laut.de-Kritik

Behagliches Gedudel und große Gefühle.

Review von

Joy Division, The Killers, Coldplay - die großen Vergleiche sind schon gefallen. Vermutlich kümmern sie White Lies auch gar nicht besonders. Das Trio aus London macht weiter wie bisher, packt auch auf das vierte Album 80er-Jahre-Synthiepop gespickt mit Gothic-Flair und Tanz-Vibes, und macht auch marketingtechnisch vieles richtig.

Auf der Website der Band dürfen Fans in einem virtuellen Labyrinth Buchstaben sammeln. Und auf Youtube wartet ein verstörendes, aber tiefsinniges Musikvideo zur ersten Single "Take It Out on Me" – Lenseflair und masturbierender Mönch inklusive. Dieser Album-Opener kommt für White Lies-Verhältnisse ungewöhnlich flott daher. Im Refrain demonstriert die Band ihr Talent für großartige Melodien: "I'm in love with the feeling", singt Harry McVeigh und verbreitet eine ansteckende, beschwingte Stimmung.

Spätestens jetzt bestätigt sich, was der Blick auf die Trackliste schon erahnen ließ: Auf "Friends" geht es gar nicht um Freundschaft, sondern um die Liebe. "Is My Love Enough", "Hold Back Your Love", "Don't Want To Feel It All", heißt es da. Auch bei den weniger eindeutigen Titeln geht es um das Gefühl der Gefühle, was im Übermaß aber irgendwann banal wirkt. "Love is just a word that tights the gap between you and I", meint McVeigh in "Come On", aber nach der Hälfte des Albums habe ich genug von dem Thema und denke nicht weiter nach über diesen womöglich klugen Satz.

Der Sound des Albums ist dafür weniger opulent, es finden sich keine ausufernden Overdubs oder experimentelle elektronische Effekte. Synthesizer im 80er-Jahre-Style leisten den Löwenanteil der Instrumentierung, dazu tönt ein teilweise programmierter Bass. Gitarren spielen nicht immer, aber wenn sie es tun, dann tun sie es gut. Den Refrain von "Don't Want To Feel It All" zum Beispiel verzieren warme Discofunk-Akkorde, in "Summer Didn't Change A Thing" röhren crunchige Powerchords und "Hold Back Your Love" leitet eine 2000er-Poppunk-Figur ein.

Es ist kein Zufall, dass ich bisher keine der Strophen erwähnt habe. Diese dümpeln teilweise arg vor sich hin. "Don't Fall" und "Swing" schleppen sich träge vorwärts, und der Verse bei "Morning In LA" besteht aus einer einzigen, uninspirierten Akkordfolge. In Kombination mit dem Synthiesound klingt es manchmal, als wenn jemand einem Computer den Befehl gegeben hätte, "behagliche 80er-Jahre-artige" Songs zu kreieren.

Die Refrains reißens aber immer raus. "Hold Back Your Love" verbreitet ekstatische Dancefloor-Stimmung, und "Don't Fall" ist der ideale Song, um auf der nächsten Kellerparty eng umschlungen mit dem Mädchen aus der Parallelklasse zu tanzen. Insgesamt ist "Friends" wohl nicht das stärkste Album der Londoner, aber wer White Lies noch nicht kennt, macht mit dieser Platte nichts falsch.

Trackliste

  1. 1. Take It Out On Me
  2. 2. Morning In LA
  3. 3. Hold Back Your Love
  4. 4. Don´t Want To Feel It All
  5. 5. Is My Love Enough
  6. 6. Summer Didn´t Change A Thing
  7. 7. Swing
  8. 8. Come On
  9. 9. Right Place
  10. 10. Don´t Fall

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1 Kommentar mit 11 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Stehen bei mir seit der zweiten Scheibe schon im Regal "00er / ferner liefen...".

    Hab entsprechend schon die dritte nicht mehr gekauft.
    Ist sonst noch jemandem aufgefallen, dass sich die NuNew Wave-/Synthpop-Nummer im letzten Jahrzehnt schneller selbst kalt gestellt hatte als damals die NuMetal-Klone zu Beginn des Millenniums?

    • Vor 7 Jahren

      Absolut. Die erste Platte lief bei mir auch mal. Schon die zweite kaum noch, weiter hab ich nichts gehört. An die anderen Vetreter dieses kurzzeitig aufflammenden Genres kann ich mich schon kaum noch erinnern.

    • Vor 7 Jahren

      Wo sind z.B. Diego, Boy Kill Boy oder Glasvegas hin? The Boxer Rebellion haben sich auch längst zum Pop gewandt. Ja die Editors sind noch ein bisschen auf solchen Pfaden unterwegs, aber auch längst nicht mehr so gut.

    • Vor 7 Jahren

      Ich persönlich fand ihr drittes Album eigentlich ihr bestes, aber was man jetzt von dem hier hören konnnte war schon eher langweilig.

    • Vor 7 Jahren

      mag sein, ich kenne weder vom dritten noch von neuen etwas. der Reiz ist irgendwie verschwunden.

    • Vor 7 Jahren

      Bin extra nochmal die digitale Bib durchgescrollt. Das Einzige, was es dieses Jahr noch durch die Boxen geschafft hat und ungefähr aus besagter Zeit stammt, ist die letztjährige von Everything Everything, und die sind streng genommen bereits 10er Generation und davon abgesehen ne völlig andere Baustelle, imo.

      Rest - v.a. auch die von battlefire genannten - schimmeln bei mir z.T. seit 5 Jahren und mehr in Regal bzw. auf Festplatte.

    • Vor 7 Jahren

      "NuNew Wave-/Synthpop-Nummer im letzten Jahrzehnt"
      Hatte das gar nicht als so speziell im letzten Jahrzehnt verortete Welle im Kopf. Bei strenger Definition steht das White Lies Debüt zusammen mit dem dritten Editors für mich ziemlich isoliert da (gibts da mehr? also mehr hörenswertes?), bei großzügigerer Definition war doch Synthpop und New Wave nie weg, heute heißen halt nur die "relevanteren" Bands zB Chvrches oder Future Islands (mal ohne Bewertung der Qualität). Dass sich eine Band über sieben Jahre oder mehr auf einem gewissen Relevanzlevel hält ist doch gemessen an der Masse an Acts die an die Oberfläche gespült werden ohnehin ein ziemlicher Ausnahmefall.

      Ich bitte eventuellen wirren Schwurbelstil zu entschuldigen, Schlafmangel.

    • Vor 7 Jahren

      Kurz vor der Welle war noch das bis heute gut gealterte (einzige?) Album von "Late Of The Pier", die haben das Interesse an sowas bei mir wohl überhaupt erst entfacht.

      Ansonsten was battlefire sagte: Erste Glasvegas, Erste Boxer Rebellion... Empfand das schon so als NuNew Wave-Welle, die da auch in Form elektronischerer Abarten (bspw. Trentemøller-Sachen aus der Zeit) Ende letzten Jahrzehnts ins Tal schwappte...

    • Vor 7 Jahren

      Glasvegas meine ich damals recht scheiße gefunden zu haben, aber werde den Eindruck mal auf Spotify überprüfen und auch das andere Zeug mal antesten :) Die Erwähnung von Trentemoller find ich interessant, für mich gefühlt eine völlig andere Ecke.

    • Vor 7 Jahren

      Das war für mich so die (synth-)poppigere Variante zu Dingen, die ich während der ersten Hälfte der 00er-Jahre ziemlich am Feiern war, wie bspw. The Faint, The Rapture oder eben Late of the Pier...

      Aus der zweiten Hälfte sind dann wohl noch zwingend Sachen wie die ersten beiden Klaxons oder (stückweise) Hadouken! zu nennen... Sachen, die aber größtenteils gar nicht gut gealtert sind und wohl auch zu dem abgeflauten Interesse meinerseits an dieser "Welle" beitgetragen haben.

    • Vor 7 Jahren

      The Rapture gibt es auch nicht mehr, obwohl mir deren letztes Album schon ziemlich gut gefallen hat eigentlich, aber ich höre es jetzt auch nicht besonders oft.

    • Vor 7 Jahren

      Hm naja ich ziehe da vielleicht beliebige Grenzen wo keine sind, aber diese Dance Punk / New Rave Bands wie The Rapture oder Klaxons haben für mich recht wenig mit dem eher dunklen New Order Mini-Revival der White Lies und Editors zu zun. Wenn man es so großzügig auslegt, sehe ich es wirklich so, dass es "synthesizerhaltigen Alternative Rock" genauso heute noch gibt, nur halt wie überall sonst auch Bands irgendwann altern und von frischeren Epigonen abgelöst werden. Das ist aber wohl kein Thema, das man ausführlich ausdiskutieren muss :)

      Wenn ich dran denke werde ich Rückmeldung insbesondere bzgl Late Of The Pier geben, muss aber erst bisschen 2016 aufholen.

      (btw stimme ich was den schlechten Alterungsprozess mancher der genannten Acts zu, beispielsweise kann ich mir das Klaxonsdebüt heute nicht mehr geben, die Nachfolger waren zum Glück sofort erkennbar scheiße)