18. Mai 2015

"Ich wusste nicht mal, dass es Hipster gibt!"

Interview geführt von

Neues Album, ausgedehnte Tour: Celo & Abdi haben Einiges vor. Im Interview erzählen sie natürlich über "Bonchance", outen sich aber außerdem als Designerjungs, kommentieren ihre unerklärliche Popularität unter Hipstern und grüßen Moritz Bleibtreu.

Das Ramones-Museum in Berlin: vielleicht ein ungewöhnlicher Ort, um Celo & Abdi zu treffen, doch unmittelbar vor unserer Verabredung gibt das Rap-Duo dort noch ein Videointerview. Die beiden drehen auf und strotzen nur so vor Energie. Als dann die Kameras ausgeschaltet sind und ich an der Reihe bin, beschließen wir, das Gespräch zwecks Abkühlung vor die Tür zu verlagern. Draußen ist es kalt und nass, und es wird plötzlich ganz ruhig.

Auf eine Zigarette mit Celo & Abdi!

Herzlich willkommen zum ersten Interview mit laut.de.

Abdi: Servus!

Celo: Servus, laut.de, liebe Leser! Es ist uns eine Freude, dass wir uns heute mal live begegnen!

Wie lange seid ihr schon in Berlin?

A: Seit Donnerstag.

C: Seit Donnerstag sind wir unterwegs, in Berlin sind wir seit Freitag Abend.

Was stand bis jetzt an? Bei Facebook konnte man sehen, dass ihr vorgestern bei Scarface Pizza am Kottbusser Tor eingekehrt seid?

C: Genau. Das ist super. Ein Freund von uns, der Baris, hat eine Pizzeria aufgemacht. Empfehlen wir jedem, auf jeden Fall, eine sehr, sehr schöne Pizza! Der macht so eine Pizza Sucuk mit Rucola ...

A: Richtig gut, ja!

C: Obwohl ich keinen Rucola mag, muss ich sagen, hat es mir geschmeckt.

Jetzt seid ihr dementsprechend fertig, weil Termine, Termine, Termine?

A: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten noch einen kleinen Auftritt bei der Hip Hop Con am Gleisdreick. War auch ganz cool.

Aber ihr habt ja auch Leute, die euch manches abnehmen.

A: Auf jeden Fall! Manager, Fahrer ...

C: Wir haben ein gutes Team!

Um auf eurer Label zu sprechen zu kommen: Wie viel macht ihr da noch selbst?

C: Wir machen die Kreativarbeit. Das Administrative macht hauptsächlich der Syn, und wir machen die Künstlerbetreuung bzw. das Scouting. Man schaut ja ab und zu mal: Ist da ein geeigneter Kandidat? Wie bei den NBA-Drafts. Beim letzten Mal haben wir den Olexesh rausgefischt, jetzt hat der Abdi noch einen talentierten Jungen.

Wen?

A: Geben wir noch nicht bekannt.

Okay, aber Sachen wie Merchandise, beispielsweise ...

A: Doch, doch, das ist kreativ. Was das Designen anbelangt: Das machen wir natürlich auch mit Syn zusammen, aber letztendlich ist das unsere Meinung und unsere Kreativität, die da zu sehen ist. Unsere Vision, wie ein Shirt auszusehen hat.

C: Oder sei es die Box oder das Design ...

A: Genau, wir sind Designerjungs, auf jeden Fall!

C: Wir nehmen aber natürlich auch gute Ratschläge von Syn an. Wie gesagt: Tandemarbeit. Aber das Administrative, das trockene macht der Syn.

Gibt es zwischen euch beiden eine bestimmte Aufgabenteilung?

C: Nein, nein. Wir machen das einfach so.

Im Juni: nächstes Album raus. "Bonchance", am 12. Juni! Was ist nochmal der Nachsatz? Bunker dein ...?

A: Bunker dein Gött!

C: Das ist aber nur im Trailer.

Wie kam es zu dem Titel? Der Titel eures letzten Albums ließ sich ja gut erklären.

C: Bei "Akupunktur" haben wir bewiesen, dass wir alles auf den Punkt bringen und die Menschen mitreißen können. Und "Bonchance" ist einfach das Kapitel des Lebens, wie ich auf dem Album auch sage: Bonchance, mach' das Beste draus.

Welche Features habt ihr diesmal?

C: "Bonchance" ist ja ein Streetrap-Album, daher sind auch nur Streetrapper vertreten.

A: In diesem Fall also Haftbefehl, Xatar, Hanybal, Olexesh und Veysel.

"Wir tragen das Herz auf der Zunge"

Ihr habt mal gesagt: "Wer das ..."

A: "Wer das 'Mietwagentape' mag, der wird 'Bonchance' lieben", haben wir gesagt.

Ich fand den Klang von "Bonchance" näher an "Mietwagentape" als an "Akupunktur". Wie meint ihr das noch?

A: Ein Grund dafür ist, dass M3 das Album komplett produziert hat, deswegen ist es klanglich anders als "Akupunktur". Und beim Inhalt sind wir halt wieder etwas zurück in die "Mietwagentape"-Sparte. Einfach back to the roots, um es auf den Punkt zu bringen wie Laserpointer.

C: Wir haben einfach das gemacht, was uns am besten liegt! Wie wir angefangen haben, so haben wir jetzt weitergemacht.

Die Beats stammen von M3. Wie war euer Workflow? Wie ist das so abgelaufen? Wann habt ihr angefangen?

A: Direkt nach "Akupunktur" eigentlich schon.

C: Die Arbeit war aber auch so ähnlich wie bei "Hinterhofjargon": Wir hatten damals viele alte Beats, die er schon drei oder vier Jahre auf seiner Festplatte hatte. Die haben uns direkt gefallen, und wir haben die dann umgesetzt. Baba Tracks, super Album! Das neue Album ist mehr auf uns zugeschnitten, das ist eben richtig auf uns zugeschnitten. Von der Thematik her war es zum Beispiel so, dass wir ihm gesagt haben: Wir haben die Idee, und er hat das dann direkt umgesetzt. Oder er hat uns einen Beat geschickt, und der hat uns dann auf Anhieb gefallen. Es war ein gegenseitiger Austausch.

Könnt ihr noch mehr zum Inhalt von "Bonchance" sagen? Die Tracks "Erster Atemzug" und "Letzter Atemzug", klingen ja schon nach Konzept oder wie eine Art Chronik.

A: Ja, genau. Aber unter anderem wollten wir die Lieder diesmal nicht "Intro" und "Outro" nennen. Und in der Chronik bei "Erster Atemzug" lassen wir halt unsere Kindheit Revue passieren, einen Abriss unsrer Kindheit. Das letzte Lied halt nicht "Outro", da dachten wir: "Letzter Atemzug". Damit hat dann schon unser roter Faden in dem Album begonnen.

Mir ist aufgefallen, dass ihr Geschichten habt, die ihr selbst erlebt habt, und dabei Worte wählt für die ihr euch nicht schämt.

A: Wir tragen das Herz auf der Zunge, meinst du das?

Ja, und dann wie gewohnt mit "neuer" Sprache.

A: Neue Wörda!

Genau, was ist diesmal neu?

A: "Amo", das arabische Wort für Onkel. Wir sind die Amos aller Amos! So wie Xatar der Baba aller Babas ist. Olex ist der Masta, Haft ist der Babo und Celo und Abdi sind die Amos aller Amos.

C: Ein neues Wort wird auf jeden Fall "Chabola" sein. Das ist das spanische Wort für Problemviertel, sozialer Brennpunkt, deswegen auch der Track. Wir fanden "Ghetto" zu plump.

Ihr habt auf "Akupunktur" einen politischen Track gemacht und darin Gentrifizierung angesprochen, Siedlungspolitik. Gibt es auf dem neuen Album auch etwas in dieser Richtung?

C: Wir haben jetzt keine speziellen Probleme angesprochen. Aber in jedem Lied kommt auf jeden Fall etwas Sozialkritisches, das ist unsere Art zu rappen. Eben zu zeigen, dass nicht alles rosig und schön ist.

Steht jetzt wieder eine große Videoauskopplung an, wie mit "Nur Noch 60 Sekunden"? Mit dem Trailer habt ihr ja schon vorgelegt.

A: Ja, fettes Ding!

C: Ihr könnt noch auf Einiges gespannt sein! Das ist ein Hammer-Trailer geworden, von 1take Media, von Adal Giorgis und Erhan Dogan. Die Jungs haben damals auch "Besuchstag" gemacht.

A: Aber für dieses Kapitel haben wir nicht sowas wie mit Bleibtreu geplant.

C: Wir waren sehr stolz, dass Moritz Bleibtreu da damals mitgemacht hat und auch unsere Musik feiert. Aber man muss ja jetzt nicht bei jedem Projekt zu ihm rennen.

A: Er verfolgt unsere ganzen Sachen.

C: Als das Cover zu "Bonchance" releast wurde, hat er uns geschrieben und meinte: "Super Arbeit, Jungs, aber, hey, ist das nicht falsch geschrieben? Nicht, dass ihr einen Fehler gemacht habt!" (Lacht) Schönen Gruß an Moritz Bleibtreu, auf jeden Fall, er hat uns sehr geholfen!

Ihr seid ja auch Filmfans. Was ist eigentlich aus "GZSZ" geworden?

A: Da war leider kein Dialog, wir sind nur Komparsen gewesen. Aber ich guck' das immer noch! Wir waren auch im Kino, bei "Drei Türken und ein Baby", da haben wir mitgespielt.

C: Ja, auch selbst am Dialog mitgewirkt.

A: Wir sind immer offen für Schauspielangebote, wenn sie uns ansprechen.

"Ich nehm' kein Blatt vor den Mund. Mach' das erstmal!"

Was muss es für ein Thema sein?

C: Es darf nicht gottlos sein. Es muss schon sein Ding haben, es sollen schon so ein paar Sitten da sein.

Du würdest jetzt nicht in einem Pornofilm mitspielen.

C: Nee, all sowas nicht. Das mein' ich.

A: (Lacht)

C: Aber auch nicht in einem Film der keine Metapher hat oder für falsche Werte steht. Keine Doppelmoral, es muss alles Hand und Fuß haben, nicht Sinnloses dazwischen.

Habt ihr am Anfang eurer Karriere eigentlich gedacht, dass ihr nicht nur von Frankfurter Jungs, sondern auch von hippen jungen Leuten gefeiert werdet?

A: Niemals!

C: Also, es gab jetzt keinen Zeitpunkt, an dem ich mir das hätte denken können. Ich wusste damals noch nicht mal, was Hipster sind oder dass es sowas gibt!

Wie erklärt ihr euch das? Weil es jetzt gerade sowieso Mode ist und Haftbefehl von den deutschen Feuilletons gefeiert wurde?

C: Ich glaube, die Leute feiern uns einfach, weil, wie Abdi eben gesagt hat, wir das Herz auf der Zunge tragen. Stimmt, das ist das. Manche sagen zwar: Ich nehm' kein Blatt vor den Mund, aber das ist was anderes. Mach' das erstmal.

Blatt vorm Mund ist ein gutes Stichwort: In "Erster Atemzug" erzählst du, Abdi, von deinem Herzfehler. Das ist interessant, weil das nicht unbedingt etwas ist, das jeder Rapper ...

A: ... wissen sollte, meinst du? (Lacht)

... preisgeben würde, mein' ich. Könnte ja irgendwie unangenehm sein oder werden.

A: Das ist es für mich aber nicht. Es war für mich persönlich an der Zeit, mal Revue passieren zu lassen. Ich hatte das selbst eine Zeit lang gar nicht auf dem Schirm. Ich war wegen der Musik so viel unterwegs und habe so viel gemacht. Als ich diesen Track geschrieben habe, bin ich halt nochmal zurückgegangen und habe überlegt. Da dachte ich nur: "Krass, überleg' mal, wie das war und was meine Mutter erzählt hat!" Da ist ein Kind, über das gesagt wird, dass es keine hohe Lebenserwartung hat, aber am Ende des Tages ist doch alles gut gegangen. Dass ich jetzt 27 bin und so auf mein Leben zurückblicken kann!

C: Die Doktoren bezweifelten sein Wachstum. Das ist schon krass, sowas zu sagen!

Aber gibt es Grenzen für dich? Dinge, die du nicht sagen würdest?

A: Klar, natürlich. Deswegen sage ich es ja auch nicht. (Lacht) Selbstverständlich gibt es gewisse Diskretionen im Leben. Aber das war ein Punkt für mich, den ich gerne ansprechen wollte, damit die Hörer auch einen persönlichen Einblick in unser Leben bekommen.

Das Herz auf der Zunge. Und bei dir, Celo?

C: Kann man nicht so sagen. Ist ja auch eine Gefühlssache, eine Sache des Momentes. Da bekommt man einen Beat zugeschickt, und das passt dann. Jeder Track ist ja auch ein Moment einer Gefühlslage.

Was steht jetzt noch an? Wird es eine Tour geben?

A: Ja! Wir spielen in 20 verschiedenen Städten, die "Bonchance"-Tour.

C: Von September bis November! Vom 17. September bis 1. Oktober.

(Syn murmelt etwas)

Was? 70 Orte?

C: Nee, 17.09.! Siebzig Orte, Siebzehnter Neunter! (Lacht)

A: Siebzig Orte, siebzig Leute! (Lacht)

Und sonst noch?

A: Ja, da wird auf jeden Fall noch was auf euch zukommen! Das nächste Album haben wir schon angefangen, und es werden noch die ein oder anderen Sachen bekanntgegeben. Da geht noch Einiges.

Was wollt ihr noch loswerden?

A: Liebe laut.de-Leser, holt euch am 12. Juni das Album von Celo & Abdi mit dem Namen "Bonchance" oder bestellt euch die "Bonchance"-Paketbox vor! Wer "Mietwagentape" gemocht hat, wird "Bonchance" lieben! Die Amos aller Amos sind back, auf jeden Fall!

C: Liebe laut.de-Leser, 12.06. "Bonchance"! Kommt in unsere Welt und lernt sie kennen!

Ich bedanke mich. Bis zum nächsten Mal!

A: Auf jeden Fall Alter, wir danken dir!

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