Die Diskussion um eine Radioquote für deutsche Musik hat ihren vorläufigen Abschluss gefunden: Der Bundestag forderte am Freitag eine "freiwillige Selbstverpflichtung" der Sender.

Berlin (rai) - Seit Jahren schwelt die Diskussion, immer mal wieder taucht sie auf aus dem Reich der untoten Themen: die Radioquote. Zuletzt hatte die Initiative "Musiker in eigener Sache" der Zombie-Diskussion anlässlich der Popkomm im Oktober dieses Jahres neue Nahrung gegeben. Der Bundestag solle zur Förderung einheimischer Künstler eine Mindestquote für deutsche Musik im Radio beschließen, verlangten mehr als 500 Musiker, unter ihnen Smudo, Udo Lindenberg, Max Herre und Xavier Naidoo.

Ob mit "deutscher Musik" nun ausschließlich Deutschsprachiges gemeint sei oder einfach nur in Deutschland produzierte Musik, egal welcher Sprache, darüber durfte in der Folge fleißig philosophiert werden. Ihre Undifferenziertheit war von Anfang an das Hauptproblem der Diskussion: An sich ehrenhafte Motive der Nachwuchsförderung vermengten sich mit Existenzängsten krisengeplagter Musiker, einem Schuss Xenophobie und dem allgemeinem Unbehagen über den "Dudelfunk" zu einem bedrohlichen Gebräu.

Gegner der Quote bedienten sich mit Vorliebe der "Deutschtümelei"-Keule und verwiesen auf das durchaus demokratische Argument, was im Radio laufe, sei von den Hörern eben so gewollt. In der Tat beschäftigen vor allem die privaten, werbefinanzierten und daher auf hohe Hörerzahlen angewiesenen Radiosender Legionen hochbezahlter Marktforscher, die laufend ermitteln, was der durchschnittliche Konsument zur Beschallung seines Alltags wünscht. Dass der kleinste gemeinsame Nenner dabei den größtmöglichen Langweiler gebiert, dürfte niemanden verwundern.

Nachdem sich die Bundestags-Abgeordneten Mitte Oktober im eher matten Glanz der Musiker-Initiative und ihrer Repräsentanten zu sonnen gesucht hatten, sollten nun auch Taten folgen, weshalb das Thema kurz vor der Winterpause noch flugs auf die Tagesordnung gelangte. Allerdings mussten die glamourgeilen MdBs inzwischen einsehen, dass eine Radioquote für in Deutschland produzierten Pop europarechtlich gar nicht möglich ist, weil sie im Ausland lebende Künstler diskriminiert. Lediglich eine Sprachquote ließe sich juristisch halbwegs wasserdicht formulieren. Doch dummerweise fällt all das so gar nicht in des Bundestags Zuständigkeit - Rundfunk ist Ländersache.

Und so verhandelte man am Freitag Nachmittag im spektakulär unterbesetzten Reichstag auch kein Radioquotengesetz. Statt dessen sollen die Sender sich selbst verpflichten, mehr deutschen Pop zu dudeln. Hierzu lagen zwei Anträge vor: Die rot-grüne Regierungsfraktion engagierte sich "Für eine Selbstverpflichtung öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunksender zur Förderung von Vielfalt im Bereich von Pop und Rockmusik in Deutschland." Die CDU/CSU wollte aber "Musik aus Deutschland fördern – Für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hörfunksender zugunsten deutschsprachiger Musik." Richtig, aufmerksamer Leser, zwischen "Selbstverpflichtung" und "freiwillige Selbstverpflichtung" passt kein Stück Musik - und sei es noch so dünn.

Auf die Frage, worin denn bitte der Unterschied beider Anträge liege, wusste auch CDU-Redner Steffen Kampeter keine vernünftige Antwort. Ja, die Forderungen seien schon irgendwie gleich, aber der Antrag der Regierung habe den "falschen Geist". Und ähnlich geistreich ging es weiter. Denn wenn es nichts Handfestes zu entscheiden gibt, besinnen sich Bundestagsabgeordnete auf das, was sie am besten können: zanken. Auch zweieinhalb spärlich besetzte Parlamentsbänke genügen noch, um während der Reden den Hintergrundlärmpegel mittels Zwischenrufen, Gelächter und Pöbeleien ordentlich hoch zu halten. Jede x-beliebige Hip Hop-Battle verläuft disziplinierter. Am Rednerpult mühten sich unterdessen selbsternannte Popkulturförderer, die Namen ihrer Klientel möglichst unfallfrei auszusprechen - erfolglos. Es war eine erbärmliche Veranstaltung.

Hans-Joachim Otto von der FDP, der beide Anträge doof finden musste, weil er Liberaler ist und damit generell gegen staatliche Eingriffe, nutzte sogar noch die Gelegenheit für einen Diss gegen Daniel Küblböck und Dieter Bohlen: Es gehe den Antragstellern gar nicht um Qualität im Radio, polterte Otto. Bei einer Förderung deutscher Popmusik komme am Ende so was wie das Bohlen-Produkt Küblböck raus - "ärmlich" sei das. Nun mag man von der pubertären Gurkenlasterramme halten was man will - als Witzvorlage zu enden für dümmliche Ottoreien poppolitischer Hinterbänkler, das hat nicht mal ein Küblböck verdient.

Am Ende gewann erwartungsgemäß der rot-grüne Antrag die Abstimmung. Was passiert nun? Die Bundesregierung wird bei den Radiosendern der Republik vorsprechen und ihnen vorschlagen, "in den Musikprogrammen einen Anteil von annähernd 35 % deutschsprachiger bzw. in Deutschland produzierter Pop- und Rockmusik zu senden, wobei zur Hälfte Neuerscheinungen deutschsprachiger bzw. in Deutschland produzierender Nachwuchsmusiker zu berücksichtigen" wären. Die Radiosender werden einmal herzlich lachen, auf kommerzielle Zwänge verweisen, mit Arbeitsplatzverlust drohen und der Bundesregierung einen schönen Tag wünschen.

Doch für diesen Fall droht die Regierung schon mit drakonischer Sanktionierung. Nach einem Jahr werde nämlich die Einhaltung der "Selbstverpflichtung" überprüft, und falle das Ergebnis nicht zur Zufriedenheit aus, werde man den Zombie Quote "ggf. erneut zum Thema machen." Gnade!

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