laut.de-Kritik

Zwischen Lofi-Appeal und Battlerap-Sozialisierung.

Review von

Neue Deutschrap-Veröffentlichungen im Jahr 2021 stehen fast alle vor demselben Scheideweg: Entweder verarbeiten sie inspiriert US-amerikanischen Zeitgeist, oder die Musik erzählt vermutlich wenig Neues. Popmusik und Mainstream-Publikum mag das egal sein. Aber die Dialektik künstlerischer Strömungen hat mit Willkür wenig zu tun, sondern ist in der Regel das Zeichen, dass eine Geschichte auserzählt ist. Im Realismus der Malerei wurde die Welt fotografisch echt abgemalt und eingefangen, aber der millionste perfekt gemalte Baum erscheint eben nicht mehr so spannend wie der erste. Zeit für etwas Neues. Im Rap ist das nicht anders. 20 Jahre Arme wippen und Wortakrobatik auf 90 bpm hatten ihre Zeit, aber der altbekannte Baukasten lässt heute wenig Spielraum für Innovationen - "Trap" schon.

Das Album des 21-jährigen Peat findet einen überraschenden anderen Weg. Komplett unberührt vom Sound der Stunde komponiert und produziert er als Ein-Mann-Band "Ein Fest" - das keines ist. Ein Blick auf das Cover sagt dabei alles. Die vermeintliche Party ist eine Farce. Peat vertont keine heitere Zeit in lustiger Gesellschaft, sondern widmet sich Schattenseiten und Einsamkeit.

Mehr Musical als Rap-Platte, lassen die kinematografisch verspielten Produktionen und Songstrukturen das Loop- und Schablonenhafte des Rap hinter sich. Die Stimme tritt zurück und die Musik in den Vordergrund. Passagenweise arbeitet Peat komplett ohne Vocals. Spätestens an diesen Stellen, die sich kein bisschen leer anfühlen, merkt man, dass es hier um etwas anderes geht als auf Modus Mio, Deutschrap Brandneu, 16Bars und Co. So wichtig Beats im Rap auch sind und immer waren, so sehr besteht ihr Job doch darin, Unterbau der Stimme zu sein.

Auch aus kompositorischer Sicht ist "Das Fest" völlig unerwartet grandios. Hooks auf "Die Steine", "Krieg" oder "Halt" sind so viel größer, als man es von einem Ex-VBTler mit Beanie und Mio-Mate-Gimmick erwarten darf. Wer hätte gedacht, dass sich dieser einst unscheinbare Battlerapper binnen kürzester Zeit als musikalischer Wunderknabe mit unverkennbarer künstlerischer Handschrift entpuppt?

Leider sind die beschriebenen Sternstunden des Albums nur die halbe Miete. Auf der anderen Seite drischt Peat Rap-Performances aufs Parkett, die keine Klarheit verschaffen, ob man hier gerade auf einem K.I.Z.-, Dissy, oder ZM-Konzert oder doch beim wöchentlichen Poetry-Slam-Abend vom AStA gelandet ist. Das kann man natürlich mögen - genug Menschen in Deutschland hören unironisch K.I.Z. und stören sich am Klang ihrer sperrigen und disharmonischen Vocals kein bisschen. Wie sich das anhört, wenn die Verständlichkeit der gesprochenen Sprache nicht alle Sinne benebelt, hat uns Bhad Bhabie allerdings ganz richtig gezeigt.

Zwar gibt es bei Peat durchaus Momente, in denen seine One-Take-Aufnahmen Nähe und Authentizität schaffen und auch ein gewisses Charisma transportieren. Im Großen und Ganzen stecken die Raps aber zwischen gezieltem Lofi-Appeal und seiner Sozialisierung im Battlerap der 2010er-Jahre fest und sind die unüberhörbare Downside seiner Musik. Ein Rap-Album, das immer dann berührt und begeistert, wenn nicht gerappt wird - Geheimtipp-Alert!

Trackliste

  1. 1. Angst
  2. 2. Der Unterscchied Zwischen Dürfen Und Der Bedachtheit Des Könnens
  3. 3. Die Steine
  4. 4. Garten
  5. 5. Crib
  6. 6. Jetzt Interlude
  7. 7. Das Leben Ist Ein Fest
  8. 8. Krieg
  9. 9. Wenn Alles Nicht Mehr Gut Wird
  10. 10. Halt
  11. 11. Peter Und Der Wolf
  12. 12. Von Eulen Und Füchsen
  13. 13. Gute Nacht

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1 Kommentar

  • Vor 2 Jahren

    Peat hat im Finale nicht (erstaunlich hoch ) ggn jenemy verloren ;) Dennoch, ich liebe Frank Hemd, seine VBT runden und natürlich das Debut ♥ ♥ :kiss: :kiss:

    Peats albung ist auch sehr gut. Besonders gefällt mir Peter und der Wolf mit duzoe, das ich gerne zitieren würde aber das ist mir am schlaufon zu viel Arbeit.
    Ich hätte nicht gedacht, dass ,von allen Internet Battle Rap Artisten, peat, jenemy, duzoe und Dollar John (OMGDA) mich in ihrer Post VBT Phase am meisten begeistern würden. Dennoch liebe @FH siehe oben