laut.de-Kritik

Freie Radikale kurz vor dem Durchdrehen.

Review von

Aha, die Flaming Lips stehen also auf Kriegsfuß mit dem Mystischen, bzw. den Mystikern dieser Welt. Wer hätte das gedacht. Standen die sympathisch-seltsamen Herren aus Oklahoma bei mir, und wohl nicht nur bei mir, doch eher im Verdacht selbst zur Spezies esoterischer Verwurstungstheoretiker zu gehören. Doch das Infosheet der Plattenfirma mit Wayne Coynes Aufsatz zum Thema "Mystisch orientierte Menschen mit Hang zur Verschwörungstheorie" legt den Schluss nahe, dass der Plattentitel durchaus ernst gemeint ist.

Ob dies auch für Songtitel wie "Pompeji Am Götterdämmerung" oder "The Wizzard Turns On ... The Giant Silver Flashlight And Puts On His Werewolf Mokassins" gilt, sei mal dahingestellt. Doch das ist letztlich sowieso egal, finden die traditionell etwas zerzausten Titel ihre Entsprechung doch stets im ungebremst kreativen musikalischen Kosmos der Band. Und so machen die Lips auf "At War With The Mystics" mal wieder ihren Mind auf und lassen es flown, wie es ihnen gerade so in den humorigen Sinn kommt.

Dabei kommen wie meistens bei den Lips Versatzstücke und Reminiszenzen unterschiedlichster Herkunft zum Tragen. So klingt "Free Radicals" ein wenig nach einem kleinen Prince, der sich soeben (aus Versehen versteht sich) einen ganz, ganz großen Trip einverleibt hat. Und bei der Komposition von "It Overtakes Me" könnte der große George Clinton mit seinem Funkadelic-UFO als Inspirationsquelle gedient haben. Auch sonst sind im soften freakrockigen Ambiente von AWWTM etliche Sprengsel schwarzer Musik zu hören. Allerdings alles auf FL-Niveau transformiert.

Das Niveau der Scheibe ist jedoch recht heterogen. Will sagen: es ist nicht alles Gold, was freakt. Neben wirklich beseelten Kompositionen wie beispielsweise "The Sound Of Failure" und dem bereits erwähnten "It Overtakes Me" stehen eher mäßig spaßige Spielereien wie "Free Radicals" und Bombastrock zitierende Kolosse wie "Pompeji AM Götterdämmerung". Wie spannend die Exkurse in die eine oder andere Musikalienwelt im einzelnen nun sind, bleibt dem Hörer überlassen. Als Ganzes ist dies allerdings, zumindest für mein Ohr, ein wenig ermüdend, auch wenn auf AWWTM natürlich immer wieder das schillernde Genie der Lips durchblitzt.

Und so bleibt letztlich alles doch wieder beim alten: derjenige, der die durchgedrehte Verschmitztheit der Flaming Lips schon immer mochte, der wird auch die Version 12.1 der Lips mögen, auch wenn der Sound hin und wieder in Richtung Pink Floyd abdriftet. Dem Mainstream gewohnten Rockhörer hingegen wird das alles immer noch zu seltsam und verschroben klingen.

Das haben die Lips auch schon mal ein bisschen überzeugender hinbekommen. Aber wie sagt man so schön: lieber ein kleines Stückchen Gold in der Hand als einen großen Haufen Scheiße auf dem Dach. Und ein kleines Stückchen Gold ist AWWTM in jedem Fall.

Trackliste

  1. 1. The Yeah Yeah Yeah Song
  2. 2. Free Radicals
  3. 3. The Sound Of Failure
  4. 4. My Cosmic Autumn Rebellion
  5. 5. Vein Of Stars
  6. 6. The Wizard Turns On...
  7. 7. It Overtakes Me
  8. 8. Mr. Ambulance Driver
  9. 9. Haven't Got A Clue
  10. 10. The W.A.N.D.
  11. 11. Pompeii Am Gotter dammerung
  12. 12. Goin' On

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