laut.de-Kritik

Im Kampf gegen Egoismus und Eskapismus.

Review von

"Von klein auf trichtern sie jedem von uns dieselbe Scheiße ein – Familie gründen, Eigenheim und irgendwann mal reich zu sein. Als würde uns das irgendwie erlösen." PTK erweist sich als kluger Beobachter gesellschaftspolitischer Zusammenhänge. Ohne den Hörer mit Verschwörungstheorien zu strapazieren, verfolgt er die Aufklärung einer entpolitisierten Gesellschaft. Von der Konsumgesellschaft bis zum Klimawandel, von Monsantos Geschäftsgebaren bis zum Mikroplastik in der Nahrung, von der Polizeigewalt bis zum Plädoyer für Umverteilung stellt PTK ein weites inhaltliches Blickfeld unter Beweis.

Dabei führt der Titel "Ungerächte Welt" in die Irre. PTK ist auf keiner "Kill-Bill"-Mission, ihm geht es vielmehr darum, Ungerechtigkeit anzuprangern. "Im großen Stil da draußen kannst du Drogen verkaufen, doch wirst nie so gangster sein wie die oberen 10.000." Damit liefert er praktisch die 2017er-Version des Bertolt-Brecht-Zitats: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?".

"Gib mir dreckige Drums und ein paar traurige Geigen." PTK breitet seinen Weltschmerz über passende schwermütige Produktionen von KD Supier aus. Das homogene Soundbild führt in Verbindung mit dem ebenfalls nicht besonders variantenreichen Vortrag zwangsläufig zu Ermüdungserscheinungen. PTKs eindringlich vorgetragene Texte zu relevanten Themen des Zeitgeschehens vermögen jedoch die Bindung des Hörers über die volle Laufzeit von 65 Minuten.

Anders als Gossenboss mit Zett kokettiert der Rapper nicht fröhlich mit der Unterschicht, sondern bestellt freudlos "schöne Grüße vom Rande der Gesellschaft". Als treibende Kraft macht er seinen Hass auf die Umstände aus: "Immer, wenn er weiter wächst, daran erblinden viele Menschen. Der Trick ist, ihn zu lenken an die richtigen Adressen. Ich muss ihm danken, denn er machte, dass ich rappe, und er schreibt seit Tag 1 wirklich alle meine Texte".

PTK kanalisiert seine Wut in Songs wie "Blutgruppe Hass" oder "Das Haus Wird Besetzt" in livetaugliche Hooks, die sich hervorragend zur Aufstachelung des Publikums eignen. Dabei ist er sich der Gefahr eskalierenden Aufbegehrens bewusst ("Aber sie ist auch gefährlich, manche zieh'n die falschen Schlüsse. Auf einmal brennen Häuser und präzise fallen Schüsse.") und gerade deshalb stets bemüht, auf gewaltfreie Methoden zu pochen.

"Aus der Genration, die die Dinge in die Hand nimmt, nur wenn sie Touchscreen haben und die Bedienung sie nicht anstrengt, bin ich gekommen." PTK hadert mit seiner Genration, die sich in Egoismus und Eskapismus ergeht: "Hier in dieser Ellenbogengesellschaft, wo man sich nur Sorgen um sich selbst, Drogen und Geld macht". Zur Ablenkung dienen die erwähnten technischen Spielereien, Medien und Konsum: "Ich seh's dir an, weswegen es so gut funktioniert. Du pilgerst in die Konsumtempel, betest zu buntem Papier".

Auch die verstärkt in Berlin anzutreffende Partykultur dient letztlich vor allem der Realitätsflucht: "Du rennst vor dein' Problemen weg und nennst es feiern geh'n. All die Wochenenden ohne Sinn zu zelebrieren, um die Tage dazwischen nur vor dich hin zu vegetieren". Das angehängte konsumkritische Fight-Club-Sample im dazugehörigen Lied "Wut Zur Veränderung" wäre da gar nicht nötig gewesen. Zumal der Film ohnehin bereits vor Jahren kapitalistisch eingehegt wurde und nur noch als leicht konsumierbares Klischee funktioniert.

Aufgrund des starken inhaltlichen Fokus des Rappers irritieren gelegentliche textliche Aussetzer PTKs umso mehr. So gibt er sich etwa auf "Vom Rande Der Gesellschaft" einem arg weinerlichen Fatalismus hin: "Kein Problem, ich hab's verstanden: das Glück gehört den Anderen". Auch der esoterische Einschub im Titelsong schmälert ein wenig den Gesamteindruck: "Krawatte um den Hals, ihr führt euch selbst an der Leine. Ihr hört die Tiere nicht reden, ihr seht die Wälder nicht weinen". Als noch problematischer erweisen sich einige ideologische Fallen, in denen sich PTK verfängt.

Auf "Anti Turista 2" nimmt sich PTK dem nicht unwichtigen Thema der Gentrifzierung an. Doch statt sich auf die politischen und wirtschaftlichen Gründe zu konzentrieren, greift der Rapper nichts ahnend eine absurd biedere Debatte auf, die dem CDU-Politiker Jens Spahn im aktuellen Wahlkampf einige Lacher einbrachte: "Man kann's jeden Tag seh'n, hier wird Verständnis zum Fremdwort in Szene-Cafés, wo man auf Englisch bestellen muss. Parallelgesellschaft, wenn's um Gastarbeiter geht, doch wenn die Hipster unter sich bleiben, ist das auf einmal OK?". Mit verschränkten Armen und beleidigtem Schmollmund fordert er: "Ich will das Kreuzberg meiner Eltern aus den 80ern zurück".

"Fernsehen Und Zucker" behandelt die besondere Verantwortung des Elterndaseins. Sein konservatives Familienbild und seine kritische Haltung zur Abtreibung sind durchaus legitim, aber auch widersprüchlich zu vorangegangenen Äußerungen. Merkwürdig reaktionär und empathielos erscheint jedoch das fehlende Verständnis für hilfesuchende Mütter: "Wie fühlt sich das an, mit aller Kraft zu gebären, um sein Kind dann in eine Babyklappe zu legen?". Noch ärgerlicher, wenn PTK in "Gewalt" vom Credo des Gewaltverzichts abrückt, indem er nun doch mit aggressivem Widerstand liebäugelt: "Brauchen wir erst Autobomben unter Einsatzwagen, damit sie wieder Angst haben, wenn sie bei uns Streife fahren?".

Glücklicherweise sind die genannten Beispiele die Ausnahmen in einem sehr durchdachten Gesamtwerk, das innerhalb des Genres Seltenheitswert besitzt: "Deutscher Rap ist voll mit Ego-Scheiße und damit scheffeln die noch Geld. Es geht um Drogen, Sex, Gewalt – ich bin hier sowas von falsch". Mit seiner Lazarettpoesie bringt sich PTK mit "Ungerächte Welt" neben Außenseiter-Kollegen wie Prezident oder Audio88 & Yassin als weitere Stimme der Relevanz im hiesigen Rap-Zirkus in Stellung.

Trackliste

  1. 1. Babylon City (mit Sad C)
  2. 2. Blutgruppe Hass
  3. 3. Das Haus Wird Besetzt
  4. 4. Hunger
  5. 5. Wut Zur Veränderung
  6. 6. Gewalt (mit Said und AchtVier)
  7. 7. Wie Tiere
  8. 8. Vom Rande Der Gesellschaft (mit Tayler)
  9. 9. Anti Turista 2
  10. 10. Brennendes Geld
  11. 11. Ungerächte Welt
  12. 12. Die Stimme Meiner Schwester (mit Kira Livia)
  13. 13. Fernsehn Und Zucker
  14. 14. Kontinente
  15. 15. Dunkler Als Die Nacht (mit Kira Livia)
  16. 16. Hamsterrad (mit Herzog und Sadi Gent)
  17. 17. Denkmal

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