laut.de-Kritik

Kampfansage gegen die Lemminge des Neoliberalismus.

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Wer kennt das nicht? Schöner All-Nighter im Coworking-Space. Revenue-Flow muss adjustiert werden, morgen ist Conference mit den Shareholders aus L.A. Schön fünf Red Bull kippen. Dass der Körper vibriert, macht nix. Die Präsentation muss noch unbedingt fertig werden. Außerdem ist ja morgen noch Treffen mit der Ortsgruppe Berlin-Mitte der FDP. Da braucht es noch einen Pitch für die neue Campaign Strategy im Project Community Outreach. Work, Work, Work. "You better work, bitch". Oder, wie The Screenshots sagen: "Glaub an deine Träume, manche werden wahr!"

Nur, sie meinen das eben nicht so ernst wie Britney damals. Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms schauen lieber belustigt auf die Lemminge des Neoliberalismus, die ihr Leben nach dem Handbuch "BWL Für Dummies" ausgerichtet haben und auf deren blassen Körpern bestimmt irgendwo "Wachstum, Wachstum, Wachstum" tätowiert ist. Die beißendste Kritik ist sicherlich die Leadsingle "Träume (feat. LGoony)". Dazu legen sie simpel scheppernden Indie-Rock vor, der klar auf das Garagerock-Revival der 2000er verweist. Sänger Dax röhrt dazu herrlich, kann aber auch zuckersüß affektiert daherkommen. LGoony spittet dazu Lines wie "Im Anzug in die Schule / Christian Lindner-Swag".

In eine ähnliche Kerbe schlägt "Wir Lieben Uns Und Bauen Uns Ein Haus". Hier zielt die Band auf Vorstadt-Spießer statt Starbucks-Stammgäste. Sie übernehmen sogar die Perspektive derjenigen. Mit honigweicher Stimme singt Werner vom Traum des Eigenheims. "Ich hab viel zu lange rumprobiert /.../ es ist Zeit, den nächsten Schritt zu gehen." Dazu gaukeln Streicher eine liebliche Rosamunde Pilcher-Schnulze vor, bis es niemand mehr erträgt. Dann bricht die Band in wilden Post-Punk aus, während Werner anklagt: "Früher waren wir wild und unbequem". Das Mantra "Mit harter Arbeit werden Träume wahr" tropft vor Zynismus. Zu klug scheint die Band, um an 50er Jahre-Wirtschaftswunder-Nostalgie zu glauben. Träume werden eben nicht immer durch harte Arbeit wahr.

"2 Millionen Umsatz Mit Einer Einfachen Idee" strotz nur so vor cleveren Beobachtungen zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie. "Für Immer Niemals Da" erzählt im Stil von "Electric Guitar" eine mittelständische Coming-Of-Age-Geschichte, allerdings von jemandem, der sie nicht hatte. "Klassenfahrt ins Ausland / The Fast And The Furious Teil 2 / 2003 / ein eigener Fernseher im Zimmer / Eltern mit Abschluss und viel Zeit / ohne mich" offenbart das Dilemma der Band hier. "The Fast And The Furious Teil 2"? Ziemliche Testosteron-Kacke. Aber gleichzeitig die Geborgenheit der gutsituierten Eltern? Eben doch wünschenswert.

Auch "Airbnb" findet kein wirkliches Urteil über sein Subjekt. Dieses ist gar nicht die gleichnamige Wohnungsbörse, sondern irgendein Typ, der seine Wohnung darüber untervermietet. Diese nennt er schon "sein kleines Hotel" und fordert seine Gäste aus Chicago, Tunis und der ganzen Welt auf: "Ihr müsst sofort was sagen, Leute / wenn euch mal was nicht gefällt!" Die neoliberale Selbstvermarktung vorbildlich verinnerlicht. Gleichzeitig finden ihn die Screenshots doch ganz drollig. Ständig wird er aus seiner eigenen Wohnung vertrieben und schläft deshalb bei Bekannten. Bei einem säuselt er sogar: "Ich bin heute bei dir aufgewacht / würd' gern für immer bei dir sein." Romance 2020. Doch bevor er sich nochmal umdreht und weiterschläft, kommt die Realität: "Morgens halb zehn in Deutschland / Check-Out-Time!"

"Manchmal" spielt noch stärker mit Ambivalenzen. An der Oberfläche ein simpler Indie-Rock-Song, so mit schnellen (aber nicht zu schnellen) Gitarren-Stakkatos, kräftigem Schlagzeug und nicht zu viel Bass. Aber Dax Werner scheint dauerhaft mit dem Auge zu zwinkern, als wolle er uns wissen lassen, dass das hier alles nicht zu ernst zu nehmen ist. "Manchmal da denk ich nur an dich / aber meistens dann doch nicht" ist so gnadenlos simpel, ironisch und doch gleichzeitig irgendwie ernstgemeint.

Für "John Mayer" übernimmt Bassistin Susi Bumms das Mikro und legt eine herrlich lustlose und energiearme Performance hin. In ihrem "Dankeslied An Den Kitsch" wiederholt sie immer wieder "John Mayer hat mir gesagt / Mein Körper ist ein Wunderland". So lange, bis "John Mayer" wie "Jonmayaaaaaaa" klingt. Ihren Bass verzerrt sie dabei wie ein Fünftklässler, der zum ersten Mal eine E-Gitarre in der Hand hält.

Schwächen offenbart die Band nur dann, wenn das Pegel zu stark Richtung Quatsch ausschlägt. "Snacks" hat zwar ein Hammer Bass-Riff, verliert aber schnell seinen Charme. "Ich will eigentlich Snacks / doch du willst nur Sex" sorgt beim ersten Hördurchgang für Schmunzler, der Gag trägt aber nicht allzu lange.

Dieser kleine Ausfall fällt allerdings nicht ins Gewicht. Er steht eben Songs wie dem impressionistischen Post Punk-Banger "J@@@@@@@" (nur echt mit Geschrei der ganzen Band) gegenüber. Oder der poppigen Resignationsballade "Die Welt Geht Noch Nicht Unter" mit der Hammerzeile "Die Welt geht noch nicht unter / sie wird nur immer geiler / ich glaub, ich seh das anders / was denkst du?"

Trackliste

  1. 1. Manchmal
  2. 2. Liebe Grüße An Alle
  3. 3. Airbnb
  4. 4. Träume (feat. LGoony)
  5. 5. Walter White Ist Tot
  6. 6. Snacks
  7. 7. Für Immer Niemals Da
  8. 8. Die Welt Geht Noch Nicht Unter
  9. 9. Wir Lieben Uns Und Bauen Uns Ein Haus
  10. 10. John Mayer
  11. 11. J@@@@@@@

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