laut.de-Kritik

Ein kommerzieller Mix aus Folk und Pop.

Review von

The Tallest Man On Earth erhöht weiter die Schlagzahl: Auf das Coveralbum "Too Late For Edelweiss" (2022), auf dem er unter anderem Titeln von The National und Yo La Tengo seinen Stempel aufdrückt, folgt nun "Henry St.". Der Schwede Kristian Matsson hat seit "The Wild Hunt" seine kratzig-eindringliche Stimme gezügelt und schlägt sanftere Töne mit dem trotz allem noch markanten Gesang an.

Den Folk hat er nicht hinter sich gelassen, wie man am Opener "Bless You" erkennt, jedoch ist ihm die Popwelt auch nicht fremd. Das wird besonders auf "In Your Garden Still" ersichtlich. Der Song kommt produzierter daher, als man es von Matsson gewohnt ist, und durch die Einbindung des Schlagzeugs geht auch das One-Man-Band-Feeling verloren. Moderner hält er ebenso "Looking For Love" mit dem durchgängigen Beat als Basis.

Auf dem Titeltrack legt der Songwriter die Gitarre zum ersten Mal beiseite. Stattdessen konzentriert er sich in der Ballade auf das Singen, während sich Multiinstrumentalist Phil Cook ans Klavier setzt. Zusammen erschaffen die beiden von Beginn an eine intime Atmosphäre. Der "little dude in the scape of songs" zeigt sich nachdenklich und melancholisch in den Lyrics. Er besingt die große weite Welt, in der man sich zuzeiten unbedeutsam und verloren vorkommt, und begibt sich auf die Suche nach seinem Platz in dieser. "I just don't know if I can take it anymore", offenbart er. Damit tanzt "Henry St." aus der Reihe; in den übrigen Liedern findet der Optimist einen Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit.

So zum Beispiel in "Every Little Heart", in dem er darüber singt, sein Dasein bis ans Lebensende der Musik zu widmen und der Welt auch in dunklen Zeiten mit offenem Herzen entgegenzutreten. Die Akustikgitarre könnte so auch aus der Feder von seinem Landsmann José González stammen. Über die Gitarre legen sich Drums, die einen ebenso eigenen Rhythmus vorgeben. Kombiniert mit den vereinzelt eingestreuten E-Gitarren-Akkorden ergibt es trotzdem ein kohärentes Klangerlebnis. Darüber hinaus lässt Matssons Stimme den Hörer an zwei Stellen aufhorchen. "Spielt er gerade Mundharmonika oder ist das noch seine Stimme?", fragt man sich.

Den folkigsten Moment der Platte findet man auf "Major League". Ein Banjo galoppiert über das Lied und auch im Gesang, in den er ab der Hälfte mehr Kraft legt, zieht der Musiker das Tempo an. Mit "In Your Garden Still" wird es dann poppig, was im Gegensatz zum darauffolgenden "Goodbye" steht. Während "In Your Garden Still" sehr clean und orchestriert klingt, schafft er auf letzterem wieder einen wärmeren und persönlicheren Sound.

"New Religion" gehört zu den interessantesten Nummern der LP, da sie etwas Neues präsentiert. Die Akustikgitarre muss ihrem elektrischen Bruder weichen, nachdem sie im Intro noch die Streicher in den Song einführt. Die ziehen sich durch einen Großteil des Tracks und stechen selbst im Hintergrund hervor. Auf "New Religion" geben mal die Instrumente, mal Matsson den Ton an. Trotzdem ist es kein Konkurrenzkampf, das Wechselspiel funktioniert.

"Foothills" stellt ein Gegenstück zum stärker instrumentierten Vorgänger dar. Die E-Gitarre wird wieder von der Akustikversion abgelöst, statt Geigen setzt er das Klavier als weitere Begleitung ein. Im ruhigen und reduzierten Stück zeigt sich ein harmonisches Zusammenspiel der Instrumente. Allerdings hätte man mit "New Religion" das Album mit einem Knall beenden können, so entscheidet Matsson sich mit "Foothills" für einen etwas einschläfernden Abschluss.

Trackliste

  1. 1. Bless You
  2. 2. Looking For Love
  3. 3. Every Little Heart
  4. 4. Slowly Rivers Turn
  5. 5. Major League
  6. 6. Henry Street
  7. 7. In Your Garden Still
  8. 8. Goodbye (Goodbye Lonesome)
  9. 9. Italy
  10. 10. New Religion
  11. 11. Foothills

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