laut.de-Kritik

Schwachbrüstiger Beleg künstlerischer Hybris.

Review von

Perry Farrell kennt man hauptsächlich als Front-Sänger und Aushängeschild von Jane's Addiction. Als die sich Mitte der 00er-Jahre kurzzeitig auflöste bastelte er mit seiner anderen Band Satellite Party an einem eigenen Hybriden aus Alternative Rock, Pop, Electro und Klassik. In die gleiche Kerbe schlägt "Kind Heaven".

Nur gründete er für die Platte ein neues Projekt, Perry Farrell's Kind Heaven Orchestra. Dabei nahm er ein weiteres Mal die Dienste des Hollywood-Komponisten Harry Gregson-Williams in Anspruch. Weiterhin lud Farrell erneut zahlreiche Gäste ins Studio. Dhani Harrison, Elliot Easton von The Cars und Taylor Hawkins von den Foo Fighters wirkten unter anderem diesmal mit. Als Co-Produzenten gewann der US-Amerikaner, der auch wieder einmal hinter den Reglern saß, zudem Tony Visconti, Langzeitpartner von David Bowie.

Trotzdem ertönt das Ergebnis dumpf und undifferenziert, als wenn man einen verwaschenen Filter über das Werk gelegt hätte. Gerade die Gesangs-Passagen muten äußerst schwachbrüstig an, so dass sich größtenteils nur erahnen lässt, zu welchen Ausnahmeleistungen Perry am Mikrofon fähig ist. Bei so viel geballter Produzentenerfahrung hätte man klangtechnisch also weitaus mehr erwarten können.

Musikalisch gelingt zumindest der Einstieg, wenn in "(Red, White, And Blue) Cheerfulness" gut gelaunte Rhythmen in Anlehnung an die Beatles und eine Blues-Gitarre sommerliche Leichtigkeit verbreiten. Auch Farrell hält seine Exzentrik im Zaum und lässt es für seine Verhältnisse geradezu locker angehen. Dass die Nummer eher wie eine beiläufige Skizze denn ein Song klingt: Geschenkt. Auf jeden Fall bekommt man erstmal Lust auf mehr.

Das anschließende "Pirate Punk Politician" könnte mit druckvollen Alternative Rock-Riffs und kraftvoll stürmischem Gesang, verfeinert mit einer Prise Elektronik, genauso auf einer Jane's Addiction-Veröffentlichung stehen. Zudem verfügt das Stück noch über eine Prise Glam und Düsternis, so dass man auf das klassische 80er- und 90er-Feeling der Band nicht verzichten braucht. Dass diese gewohnten Töne zum US-Amerikaner immer noch am besten passen, verdeutlichen dann die weiteren Tracks.

"Snakes Have Many Hips" bietet zwar opulent arrangierten Glam Rock, der mit Theatralik nicht geizt, aber melodischen Wiedererkennungswert besitzt der Song nicht. Das größere Problem tut sich jedoch bei den Duetten zwischen Perry und seiner Ehefrau Etty Lau-Farrell auf, wenn sein nach wie vor markantes Organ, das allerdings auch nicht mehr wie Ende Zwanzig klingt, und ihre dünne, süßliche Pop-Stimme nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Da kann er sie in "Machine Girl" zu lauwarmen Riffs und kraftloser Elektronik noch so sehr in notorischer Alt-Rocker-Manier anschmachten, wie er möchte. Wenigstens bewahrt der eingängige Refrain das Stück vor dem Totalausfall.

Interessanter gestalten sich noch die vielen Querverweise auf die Musikhistorie. So erinnern funkige Riffs, rhythmisches Getrommel und der wavige Gesang Farrells in "One" an die Talking Heads zu "Remain In Light"-Zeiten. Leider helfen jegliche vielverspechenden Ansätze auch nicht mehr viel, sobald die effektbeladene Stimme Etty Laus einsetzt. Die funktioniert nämlich deutlich besser im Background.

Das zeigt jedenfalls "More Than I Could Bear", das sich mit schweren, opulenten Streichern und der emotionalen Gesangs-Führung des Jane's Addiction-Sängers in melancholischen Radiohead-Sphären bewegt. Dazu verleiht seine Ehefrau der Nummer noch ein wenig mehr Eindringlichkeit. Wäre da nicht das Gitarren-Solo am Ende, das sich in prätentiöser Mucker-Manier jaulend in die Höhe schwingt, aber irgendein Störfaktor muss auf der Scheibe ja so gut wie immer sein. Da schießt der aufgedrehte Dance-Track "Spend The Body", der in seiner hyperaktiven Aufdringlichkeit Charli XCX längst zu schade wäre, nur den Vogel ab.

Dann doch lieber "Let's All Pray For This World", das mit einem linearen, schlüssigen Spannungsverlauf und einem bewegenden Chorus noch einmal aufhorchen lässt und somit vor Augen führt, wie gut "Kind Heaven" hätte werden können, wenn sich Perry Farrell auf das eigentliche Songwriting und seine charakteristische Stimme anstatt auf unnötige Details konzentriert hätte. Im Großen und Ganzen spricht die Platte nämlich einzig für seine künstlerische Selbstüberschätzung. Von seiner intensiven Klasse als Sänger zu Zeiten seiner ersten, viel zu unterschätzten Post Punk-Band Psi Com (unbedingter Anspieltipp: das beklemmend düstere "City Of 9 Gates") und der frühen Jane's Addiction bleibt kaum noch eine Spur.

Trackliste

  1. 1. (Red, White, And Blue) Cheerfulness
  2. 2. Pirate Punk Politician
  3. 3. Snakes Have Many Hips
  4. 4. Machine Girl
  5. 5. One
  6. 6. Where Have You Been All My Life
  7. 7. More Than I Could Bear
  8. 8. Spend The Body
  9. 9. Let's All Pray For This World

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