laut.de-Kritik

Der Future aus Compton.

Review von

Wenn stimmt, dass Trap seinen Zenit langsam überschreitet, ergibt Sinn, dass die nächste große Welle nach dem Emo-Trap-Hype keine neuen exzentrischen Megastars, sondern kleinere, lokaler angesiedelte Streetrapper bringt. In der letzten Zeit hat Hip Hop-technisch die Sorte MC Fahrt aufgenommen, die zwar Einfluss und Zeitgeist von Future und Thugger in Ehren halten, den Größenwahnsinn aber eine Ecke herunterdrehen. Bodenständige Hausmannskost, wenn man so will.

Der Süden hat Lil Baby, die Ostküste A Boogie Wit Da Hoodie, im Midwesten gibt es Polo G, und zu guter Letzt scheint auch der Westen nachzuziehen: Roddy Ricch mausert sich ebenfalls zu einem beachtlichen Star. "Please Excuse Me For Being Antisocial" ist vom selben Schlag, aus dem all diese Trapper hervorgegangen sind. Es speist sich auch mit ähnlichen Themenkomplexen, würzt die dafür aber mit einem spürbaren Westküsten-Einfluss in Form von Nipsey Hussle, SOB X RBE oder The Game.

In dieser Hinsicht vekörpert Roddy nicht die Neuerfindung des Rades, aber einen Realer, der durchaus mit dem Mikrofon umzugehen versteht. Während gerade sein hypereingäniges Mustard-Feature "Ballin" viral geht, sucht seine erste Platte via Atlantic Records den nächsten Bop. Erfrischend ohne Pop-Einschlag klingen seine melodischen Pattern auf "Roll Dice" oder "Gods Eyes" aufgeweckt, hungrig und energetisch.

In den besten Momenten findet er diese perfekte Vene, in der er eingängige Momente mit minimalen Momenten zimmert. Wenn er auf "Big Stepper" eine simple Hook à la "Big Stepper like Big Meech, mhm" rappt, wird dieses winzig kleine "Mhm"-Adlib zu einem so rythmischen und griffigen Träger für Roddys unterkühltes Charisma, dass man versteht, warum Nipsey Hussle zu Lebzeiten so begeistert von dem Jungen war.

Gleichermaßen schlägt er auf emotionaleren Songs hier und da immensen Future-Einfluss an, zum Beispiel auf der schräg, aber eindringlich gesungenen Hook auf "Perfect Time" oder auf den letzten Nummern des Projektes, die mit den eindringlichen "Prayers To The Trap God" und "War Baby" auch auf "The Wizrd" hätten landen können.

Leider bringt Roddy die vielen guten musikalischen Ideen kaum in eine kohärente Form, weswegen die 16 Titel auf "Please Excuse Me For Being Antisocial" sich ein wenig wabernd und formlos anfühlen. Gerade die Beat-Auswahl geht drunter und drüber. Gefühlt gibt es keine zwei Instrumentals vom selben Beatmacher auf diesem Tape, was es neuen Hörern noch einmal immens erschwert, auf Anhieb Ricchs musikalische Identität zu verstehen.

Das schlägt auch auf die Features durch, die zwar im Durchschnitt nicht schwach ausfallen, aber dennoch eher wie zufällig in die Tracklist geworfen scheinen. A Boogie Wit Da Hoodie klingt auf "Tip Toe" solide, wertet den Song aber weder auf noch ab. Der JetsonMadeIt-Beat auf "Start Wit Me" ist einer der besten des aufsteigenden North Carolina-Produzenten, wird dann aber in seinem unmelodischen Bounce etwas schräg mit einem Gunna-Feature bestückt. Der klingt zwar nicht per se schlecht darauf, hätte aber wahrscheinlich auf jedem anderen Song der Platte besser funktioniert.

Schnörkellosen Streetrap liefert Roddy Ricch auf seinem kommerziellen Debüt ab. Was für internationale Hörerschaften in seiner eher bodenständigen Ambition vielleicht nicht auf Anhieb interessiert vorkommt, führt den Geist seiner "Feed Tha Streets"-Mixtapes mit Bravour fort. Auch wenn es im Schnitt nämlich weder groß kohärent noch groß konzeptionell wirkt, ist die Zusammenführung von West Coast und Südstaaten bei Roddy Ricch eine Sound-Graswurzelbewegung, aus der auf "Please Excuse Me For Being Antisocial" ein paar einschlägige Songs entstehen.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. The Box
  3. 3. Start Wit Me (feat. Gunna)
  4. 4. Perfect Time
  5. 5. Moonwalkin (feat. Lil Durk)
  6. 6. Big Stepper
  7. 7. Gods Eyes
  8. 8. Peta (feat. Meek Mill)
  9. 9. Boom Boom Room
  10. 10. Elyse's Skit
  11. 11. High Fashion (feat. Mustard)
  12. 12. Bacc Seat (feat. Ty Dolla $ign)
  13. 13. Roll Dice
  14. 14. Prayers To The Trap God
  15. 15. Tip Toe (feat. A Boogie Wit Da Hoodie)
  16. 16. War Baby

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LAUT.DE-PORTRÄT Roddy Ricch

Warum aus Compton stammen und nicht rappen? Roddy Ricch nimmt den Sprechgesang mit der Muttermilch auf und macht seinen ersten Track mit acht Jahren.

1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    Dieses Album ist so extrem beliebig. Die Instrumentals sind, bis auf den Mustard Track, alle ziemlich langweilig und Roddy rappt so, als wenn er versucht sich in der großen Masse zu verstecken und bloß nicht aufzufallen.