laut.de-Kritik

Im Spannungsfeld zwischen Dosenbier und Schampus.

Review von

Man habe sie in die Ecke gedrängt. Nun seien sie Rebellen. Und wer sich mit Rebellen anlegt, der sollte schnell in Deckung gehen, schallt es dieser Tage aus dem Betontod-Lager. Lauscht man den markanten Worten von Oliver Meister, könnte man meinen, die Rheinberger stünden mit dem Rücken zur Wand. Keiner wolle etwas mit ihnen zu tun haben, niemand nehme sie ernst und überhaupt: Mehr Punk kann man eigentlich gar nicht sein wenn man ein Betontod-Shirt spazieren trägt.

Nun, objektive Beobachter des vor wenigen Wochen veranstalteten Weihnachtskonzertes der Band, nahmen allerdings einen anderen Eindruck mit nach Hause. Statt nach Dosenbier und Schweiß roch es in der ausverkauften Düsseldorfer Mitsubishi Electric Hall nach versengten Kabeln und verbrannten Pyroelementen. Kein Wunder, schossen doch in regelmäßigen Abständen meterhohe Feuersäulen in Richtung Hallendecke. Auch die Lichtshow brauchte sich vor der eines etablierten Stadion-Acts nicht zu verstecken.

Betontod stehen überall – nur nicht mit dem Rücken zur Wand. Längst sind die einstigen "Schlachtrufe-BRD"-Interpreten im großen Rock-Zirkus angekommen. Die Tourneen sind ausverkauft und die Studioalben tummeln sich in den Top Ten der Charts. Das sei ihnen auch alles gegönnt. Lachhaft wird es allerdings, wenn man sich nach Jahren auf der Erfolgsspur immer noch als ach so rebellierende Underdogs verkauft.

Auch auf ihrem neuen Album "Revolution" baden Oliver Meister, Frank Vohwinkel und Co. in längst verblichenen Erinnerungen. So katapultieren sich Betontod beispielsweise zurück in Zeiten, in denen Iro-Punks das SO 36 stürmten und zu den Klängen von Slime halb Kreuzberg auf den Kopf stellten ("Küss Mich").

Einst seien Betontod "der Schrecken der Straße" gewesen, raunt Sänger Oliver Meister ins Mikrofon. Man habe sogar "Laternen ausgetreten" und vor so manch Eingangstür Randale gemacht ("Ich Nehme Dich Mit"). Oha! In brennenden Nächten habe die nationale Obrigkeit Rebellen gezüchtet, so der Tenor der Band ("Freiheit Oder Tod"): Rebellen in schicken Lederjacken.

Man fühlt sich lyrisch nicht nur einmal an Frankfurter Kollegen erinnert, die mit einer ähnlichen Mixtur aus Mutmach-Parolen und Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Singalongs schon seit Jahrzehnten richtig Kohle scheffeln. Ich will den Rheinbergern aber gar keine vermeintlich erfolgsversprechende Außendarstellungsstrategie zum Vorwurf machen. Ich nehme ihnen sogar ab, dass sie allesamt noch normalen Jobs nachgehen. Vielleicht sollten sie sich aber in Zukunft etwas mehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Wer zwischen meterhohen Feuersäulen im Rampenlicht steht und von Anarchie und müffelndem Discounter-Bier faselt, den schaut man automatisch fragend an.

Geschwollene Stinkefinger in Richtung Gesellschaft und Weltpolitik passen da schon viel besser ins Bild ("Revolution", "Welt In Flammen"), zumal die Band auch in punkto Sound nur noch wenige Bewohner der Oranienstraße beeindrucken dürfte. Statt räudigem Hinterhof-Krach schält sich nämlich erneut metallisch angehauchter 100-Spur-Punkrock durch die Boxen.

Mit überproduzierten NaNaNa- und OhOhOh-Chören, sowie doppelt und dreifach angedickten Gitarrensalven im Gepäck stampfen Betontod geradewegs ins Stadion. Für den Einlass reicht es aber noch nicht, auch wenn sich die Herren mit eingängigen Hymnen à la "Revolution", "Ich Nehme Dich Mit" und "Es Lebe Die Freiheit" hörbar Mühe geben. Aber die Düsseldorfer Mitsubishi Electric Hall ist ja auch schon mal ne Adresse.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Revolution
  3. 3. Küss Mich
  4. 4. Welt In Flammen
  5. 5. Ich Nehme Dich Mit
  6. 6. Herz An Herz
  7. 7. Verdammt Schwer
  8. 8. Freiheit Oder Tod
  9. 9. Bambule Und Randale
  10. 10. Freunde
  11. 11. Es Lebe Die Freiheit
  12. 12. Mann Über Bord

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4 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    basierend auf dem mir bisher bekannten output der band, ist ein ungehört 1/5 hier wohl mehr als nur angebracht.

  • Vor 7 Jahren

    "Betontod" und "Revolution" passen schon Mal gar nicht zusammen und dann auch noch dieses langweilige 0815-Cover, das zu weder noch passt.

  • Vor 7 Jahren

    aldaaa, wie wärs mal mit etwas mehr recherche? grauzone ist hier das stichwort. kann einfach nicht sein das man sowas hier so unkritisch stehen lässt

  • Vor 7 Jahren

    Punkbands, welche sich auf bild.de bewerben lassen, sind mir, mit Verlaub, suspekt.

    • Vor 7 Jahren

      ...geht halt bei genauerer Betrachtung eigtl gar nicht mehr viel außer Mr. Robot: "...or is it that all our heroes seem to be counterfeit? The world itself just one big hoax?".

      (präsentiert vom international erfolgreichsten Onlineversandhandel, versteht sich)

      "Once you realise what a joke everything is, being the Comedian is the only thing that makes sense"

      - Alan Moore

      Aber vermarktungstechnisch trau ich inzwischen nicht mal mehr ner Kapelle wie Whores.

    • Vor 7 Jahren

      ist mr robot eigentlich sehenswert? bis jetzt hab ich nur gutes über die serie gehört, aber als ich dann gelesen habe dass der schreiber sich eigentlich nur bei matrix, fight club usw bedient hat hatte ich spontan weniger bock drauf. frage nur weil du mir damals schon bei les revenants weitergeholfen hast :biggrin:

    • Vor 7 Jahren

      Boah, da sind schon so ein paar nett zitierte gesellschaftskritische Ansätze mit drin, die ähnlich schon mal in den genannten Quellen aufgetaucht sind. Aber alles sehr spannend und ansprechend inszeniert.

      Einige Folgen, Plottwists und Dialoge/Monologe (wie oben schon zitiert) gehören mit zum Besten, was ich persönlich 2016 in Serienform gesehen hab.

      Dennoch bleibt es natürlich schlechte Ironie, dass das alles von einem der 5 Konzerne mit finanziert wird, die in der Serie stellvertretend in Form der Evil Corp. als Wurzel des neuen Geldfeudalismus und damit allen Übels angeprangert werden.

      Es bleiben unterm Strich aber bisher zwei absolut sehenswerte Staffeln.

    • Vor 7 Jahren

      okay, dann werde ich mir das mal zu gemüte führen (natürlich mit der von dir angeführten ironie im hinterkopf). hänge aber momentan noch zu sehr bei den sopranos fest um da jetzt schon ranzugehen.

    • Vor 7 Jahren

      Mr. Robot gehört zu den besten Serien der letzten Jahren. Die Referenzen an Fight Club sind schon sehr stark, aber allein durch das komplett andere Thema nicht zu stark. Für mich als "Fight Club"-Fan sehr cool. Die Verbindung zu Matrix ist finde ich nicht wirklich stark (Computerthematik und ein anderer Aspekt, den ich nicht vorwegnehmen will, aber beides ist sehr anders in der Serie).