laut.de-Kritik

Inkognito-Auftritte von Neil Young im Sommer 1977.

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Im Sommer 1977 hatte Neil Young ausnahmsweise mal nichts zu tun. Außer sich um seine Ranch zu kümmern, in seinem Haus in Malibu abzuhängen, alte Autos zu sammeln oder Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Und so fragte er bei Gitarrist Jeff Blackburn und Bassist Bob Mosley an, beide von der Band Moby Grape, ob sie nicht Lust auf eine kleine Inkognito-Tour in der Umgebung hätten? Aber klar doch.

Sie holten noch Session-Schlagzeuger Jeff Blackburn an Bord und gaben sich den dämlichen Namen The Ducks. Vielleicht eine Hommage an den Stax Records-Bassisten Donald "Duck" Dunn, der später bei den Blues Brothers mitmischte? Das Quartett trat in Sälen im nördlichen Kalifornien rund um Santa Cruz auf. Mehr oder weniger unangekündigt, mehr oder weniger unbekannt, mehr oder weniger planlos.

Gerüchten zufolge waren Enten-Lockpfeifen in der näheren Umgebung schnell ausverkauft. Die Devise der Band lautete: Spaß haben. Setlists wurden spontan zusammengestellt. Young hielt sich mit eigenem Material zurück, Stücke von Moby Grape kamen zum Einsatz, dazu Coverversionen oder Improvisationen. Am Mikrofon wechselten sich alle Mitglieder ab.

Nach sieben Wochen war der Spuk zwar wieder vorbei, doch hinterließ er zwei nachhaltige Spuren. Einerseits bescherte er Young einen Gitarrengurt mit Peace-Zeichen, den er 45 Jahre später noch immer verwendet. Dazu die Zeile "It's better to burn out than to fade away", die er sich aus einem Lied Blackburns auslieh, um sie in einem neuen Song unterzubringen: "My My, Hey Hey". Der Track bildete 1979 den Rahmen für sein Album "Rust Never Sleeps".

Den Entschluss, einen Mitschnitt zu veröffentlichen, hatte Young offenbar schon damals gefasst, denn einige Ducks-Auftritte wurden professionell aufgenommen. Wie so vieles verschwanden die Bänder aber in Neil Youngs Archiv, bis sie nun 46 Jahre später mit dem Titel "High Flyin'" offiziell veröffentlicht werden. Leider zu spät für Blackburn, der im Januar 2023 verstorben ist.

Von einem ganz anderen Kaliber zeugt der zeitgleich erschienene Mitschnitt von einem Konzert aus London im November 1973, "Somewhere Unter The Rainbow". Es war eine düstere Zeit für Young, der miterleben musste, wie der Stammgitarrist von Crazy Horse, Danny Whitten, an Heroin zugrunde ging. Gestorben war er an jenem Abend im November 1972, als ihn Young aus der Band warf, weil er nicht mehr in der Lage war zu spielen.

Ersatz auf Tour bot Nils Lofgren, den Young schon seit den 60er-Jahren kannte und der seit 2018 fest zu Crazy Horse gehört, die bei diesem Auftritt Santa Monica Flyers hießen. Lofgren ordnet auch ein, wie das Konzert zu bewerten ist: "Somehow the music and sadness saved and healed through the grief and rage", erklärt er auf Youngs offizieller Seite.

Die Aufnahmequalität ist eher mies und klingt nach einem Bootleg aus dem Zuschauerraum. Interessant ist er vor allem, weil Young und Begleitung ein Album vorstellten, das gerade entstanden war, aber erst 1975 erschien, "Tonight's The Night". Schöne Momente bietet es natürlich trotzdem, zumal Young "Helpless" und "Human Highway" alleine auf der Gitarre spielte. Letzteres fand erst 1978 auf einem Album Platz, ist aber interessanterweise bei beiden Auftritten vertreten, einmal todtraurig, einmal im Country-Stil swingend.

Wie so oft fällt die Wahl schwer. In Sachen Cover gewinnt sicherlich "Somewhere Under The Rainbow", stimmungsmäßig gibt "High Flyin'" aber mehr her.

Trackliste

CD 1

  1. 1. I Am A Dreamer
  2. 2. Younger Days
  3. 3. Gypsy Wedding
  4. 4. Are You Ready For The Country?
  5. 5. Hold On Boys
  6. 6. My My My (Poor Boy)
  7. 7. I'm Tore Down
  8. 8. Hey Now
  9. 9. Wide Eyed And Willing
  10. 10. Your Love
  11. 11. Sail Away
  12. 12. Gone Dead Train
  13. 13. Silver Wings

CD 2

  1. 1. Human Highway
  2. 2. Your Love
  3. 3. I'm Ready
  4. 4. Little Wing
  5. 5. Car Tune
  6. 6. Windward Passage
  7. 7. Leaving Us Now
  8. 8. Mr. Soul
  9. 9. Two Riders
  10. 10. Honky Tonk Man
  11. 11. Sailor Man
  12. 12. Silver Wings

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1 Kommentar

  • Vor 11 Monaten

    Beide Veröffentlichungen sind für Neil Young Fans schwer zu empfehlen:

    "The Ducks" ist bzgl. Spielfreude und Soundqualität erstklassig. Young steuert hier nur fünf Songs bei, dennoch sehr guter Country-Bar-Rock.

    Bei "Somewhere under the Rainbow" musste die originale Bootlegaufnahme verwendet werden, deshalb sehr gewöhnungsbedürftig. Wer sich aber darauf einlassen kann erlebt ein sehr intensives Konzert mit feinsten Versionen so mancher Songs.

    Bei der Bootleg-Series wird übrigens versucht alte Bootlegs wieder neu und legal aufzulegen. Wo es besseres Material gibt, wird es verwendet, sonst wird die originale Aufnahme so gut wie möglich bearbeitet. Letzteres wurde bei "Citizen Kane Jr. Blues" und "Somewhere under the Rainbow" gemacht. Die restlichen bisherigen Veröffentlichungen der Serie haben Soundboard-Qualität.