laut.de-Kritik

Hartes Mimimi für sehr einfache Menschen.

Review von

Irgendwann im Jahr 2021 erscheint eine schlicht nach der Thüringer Kulturstadt Weimar benannte Deutschrock-Band auf dem Schirm und polarisiert von Stunde Eins an. Angebliche Branchen-Insider werfen den maskierten, unbekannten Bandmitgliedern eine Nähe zu rechten Netzwerken und Akteur*innen vor, was natürlich umgehend dementiert wird. Die ehemalige Szenezugehörigkeit einiger Bandmitglieder wird später schon eingestanden, aber davon habe man sich natürlich längst losgesagt. So richtig ab nimmt man das den unter Pseudonymen agierenden Akteuren bis zum Schluss eher nicht. Was auch einem Wunder gleich käme, beschäftigt man sich auch nur kurz mit den Texten des Kollektivs.

Das erste Album "Auf Biegen & Brechen" zeigt sich im modernen Rock/Metal/Rap-Gewand und mischt etwas ungelenken Sprechgesang mit rauen Oi/Streetpunk-Gesängen. Die Inhalte reichen von nebliger, verklausulierter und sehr interpretationsoffener Kritik gegen 'die da oben', die Gesellschaft und die Medien, bis zum elenden, albernen Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Geschwurbel, das sonst vor allem Verwandte dritten Grades und ihre Nachkommen absondern. Dazu kommen kämpferische Aufforderungen wie etwa, sich "die Straße" zurück holen zu wollen, und eine durchaus offene Verwendung einer Rhetorik, die ganz klar die keimende Querdenker-Szene in unserem eigentlich schönen Land ansprechen soll.

Immer dann, wenn man denkt, dass sich unangenehme Dinge nach einiger Zeit von selbst erledigen, wird man von der Welt eines besseren belehrt. Die Weimaraner Maskenmänner und ihr kryptisch mit "1331" betiteltes Album wecken auf Knopfdruck jede negative Emotion, die sich in den Wirrungen des zentralen Nervensystems so findet, und nein, das ist natürlich auch alles andere als ein Zufall.

Eigentlich fängt das Album gar nicht so übel an. Also musikalisch. Ein chansonaffines Schifferklavier säuselt eine melancholische Melodie, die schnell von brettharten Gitarren abgelöst wird. Jawoll, warum auch nicht? Weil dann sehr bald der leider echt furchtbare, nölige Sprechgesang einsetzt, der sich künftig mit der prolligen Oi-Grölstimme abwechseln wird. Weimar geht auf große Reise ins Ungewisse, weil man sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nicht mag. Dazu anfangs einige stocksteife, maritime Metaphern, die eine Band darstellen sollen, die allen Widrigkeiten standhält. Und dann geht der richtige Käse los. Den armen Herzchen wurde offenbar sehr übel mitgespielt, sie wurden "medienwirksam diffamiert", aber bedanken sich stolz für den "ungeheuren Gratismut" den man ja sicher haben muss, wenn man eine Band aus unterschiedlichen Gründen Scheiße findet. Aber nein, wir alle konnten das starke Schiff ja nicht versenken. Und so weiter. Bah.

Es muss alles arg weh getan haben, die alberne Mische aus Selbstbeweihräucherung und peinlich-kindlicher Kränkung wird nämlich ungebrochen fortgesetzt. Abgekürzt heißt das, dass die großen Weimaraner ganz oben, die fiesen Kritiker*innen ganz unten sitzen. Die Parolen heißen: "Hasst uns!" oder "Ihr könnt uns gar nix". Das Unvermeidliche passiert mit den Worten "Schöne Grüße aus der Hauptstadt der Dichter und Denker" bzw. "Irrelevant, wie dicht ihr seid, Goethe war Dichter", natürlich wird plump auf die Herkunft und den ollen Johann-Wolfgang angespielt. Nun, würde man einen großen Dynamo an die Fürstengruft bauen und diesen mit dem heftig rotierenden, toten Körper des großen Dichters verbinden, wir könnten ganz Thüringen für alle Ewigkeit mit Strom versorgen.

So geht es weiter. "Invictus" (lat. unbezwungen) spricht vom Titel her schon Bände, hier passt auch die Musik zum jammernden Unterton. Der Gipfel der Grausamkeit wird mit der Akzentuierung im Gesang erreicht. "Freihahahai" oder "Ihihihich", das hat man so schlimm auch lange nicht gehört. Neues Thema? Nein. "Gemeinsam" gegen den Teufel und den "Scheißdreck für die Massen", zugegeben musikalisch als pumpender Punksong eigentlich ganz gut vertretbar, macht den beschissenen Underdog-Pathos halt auch nicht weniger eklig.

"Von Wölfen & Ratten II" lässt befürchten, dass es von diesem tiefschwarzen Tiefton-Gejammer noch weitere Teile gibt. Thematisch bleiben wir stabil, kaputte Welt, Lügen, "solange wir noch aufrecht gehen, seid ihr für uns zu klein". Wie kann man denn so wenig zu sagen haben, dass man ein ganzes Album lang trotziges Hardcore-Geflenne zusammen schlonzt, weil man in den Mainstream-Medien völlig zurecht geschasst wurde? Wogen der Fremdscham wallen wie ein stürmischer, unbezwingbarer Ozean über mein stetig hin und her schwankendes Haupt, um mal in der rhetorischen Schablone zu bleiben.

Aber jetzt Schluss mit der Rumheulerei, Kameraden! Neuer Themenkomplex: dumpfe Hetze. Ein "Leitfaden" für die "Zeit nach dem Kindergarten". Stellt euch vor, Kinder, wird werden von denen da oben programmiert. Um arbeiten zu gehen und um GEZ-Gebühren zu zahlen. Lassen wir uns das gefallen? Ein Niveau-Limbo vom feinsten, zu dem auch noch der allerdümmste Wutwichtel das Tanzbein und die erhobene Faust schwingt.

Es folgt die zutiefst fragwürdige Liebeserklärung "In Flammen" und wartet mit üblich interpretationswürdigem Inhalt auf. "Oh Gloria, Viktoria, ich schenke dir die ganze Welt. Die Sterne hoch am Horizont und alles, was dir gefällt. Und wenn die ganze Welt in Flammen steht, ich bleibe hier bei dir. Und wenn wir untergeh'n, will ich die Welt in Flammen seh'n". Na, wonach klingt das wohl, ihr Schelme, Kriktiker*innen und Verschwörer*innen. Wie könnt ihr nur? Seitens der Musik gibt es kaum Grund zur Klage. Griffig, punkig, melodiös und überaus gefällig.

Bereit für den vorläufigen Höhepunkt? Das Schlimme an "Hexenjagd" ist nicht etwa das schlecht recycelte Red Hot Chili Peppers Riff, sondern der direkte Vergleich der historischen Hexenprozesse mit dem DDR-Regime und (es fällt schwer es schwarz auf weiß auszuführen), den Regularien der Corona-Pandemie. "Hübsche Masken", "Impfgeschädigte" und "depressive Kids". Der Vergleich hinkt selbstverständlich wie der Reichspropagandaleiter, viel plumper kann man sich eigentlich kaum an der zunehmenden Spaltung im Land beteiligen. Es wird hier tatsächlich so getan, als habe die Gesellschaft bei diesem unmenschlichen Treiben einfach zugesehen, und im zum Kotzen pathetischen "Postludium" wird all das noch als Verantwortung unserer Kinder gegenüber in schwulstige Käserhetorik verpackt. Ja, geht's denn noch?

Der endgültige Höhepunkt in allen Belangen ist das dreiaktige Brechmittel "Manifest". Nach kurzer Unterbrechung durch einige Hetzstückchen geht das Geflenne über die Reaktionen zum Debütalbum in die letzte Runde. Mit immer den gleichen, mantraartig wiederholten Akkorde spulen sie Programm runter. In epischem Ausmaß "rappt" das offenbar für den Sprechgesang herausgedeutete Kollektivmitglied eine nicht enden wollende Tirade an den Rest der unwürdigen Welt. Zu den bereits zu Beginn des Albums angesprochenen Gemeinheiten kommen jetzt noch "Hater und famegeile Fake Friends" mit ihren "Bitchmoves" und allerhand fragwürdiges Geschwurbel.

Ganz im Ernst, es wird Zeit die große Frage zu stellen: Sagt mal, wen wollt ihr hier eigentlich verarschen? Das ganze Album ist der perfekte Soundtrack zur aufgeheizten Stimmung im Land, und es ist völlig klar, welches Zielpublikum ihr ansprechen wollt. Klar hat man damit derzeit Erfolg, das Volk wird ja nachweislich weder intelligenter noch reflektierter. Ihr wollte nicht missverstanden werden? Dann drückt euch nicht missverständlich aus.

"1331" ist brandgefährliche, stumpfe Stimmungsmache und alberne Selbstgefälligkeit. Nicht mehr, nicht weniger. Wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Trackliste

  1. 1. Aloha 'Oe
  2. 2. Schreie der Verachtung
  3. 3. Invictus
  4. 4. Gemeinsam
  5. 5. Von Wölfen & Ratten II
  6. 6. Leitfaden
  7. 7. In Flammen
  8. 8. Hexenjagd
  9. 9. Postludium
  10. 10. Manifest I
  11. 11. Manifest II
  12. 12. Manifest III

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32 Kommentare mit 113 Antworten

  • Vor 10 Tagen

    Pseudo-Rammstein für vollends Gehirnamputierte - einfach ignorieren...

  • Vor 22 Stunden

    Die hier versammelte intellektuelle Elite freut sich, ein vermeintlich total stumpfes Musikwerk zu verreißen und suhlt sich in der eigenen Süffisanz.

    Man muss es nicht mögen, kann es natürlich auch kritisieren und schlecht finden. Wenn aber die ideologische Einstellung Urheber der eigentlichen Kritik ist und nicht die Musik selbst (wie in fast jeder Zeile unweigerlich herauszulesen), dann ist die Review nur wenig wert. Am Ende kann Steffen wie Rumpelstilzchen im Dreieck springen, seine Meinung über Musik und Hörer verbreiten und der Großteil der Kommentatoren noch Beleidigungen hinterherschicken - es bleibt Platz 1, ob man es gut findet oder nicht.