dann doch sehr. Und "Ich bin dein Schutzengel / Ich nehm' dich in Schutz, Engel" macht den gleichnamigen Track auch nicht wirklich besser.

2014 gibt es im Hip Hop aber natürlich Schlimmeres als lahme Hooks: Fitness-Rap. In Zeiten, in denen MCs lächerliche Workout-Programme verhökern und Shirts verkaufen, die sogar im Bierkönig als besonders geschmacklos auffallen würden, sollte eigentlich jeder genug haben von Zeilen über MC Fit, Kreatin und Massephase. "Ihr ganzen Opfer trainiert nur wegen Frank White." Da mag Fler zwar Recht haben. Dann trägt er aber auch Schuld daran, dass Anfragen nach Presse-Fotos neuerdings mit dem Zusatz "möglichst mit Oberteil" verschickt werden müssen.

Glücklicherweise beschränkt sich der Hantelbank-Flow auf "Ihr Habt Uns So Gemacht", ansonsten greifen nur vereinzelte Zeilen den Fitness-Hype auf. Genau wie die Thematik des "Stabilen Deutschen". Die hat schon der erste Teil von "Neue Deutsche Welle" dermaßen ausgeschlachtet, dass sie mittlerweile kaum noch Diskussionen über Flers angebliche Gesinnung auslöst.

Auch "Hipster Hass" funktioniert als Provokation eher weniger. Ob ausgerechnet MC Fitti eine solch ernste Wahrnehmung und den daraus resultierenden Diss verdient hat, scheint zumindest fraglich. Die hin und wieder einigermaßen unterhaltsam verarbeiteten Klischees schlagen ansonsten in eine längst abgearbeitete Kerbe: "Was du arbeitest? Irgendwas mit Medien / Du neopostmodernes, enge Hosen tragendes Alien."

Letztlich schaden einige Aussetzer der imposanten Rückkehr von Deutschraps Frank White aber kaum. Mit Triple A-Beats und knallharter Straßen-Attitüde zeigt "NDW 2" einen Fler in Hochform, dem hinsichtlich Authentizität auch 2014 kaum jemand etwas vormacht.

Trackliste

  1. 1. Weisser Tupac
  2. 2. Hipster Hass
  3. 3. Stabiler Deutscher
  4. 4. Zurück Aus Bonnys Ranch
  5. 5. Ihr Habt Uns So Gemacht
  6. 6. Gangster-Rap 2.0
  7. 7. Schutzengel
  8. 8. Businessman
  9. 9. Junge Mit Charakter
  10. 10. Drogen, Nutten Und Cash
  11. 11. Level
  12. 12. Im Auge Des Sturms
  13. 13. Im Ghetto Kennt Mich Jeder
  14. 14. Vermischt Mit Dem Betong
  15. 15. Ein Kugelsicherer Jugendlicher

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14 Kommentare mit 41 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Karriere wurde trotzdem zerstört. Fler kriegt auch 2104 noch Karotten in den Arsch.

    • Vor 9 Jahren

      Naja, ne zerstörte Karriere wäre z.B. MC Rene gewesen. Fler released stetig, verkauft "ok", hat ne treue Fanbase und regelt nebenher noch seinen Klamottenkram und Fitness-Mittelchen. Zerstört kommt er mir beim besten Willen nicht vor. Wobei ein Kollegah ihn natürlich von Verkäufen und Fanbase überdeutlich überholt hat, keine Frage.
      Und das sollte eine relativ objektive Sichtweise sein.
      Kann mit seiner Musik so gut wie nichts anfangen, mit der des vermeintlichen Zerstörers (und seinem Image) allerdings noch weniger.
      Die Karottengeschichte ist heute wie damals lediglich ein Gerücht (an dem sich Hater aufgeilen).
      Nein, keine Diskusison von Nöten. ;)
      Album interessiert mich nicht.

    • Vor 9 Jahren

      boah, ey, ich steh' ja wohl wirklich kaum in verdacht, ein flerfan zu sein. aber diese karottenscheiße kann ich echt nicht mehr sehen. wenns nicht stimmt, isses dämlich, wenns stimmt, einfach so wahnsinnig unterirdisch, das als beleidigung zu verwenden, dass mich die geschmacklosigkeit derer, die das trotzdem tun, echt im strahl kotzen lässt.

    • Vor 9 Jahren

      Irgendwie muss man doch Flers verkniffenen Gesichtsausdruck erklären können.

    • Vor 9 Jahren

      Geht mir persönlich bei allen Running Gags von Kollegah so. Ob Beine nicht trainiert werden, vom Salat der Bizeps schrupft oder die Karottenstory, das war alles meistens nur semilustig und inzwischen nervt es nur. Zum Fler Album: Für mich irrelevant.

    • Vor 9 Jahren

      @freddy: Danke dafür!!!

    • Vor 9 Jahren

      Freddy hat wohl Angst, mal wieder vom Patrick angerufen zu werden.

    • Vor 9 Jahren

      Hatte die Tracks neulich auf seiner Homepage angespielt, ein paar davon klangen sogar passabel. Könnte sich also tatsächlich um ein drei Punkte Album handeln; der Ton der Review wirkt allerdings an vielen Stellen befremdlich.
      Oder ist mit Authenzität dieses "Alle haben mich verraten und ich habe das und das mitgeprägt"-Gelaber gemeint? Oder so peinlicher Kram wie "Echte Männer" mit Lausbubenanhang Jihad? Tracks wie Nice? Spiegelbild? Ich hänge in Miami ab und lebe ein Luxusleben? Paragraph 31? Man weiß es nicht.

    • Vor 9 Jahren

      4/5 für die Beats, 2/5 für den Vortrag, anders kann ich mir die Wertung nicht erklären.

    • Vor 9 Jahren

      Die Beats sind teilweise echt ganz geil, der Rest ist halt Fler.

  • Vor 9 Jahren

    Also, ist das jetzt irgendein Wortspiel, das ich nicht peile, oder weiß bei Maskulin echt keiner, wie man "Beton" schreibt? Das is ja fast so geil wie damals Desos "Can´t stop want stop".

    • Vor 9 Jahren

      Wortverfremdungen und Neologismen sind im HipHop und Rap seit jeher usus.
      Auch wenn sie manchmal, wie hier, recht zweifelhaft und unnötig anmuten.

    • Vor 9 Jahren

      Ich glaube, die sind einfach relativ beschränkt.

    • Vor 9 Jahren

      @lautuser: So übertrieben seltsam wie Du immer den Trueschool-Papa raushängen lässt, frag ich ich mich echt, ob Du das ernst meinst, oder ob das irgendeine komische Torch-Parodie sein soll...

    • Vor 9 Jahren

      Jetzt werd mal nicht frech wenn der Erfinder des Hip Hop dir was erklärt.

    • Vor 9 Jahren

      Strulle: sorry, es ist nicht meine Absicht wie ein Torch rüberzukommen oder irgendwas raushängen zu lassen. Ich bin einfach so. :) Dachte meine Antwort passt halt genau auf Deine Frage, war ernst gemeint und sollte doch als Antwort ausreichen, oder?
      Ich denke man kann davon ausgehen, dass das "Betong" Absicht ist (im Gegensatz zu Desos Beispiel), auch wenn ich Dir zustimme, dass es völlig bekackt klingt.

    • Vor 9 Jahren

      Deso lebt seine Texte wenigstens! „Muslime sind die besten Geschöpfe der Welt!“ (Quelle: http://www.mopo.de/politik---wirtschaft/be…).

    • Vor 9 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 9 Jahren

      Ne, das sieht mir mal so gar nicht nach Absicht aus. Beton und Betong sind in einigen deutschen Dialekten homophon, ist im Südwesten beispielsweise ein verbeiteter Fehler. Auch ein Slang-Phänomen ist nur schwer auszumachen, da kaum generalisierbar, oder labern deutsche HipHopper bald am Telephong von der Protitutiong mit einem Bonbong im Mund?

    • Vor 9 Jahren

      Yeah! Bong-Style. Mich würde auch interessieren, ob Fler auch nur im Ansatz checkt, was es mit dem Begriff "Postmoderne" auf sich hat. Das check ich ja kaum, und ich bin ja laut Garret bekanntlich Langzeitstudent.