laut.de-Kritik

Sobald die Maske sitzt, entsteht eine unüberbrückbare Distanz.

Review von

"Ich bin Rako One. Merkt euch diesen Namen, merkt euch diesen Typ. Merkt ihn euch gut, denn wenn er kommt, dann gibt es den Krieg." So tönte es 2004 auf Rakos Debütalbum "Mentaler Kriegszustand". Die damalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bewies ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Drei Jahre später stufte sie 13 der 20 Songs als indizierungsrelevant ein und verbannte damit das komplette Werk auf die besonders strenge Liste B. Zehn Anspielstationen verstießen gar gegen §131 des Strafgesetzbuchs, indem sie "unmenschliche Gewalttätigkeiten" verherrlichen.

Zwei Jahrzehnte später ist ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten. "Mentaler Kriegszustand 2" fällt mit der Türramme ins Haus. Wuchtiger Sound trifft auf Samples aus dem Titelsong des ersten Teils. "Blutverschmiert im Unterhemd steh' ich nachts in deinem Zimmer. Todesangst und Gewimmer, Rako Panzer ist ein Killer", brummt Rako seine von Slashern inspirierten Verse über sinistre Südstaaten-Synthies. Auf dem Cover posiert er noch wie der Cousin von Michael Myers und Jason Vorhees, obwohl er seine einst als Zugeständnis an den Hirntot-Dresscode eingeführte Maske immer seltener trägt.

Rako geht es um mehr als Stress ohne Grund, er will "Sinnlose Gewalt": "Komm auf deine Party und entleere dort mein Magazin." Die elektronischen Klänge erinnern an Actionfilme der 1980er, die sich selbst in den intelligentesten Ausführungen ihre trashige Aura bewahren. Dem Berliner mag eine Silberzunge fehlen, doch in Songs wie "Bam Bam" oder "Loaded And Locked" verrichtet er seine Arbeit mit hörbarem Spaß. Selbstironisch erscheint es, wenn der wie "Robocop" gepanzerte Rapper erklärt: "Auf'n paar Gramm Koks machen Pussys einen auf Mann und denken, sie wären Rambos."

"Bam Bam" empfiehlt sich auch dank NNOC, der am ehesten aus dem Soundtrack zu Felix Lobrechts "Sonne Und Beton" bekannt sein dürfte. Seine Performance steigert sich von schlaftrunken bis rotsehend. Donvtello grenzt sich durch seine deutlich höhere Stimmlage ab. Im Kontrast zum grummelnden Hauptdarsteller vermittelt "Drehn Durch" fast etwas Komödiantisches. "Deine Mutter" ginge hingegen als Rhymin-Simon-Song durch, auf dem Rako nur als ungebetener Gast auftaucht. Das Niveau ist zwar pubertär, doch jeder Humor-Rückstand ist willkommen, um die Schlachtereien zu relativieren.

Das Hauptmanko von "Mentaler Kriegszustand 2" bleibt dennoch der viel zu kurz kommende 'mentale' Part. Erst mit den letzten beiden regulären Songs legt er jene reflektierte Art an den Tag, die seine Interviews ausmachen. In "Komm Mit Mir" trauert er mit Krijo Stalka der aussterbenden Romantik hinterher, in "Mein Weg 2" blickt er auf seinen Werdegang, der dank Drogen, Psychosen und Kindheitstraumata einige Stolpersteine bereitgehalten hat. So zieht er eine Stunde lang eisern seinen Kampfstiefel durch, um die Gewaltexzesse schließlich wie eine Überkompensation erscheinen zu lassen.

"Ich habe die Möglichkeit in meinem Leben, dass ich Musik mache und das Sprachrohr für eine bestimmte Schicht von Menschen zu sein", führte er im Gespräch mit "Echter geht's nicht" aus, "Es gibt so viele Leute da draußen, die so viele Probleme haben mit sich, mit ihrer Psyche, mit ihrer Umwelt und mit ihrem Leben." Er möchte seine Reichweite nutzen, um "diesen Personen zu zeigen, dass sie nicht allein sind". Doch Rako scheint der Mut zu fehlen, seine Therapie gestählte Entwicklung in die Musik zu gießen. Sobald die martialische Maske sitzt, entsteht eine unüberbrückbare Distanz zum Publikum.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Mentaler Kriegszustand 2
  3. 3. Loaded And Locked
  4. 4. Bam Bam (mit NNOC)
  5. 5. Sinnlose Gewalt
  6. 6. Provokant Militant (mit Blokkmonsta)
  7. 7. Der Straße Treu Geblieben (mit Meuss41)
  8. 8. Let's Go
  9. 9. Drehn Durch (mit Donvtello)
  10. 10. Die Ganze Nacht
  11. 11. Pimp Das Game (mit Schwartz)
  12. 12. Bring Mir Das Benzin
  13. 13. Sie Is Ne Bitch (mit NJ)
  14. 14. Panzer Party 3
  15. 15. Deine Mutter (mit Rhymin Simon)
  16. 16. Komm Mit Mir (mit Krijo Stalka)
  17. 17. Mein Weg 2
  18. 18. Panzer Posse (mit Voidmane, Almoe, GAZ, Kerka, Vokalmatador, Dee Ho, Cashisclay, Twizzy und Max Vol)
  19. 19. Deine Mutter (Remix) (mit Rhymin Simon und Max Vol)
  20. 20. Let's Go (Tekk Remix)
  21. 21. Sinnlose Gewalt (Tekk Remix)

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1 Kommentar mit 9 Antworten

  • Vor einem Monat

    Musik für Menschen die nie aus ihrer Edgelord-Phase herausgekommen sind und immer noch glauben das entsetzte Blicke des Umfelds die beste Bestätigung für den eigenen degenerierten Musikgeschmack sind. Ungehört 1/5

    • Vor einem Monat

      Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

    • Vor einem Monat

      ich kenne jemanden, der nach wie vor ständig ht merch bestellt, seine wohnung dementsprechend mit schlachtszenen dekoriert und auch sämtliche alben besitzt, auf und runter hört und das mittlerweile schon seit 15 jahren. wär mir viel too much..

      wenn ich aber meinen ht hoodie trage, werd ich in der stadt desöfteren von zwielichtigen gesellen angesprochen, die anerkennende blicke drauf werfen. es gibt sie also noch :D

    • Vor einem Monat

      Hirntot Fans = deutsche Juggalos

    • Vor einem Monat

      Also garret + Sodi = Juggalos.

    • Vor einem Monat

      @Sodhahn: Ist ja erstmal egal ob er am "normalsten" wirkt, die Frage die sich stellt ist wie man ernsthaft solche Musik auf den Markt schmeißen kann? Das kriegt auch jeder Neunjährige hin, der das erste Mal Mortal Kombat gespielt hat.

    • Vor einem Monat

      Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

    • Vor einem Monat

      wobei, schwartz corona tape war dope.

    • Vor einem Monat

      Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

    • Vor einem Monat

      stimmt alles was du schreibst, auch das zu rako. der war immer eher son lockerer atze mit härteren texten und kein hirntoter vollzeitpsycho, deswegen wirkte dann auch das aufsetzen dieser lächerlichen maske schlicht gezwungen und deplatziert

      sehe bei ht im gesamtkontext dazu auch noch das problem der unehrlichkeit. erst wollte man ums verrecken nicht zugeben, dass blokk zwischen 2005-2008 mit stimmverzerrern gearbeitet hat und dann das bis heute andauerende leugnen der dr faustus figur. als blokk dann in den letzten jahren auf manchen songs "als blokkmonsta" trotzdem mit seiner normalen faustus stimme unterwegs war und es anscheinend scheißegal ist, könnte das desinteresse an der eigenen fanbase bezüglich der ht "lore" kaum größer sein

      dazu die angesprochene eintönigkeit bzw teils schlecht gealterte musikstruktur. dagegen war dann aber z.b die ht100 von 2016 eine willkommene abwechslung