23. August 2017

"Ich bin ein verdammter Botaniker!"

Interview geführt von

Action Bronson veröffentlicht in naher Zukunft nicht nur sein neues Album "Blue Chips 7000", sondern auch ein Kochbuch, moderiert eine Snapchat-Dating-Show, verkauft Diner-Abende und spielt Gigs. Im Interview wirkt er trotzdem so gelassen, wie ein Mensch nur irgendwie wirken kann.

Neben all dem Drumherum verliert man immer mal wieder den Fokus darauf, dass Action Bronson eines der potenten Zugpferde des Untergrundraps in den 2010ern darstellt. Über zahlreiche Alben, Mixtapes und EPs sicherte er sich eine Position unter diesen Artists, die man zwar schwer einer konkreten Bewegung zuordnen kann, die dafür aber in der gesamten Szene Respekt und Anerkennung genießen.

Hinzu kommt, dass Bronson mit die besten Rap-Musikvideos produziert. Während Ästhetik und Attitüde durch und durch Oldschool sind, lassen sich mit seinen skurrilen und einzigartigen Kurzfilmen immer wieder Fans aller Sparten und Genres abholen. Dass dazu auch sein Flow und Pengame absolut auf der Höhe von Genregrößen sind, setzt dem nur die Krone auf.

Im Interview erzählt Action Bronson, wie er seine zahllosen kulinarischen wie cineastischen Nebenprojekte mit seiner künstlerischen Identität in Einklang bringt, gibt einen Einblick in sein Verhältnis zum Sampling und seine Arbeit mit Producer-Legende Alchemist und spricht nicht zuletzt auch über die Punk-Attitüde moderner Rapper, sein Feature mit Rick Ross und die 5.000 Dollar-Dates, die man seit neuestem auf seiner Homepage mit ihm erwerben kann.

Action Bronson: Gib mir noch einen Moment, die Jungs spielen hier gerade Videospiele auf ihren Handys. Die sind hier, um zu arbeiten und spielen verdammte Spiele auf ihren Handys! Wie geht es euch da drüben?

Fantastisch, und selbst?

Ich fühle mich großartig!

Du scheinst zur Zeit ja ziemlich ausgeplant zu sein; du veröffentlichst nicht nur dein neues Album "Blue Chips 7000", sondern auch das Kochbuch "Fuck, that's delicious". Aber trotz all der Arbeit fällt es schwer, sich Action Bronson im Stress vorzustellen. Genießt du so eine ausgeplante Zeit?

Absolut. Da ist gar kein Stress, den ich mir mache. Weißt du, am Ende des Tages soll es doch Spaß machen, und auch wenn der Kram manchmal verrückt ist – es ist eben, wie es ist, und man muss die guten und die schlechten Seiten nehmen, wie sie kommen. Irgendwie kommen die Dinge später nämlich schon richtig zusammen, daran muss man denken.

Klar, trotzdem habe ich mich gefragt – mit all diesen verschiedenen Themen und Projekten – wie fließt das alles in deine künstlerische Persönlichkeit? Ist Action Bronson sozusagen eine große Marke?

Nein, ich bin ein menschliches Wesen, eine Person, ich bin ich! Ich mache gerne viele verschiedene Sachen und glaube nicht, dass man mich in irgendeine abgegrenzte Schublade stecken sollte, ich bin da einfach ein Künstler.

Also machst du einfach, was du sowieso tun würdest und lässt das ungefiltert an die Öffentlichkeit heran?

Ganz genau. Ich bin ein Artist, ich bin ein Rapper, ich bin ein kulinarischer Künstler, ich bin ein verdammter Botaniker, ich bin all das. Ich liebe es, mich auf verschiedenen Feldern auszutoben. Ich bin Athlet, ich bin Liebhaber, ich bin Vater, ich bin Küsser, ein Umarmer, weißt du? Ich bin leidenschaftlich mit allem, was ich tue. Und niemand sollte genötigt werden, nur die eine oder die andere Sache zu sein. Man sollte Menschen einfach nicht in Schubladen stecken, vielleicht überraschen sie dich ja.

Also ist Action Bronson mehr als die Summe seiner Teile: Nicht Rapper, Koch, sondern deine gesamte Persönlichkeit?

Ich sage im Grunde nur, ich bin so viel mehr als nur eine Sache, ein Begriff.

Um ein wenig mehr ins musikalische Detail zu gehen: Auf der aktuellen Single zu "Blue Chips 7000" habt ihr einen siamesischen Funk-Song namens "Onuma Singsiri" von Mae Kha Som Tam gesamplet.

Ja, Tatsache!

In einem früheren Interview hast du erwähnt, dass du gerne selber die Samples heraussuchst und dann gewissermaßen exekutiv mit deinen Produzenten zusammenarbeitest. Ist das der Prozess, den wir auch auf dem kommenden Album erwarten können?

Das stimmt, ja. Ich versuche, die Exotik in alles hereinzubringen. Alles ist exotisch. Das ist einfach die Sorte Sample, die man erwarten kann, ich bereise die Welt selbst und nehme die Menschen dann überall mit hin, ich nehme sie nach Ägypten, nach Äthiopien, nach Italien, ich nehme sie nach Russland. Da sind einfach Samples von diesem ganzen verdammten Planten auf dem neuen Album zu finden.

Wo hast du die Samples aufgetrieben?

Ich habe gemeinsam mit Alchemist die Welt bereist und er ist ein fantastischer Sample-Digger. Ich habe verdammt viel von ihm gelernt, wenn es um diese Themen geht. Gerade World Music zu hören und sich damit auseinanderzusetzen. Da draußen gibt es so viel faszinierende Musik, die man hören kann und auf die man nachher auch rappen kann. Im Grunde liebe ich es einfach, Musik zu hören – und das ist der Punkt. Da ist es umso spaßiger und befriedigender, in diesen fremden und schwer aufzutreibenden Kram einzutauchen, ich liebe das. Es fühlt sich an, als würde man auf Gold oder Diamanten stoßen.

Und das Sampling bringt all diese Funde dann zusammen.

Ja, und was sie außerdem nachher zusammenbringt, ist meine Stimme auf den Beats. Es geht ja auch darum, alles zu seinem größten Potential zu bringen, es harmonisch klingen zu lassen.

Gab es dann eine konkrete Herangehensweise für "Blue Chips 7000"? Hattest du Sounds oder Themen im Hinterkopf oder habt ihr es einfach passieren lassen?

Ach, weißt du, die "Blue Chips"-Reihe kommt immer irgendwie zusammen. Ich mache es ganz normal, als würde ich eben ein Mixtape machen. Ich rappe einfach über die Beats, auf die ich gerade Bock habe und die mir gefallen, und am Ende kommt der Kram zusammen, weil ich ein gutes Ohr dafür habe, Dinge geschmackvoll und kunstvoll in einen Einklang zu bringen. Sie so zu arrangieren, dass sie Sinn ergeben. Naja – zumindest für mich. Und am Ende ist das auch alles, worauf es ankommt. Wenn es in meinem Kopf Sinn ergibt, dann, glaube ich zumindest, wird es in euren Köpfen nachher auch irgendwie Sinn ergeben (lacht).

"Der Song mit Rick Ross ist verdammter Next-Level-Shit!"

Das ist dann wahrscheinlich die Kunst daran. Aber zum Thema Arrangement-Entscheidungen: Neben alten Wegbegleitern wie Mayhem Lauren und Big Body Bes wird als einziges weiteres Feature Rick Ross auf dem Album vertreten sein. Wie ist das passiert?

Yeah, das stimmt. Weißt du, ich mag Rick Ross einfach, seine Raps, seine Stimme, er ist ein verdammt guter Rapper. Ich hatte einfach das Gefühl, dass seine Stimme sich auf diesem einen Beat absolut fantastisch machen würde. Und als der Song heute via Zane Lowe im Radio erschienen ist, haben alle gesehen, dass es ein fantastisches Ding geworden ist. Ich liebe es, diesen Song im Radio zu hören, der Scheiß macht einfach Bock. Harry Fraud hat die Nummer produziert und Rick Ross hat eine seiner besten Performances abgegeben, wenn du mich fragst.

Klingt aufregend.

Es ist verdammt aufregend, es ist wunderschön! Der Kram ist verdammter Next-Level-Shit.

Und dennoch – mit Rick Ross, gewissermaßen eine Trap-Ikone auf dem Tape – würdest du sagen, dass es immer noch ein Oldschool-Album ist?

Naja, das Ding ist: Er ist ja nicht nur eine Trap-Ikone, er ist ein Rapper. Er ist ein Rapper auf allen Gebieten, deswegen funktioniert er auf dem Track auch so gut.

Trotzdem stellt sich mir ein wenig die Frage: Wie sehr verstehst du persönlich Action Bronson als einen Oldschool-MC? Gerade im Hinblick auf Vorbilder wie M.O.P. Oder den Wu-Tang Clan.

Puh, gewissermaßen, wenn man so will. Weißt du, ich bin einer dieser Grenzgänger, dieser Zwischendinger. Ich bin modern und oldschool zur selben Zeit, ich bin jetzt in meinen Dreißigern und in der genau richtigen Ära für mich groß geworden. Gelernt hab ich von den alten Heads, aber trotzdem fühle ich den Puls der modernen Musik, einfach weil ich ja selbst noch jung bin. So habe ich das Beste aus beiden Welten in mir vereint. Und ich verliere dieses Gefühl natürlich auch nicht, weil ich im Herzen immer jung bleiben werde. So fühlt es sich irgendwie an, als würde ich die perfekte Mischung aus Allem abbekommen.

Welche Elemente aus dem modernen Hip Hop wirken besonders auf dich, beeinflussen dich vielleicht sogar?

Hm, ich weiß nicht, aber ich glaube, dass die Sorglosigkeit und der kompromisslose Punk Rock-Vibe der jungen Rapper etwas ist, das ich mir aus der modernen Ära mitnehmen kann. Das ist etwas sehr Schönes. Weißt du, ich habe jetzt vor sechs oder sieben Jahren damit angefangen, bei Konzerten in die Crowd zu springen, Stagediving und so ein Mist, und für meine Shows ist das ein großes Ding geworden. Und es war auch für mich immer eine große Sache, das durchziehen zu können. Ich glaube, ich nehme die Punk Rock-Version und die Hardcore-Version zur Wrestling-Version von Hip Hop dazu und vermische es mit lyrischem Feingefühl und Smoothness.

"Das Video ist genau so wichtig wie der Song"

Das klingt nach einem fantastischen Ansatz, definitiv. Dennoch, wenn man sich deine Musikvideos ansieht, mit ihrer Retro-Ästhetik, den exzentrischen Visuals und der Komik; machst du dir keine Sorgen, dass Leute mehr für das Spektakel und den kurzen Lacher darauf anspringen und das Handwerk und die Kultur dahinter ausblenden?

Nein, das Gefühl habe ich tatsächlich nicht, weil es sich für mich so anfühlt, als würde nachher alles stimmig zusammenfließen. Es ist ja alles Entertainment, oder? Von mir aus würde ich schon sagen, dass niemand sich auf die Texte konzentrieren muss, man kann sie auch einfach nur beiläufig aufschnappen und sich über das Video freuen. Das Video ist in meinen Augen wirklich genau so wichtig wie der Song, das ist doch der gesamte Punkt daran, ein Musikvideo zu produzieren. Statt einfach nur ein paar Worte in die Kamera zu rappen. Ich denke nicht, dass die einen Aspekte die anderen überschatten kann, denn es ist ja alles ein Produkt. Der Song ist eine komplette Einheit mit dem Video.

Ist es dann manchmal so, dass du Songs machst, zu denen du instinktiv direkt auch ein Video machen willst und zu manchen nicht? Oder würdest du am liebsten direkt jeden Song mit Video veröffentlichen?

Wenn es nach mir ginge, sollte da für jeden Song ein Video sein. Visuelle Aspekte haben eine ganze Menge Macht, finde ich. Es hilft dir wirklich ungemein, deine Aussage herüberzubringen und deutlicher zu machen, was du mit deiner Musik eigentlich ausdrücken willst.

Es macht ja auch die Persönlichkeit leichter verständlich.

Selbstverständlich.

Hattest du dementsprechend schon mal den Wunsch, ein komplettes Visual Album zu machen?

Natürlich, Mann, das wäre der ganz große Traum. Das ist, was ich wirklich machen will. Vielleicht wäre das auch ein vernünftiges nächstes Projekt, ein komplettes Visual Album zu machen. Aber weißt du, ich würde es als eine Serie gestalten, und dabei als Kurator für die gesamte musikalische Inszenierung arbeiten. Ich muss einen Weg finden, das in der nahen Zukunft zu realisieren.

Das klingt echt fantastisch! Meine Zeit ist jetzt übrigens fast durch, also noch ein anderes Thema zum Abschluss; für 5000 Dollar kann man sich derzeit ein Dinner mit dir gönnen. Wie viele Abende hast du da schon verkauft?

Um ehrlich zu sein, das weiß ich gerade gar nicht so genau. Ich habe noch gar nicht nachgefragt. Aber mal ehrlich, das ist schon ein verdammt guter Deal. Weißt du, das ist ja nicht nur ein Dinner mit mir, das ist ein Dinner, das ich zusammenstelle und zubereite, wir sind gemeinsam in der Küche, können zusammen Gras rauchen, Musik hören, rumhängen und nachher gut essen. Das ist der Deal. Und es klingt vielleicht ein bisschen verrückt, aber am Ende des Tages sind genau das die Erfahrungen, die die Leute machen wollen. Also warum sollte man es ihnen nicht anbieten?

Es ist definitiv mal originelles Merchandise.

Darauf kannst du wetten!

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