laut.de-Kritik

Power und Nostalgie von der Küste der Normandie.

Review von

Nina Attal wollte ihre Platte "Pieces Of Soul" in einem selbstgebauten Kalifornien aufnehmen. Als Französin lag für sie da die Aura der Küste der Normandie nahe. Im Umfeld des Strands entlang des Ärmelkanals vertiefte sich die 29-jährige Gitarristin in Willen, einen sonnigen Sound zusammen zu zimmern. Jahrelang hatte sie ihre Musik selbst produziert, dieses Mal ertraute sie den aber Job einem Hip Hop-Gitarristen an.

Mit ihm und vier weiteren Bandkollegen beweist Attal, dass sie sich im Soul, Blues, Rock, Funk und Fusion-Katalog der 70er und 80er-Jahre äußerst wohl fühlt und auch im Rhythm'n'Blues der 50er und 60er sowie im New Orleans-Jazz zuhause ist. Eklektisch pickt sie sich eine Vielzahl von Einflüssen heraus, die von Maceo Parker über Stevie Ray Vaughan bis Chic reichen und verschmilzt diese zu einer hammerstarken Platte.

Um eine Schublade zu finden, könnte man sagen, es gibt Parallelen zu Laura Cox und auch Joanne Shaw Taylor; Ninas Sammlung kommt aber funkier als der Stil der bluesverwurzelten Britin Joanne. Die Arrangements zeigen sich luftiger und mehr sophisticated als die Rockbrett-Riffs der Französin Laura. Luftig heißt dabei keineswegs seicht oder in Lounge-Atmosphäre. Denn ähnlich wie Billy F Gibbons von ZZ Top möchte Attal (jenseits von Sonne und Meer) die Ambivalenz der kalifornischen Wüste vertonen, die Spannung zwischen Unwirtlichkeit und Lässigkeit, zwischen einsamer Abgeschiedenheit und Hitze, in der man sich gut aufgehoben fühlen kann. Attal zehrt hier von Reiseerinnerungen.

In "Shape My Home" lässt sich die unerbittliche Wucht des typischen Stevie Ray Vaughan-Gitarrenlärms schon zum Einstieg gut spüren. Der Kniff dahinter liegt im angeschlossenen Fender Hot Rod Deville ML 212, einem Amplifier, der sich gut mit Ninas speziell umgebauter Stratocaster versteht. Lange suchte die Künstlerin nach dem passenden Klangkolorit und probierte zahllose Modelle aus. Die Blueserin arbeitet detailverliebt und setzt eine sehr straighte Vorstellung um. Sie schafft es, ihre musikalische Openmindedness perfekt zu kanalisieren.

Zart und hart gehen Hand in Hand. So im unbedingten Anspieltipp "Never Been Clear", wobei das Lied mit seinen bluesigen und jazzigen Keyboard-Akzenten und mit erdigem Schlagzeug absolut klar und schnurgerade rüberkommt, dann aber auch wieder mehrschichtig, samt gelooptem, psychedelischen Melodiemotiv, das wie ein Flöten-Sampling tönt.

Der Spaß am Ausprobieren scheint durch jeden Takt dieser schönen Platte hindurch, so ergeben sich viele Kontraste und wenig Wiederholung. "Shape My Home (Outro)" und "I Won't Make It (Intro)" sind dabei Zwischenspiele, um ein bisschen in Sixties-Psych-Rock-Ästhetik zu wabern oder Verstärkerkrach pur darzubieten. Wer lieber Songstrukturen mag, überspringt die Skits und erntet lauter knackige Kompositionen, auf denen kein Gramm zu viel lastet.

"Daughter" groovt sehr konzentriert und versunken auf das ekstatische, lange Gitarrensolo zu. "Spring Flowers" klingt wie unter einer riesigen Bettdecke aufgenommen. Die gedämpften Klangwellen verbreiten gleißendes Sonnenlicht vor dem inneren Auge und erinnern witzigerweise an eine alte Electrojazzfunk-Scheibe Jimi Tenors. Man muss beim Anhören von Ninas "Pieces Of Soul" mit einem Assoziations-Feuerwerk rechnen.

"I Won't Make It" packt einen schnell: Es brandet gitarrentechnisch etwa so wie die besten Riffs von Kravitz multipliziert mit Bonamassa-Wummern auf - eine wahre Freude und ein Song, um ihn sieben Mal am Stück anzuhören. Ab "Make A Turn" folgt eine Phase von vier ruhigeren Stücken, die im kehligen Bluespop "You're No Good" (der einzigen Coverversion) gipfeln.

Das Ende des Tracks rockt ordentlich, und mit "Get Your Shit Together" entlädt sich die französische Band dann noch mal so richtig heftig, bevor der Titelsong als atmosphärische Feuerzeug-Soulballade wiederum sehr gut dazu taugt, um innerlich einmal komplett abzuschalten und die kathartische Albumdramaturgie nachwirken zu lassen.

"Pieces Of Soul" ist ein riesen Glücksgriff, der eines bestätigt: Bluesrock als Genre hat viele Facetten und erfährt seit Beth Hart kein kurzes Revival, sondern bleibt mit großen alten und erfreulicherweise immer neuen Talenten udauerhaft bestehen. Und manchmal bringt es Meisterwerke wie dieses hervor, das sich durch einen dezenten funky Flow und leichtfüßige Stringenz auszeichnet. Zudem strahlt Attals Stimme eine ansteckende, ungetrübte Glückseligkeit aus.

Trackliste

  1. 1. Shape My Home
  2. 2. Shape My Home (Outro)
  3. 3. Daughter
  4. 4. Never Been Clear
  5. 5. Spring Flowers
  6. 6. I Won't Make It (Intro)
  7. 7. I Won't Make It
  8. 8. Make A Turn
  9. 9. Flames In The Sand
  10. 10. I Can't Stop Loving You
  11. 11. You're No Good
  12. 12. Get Your Shit Together
  13. 13. Pieces Of Soul

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