laut.de-Kritik

Tschüss, Steve Albini!

Review von

Steve Albini war ein Genie und der zweitschlechtgelaunteste Mensch nach Henry Rollins. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ein dermaßen bärbeißiger Mensch mit so vielen anderen Künstlern zusammenarbeiten sollte. Dabei kamen unsterbliche Meisterwerke wie "Mclusky Do Dallas", Helmets "Meantime", "Surfer Rosa", "Razorblade Suitcase" von Bush und natürlich "In Utero" heraus.

Keinesfalls darf man aber vergessen, dass Albini mit seiner Arbeit als Musiker Grunge wesentlich mitprägte, weil er zu einer Zeit gefährliche Alben ("Two Nuns And A Pack Mule" von Rapeman, "Songs About Fucking") machte, als andere Richtung Pop abbogen. Die besten Alben seiner letzten Band Shellac kamen erst danach: "Terraform" ("Copper" wird auf meiner Beerdigung spielen), "Dude Incredible" und "1000 Hurts" sind schwere, scharfkantige Brocken, die man im Regal liegen hat, von wo sie einen böse anschauen. Ohne ginge aber nicht mehr.

Dementsprechend groß war die Freude im Vorfeld über "To All Trains". Nun ist der Meister tot. Albini stellte seine Idee von Musik immer über Personen - deshalb wollen wir uns ohne falsche Scheu nähern. "WSOD" beginnt lust- und druckvoll. Sauberer hörte man Albini noch nie singen und seine Gitarre nie deutlicher. Das verschiebt den Fokus des Albums im Vergleich zu den Vorgängern ein kleines Stück weit weg vom wie immer mit allen Wassern gewaschenen Todd Trainer an den Drums, ähnlich wie es live oft war. Bob Weston bleibt jedoch im Bandgefüge dominant; Shellac war schon immer eher eine Bass- als Gitarrenband.

Im nur knapp zweieinhalb Minuten langen Opener zeigen die drei Chicagoer viel von dem auf, was sie zu Legenden machte: vor allem die Verachtung in Albinis Stimme sitzt wie eh und je. Der Song ist ein räudiger Köter mit elaboriertem Aufbau, den er aber unter Druck versteckt, so gut es geht. Bei "Girl From Outside" zeigt Albini seine dramatische Seite, der Song ist eines der für Shellac typischen auf- und abwogenden Stücke und schneidet gut ab.

Die Lyrics sind abstrakt und bissig. Steve war bis zum Schluss ein Meister darin, auf Songs wie "Tattoos" eine bedrohliche Atmosphäre unmittelbar vor dem Angriff zu schaffen, garniert mit einem Schuss Despektierlichkeit ("Chick New Wave": "I'm through/ with music from dudes"). Die behandelten Themen sind nicht unbekannt: Vermächtnis ("Wednesday"), Männlichkeit und Elternrolle ("Scrappers").

"Tattoos" ist ein in der Struktur simpler, aber in den Instrumenten hochkomplexer, repetitiver Song mit feinem Mittelteil, der nicht nur die für Shellac durchaus übliche Ruhepause einbaut, sondern vorher besonders melodisch rockt. "Days Are Dogs" bläst ins selbe Horn, auch der Closer "I Don’t Fear Hell" und das The Fall zitierende "How I Wrote How I Wrote Elastic Man (Cock & Bull)", allerdings mit Albinis arg zurückgenommenen Gesang das schwächste Stück im vernünftigen, konservativen Quartett.

Das Albumhighlight "Scrappers" markiert einen grundehrlichen Song mit einem Wahnsinnsriff, das sich um einen wabbelnden Bass schält, eine reine Freude. Albini nimmt eine kindliche Perspektive ein, und wie immer ist er dann am stärksten, wenn er eine Anklage schreiend verliest. Mit "Wednesday" ist ein weiterer Bandstandard vertreten: Das (diesmal gar nicht so schwer ausfallende) zähe Noise-Gewitter, in das Albini hineinspricht.

Ein Meisterwerk ist "To All Trains" nicht, dafür bringt es zu wenig Neues in die Formel der Band und setzt Bekanntes zwar blitzsauber um, stellt es aber nebeneinander. "Scabby The Rat" hätte es als launiger Filler auf manch andere Alben der Band nicht geschafft. Insgesamt stimmt die Qualität völlig, nur ist in "To All Trains" lediglich das drin, was man sich von Shellac erwartet - nicht mehr, aber das ist ja auch schon sehr viel.

Trackliste

  1. 1. WSOD
  2. 2. Girl From Outside
  3. 3. Chick New Wave
  4. 4. Tattoos
  5. 5. Wednesday
  6. 6. Scrappers
  7. 7. Days Are Dogs
  8. 8. How I Wrote How I Wrote Elastic Man (Cock & Bull)
  9. 9. Scabby the Rat
  10. 10. I Don’t Fear Hell

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