Die Vorwürfe gegen Lokal-Politiker und Loveparade-Veranstalter werden lauter. Unterdessen prüfen Festivals Konsequenzen aus der Katastrophe.

Wacken/Duisburg (anu) - Nach der Loveparade-Tragödie unterziehen Festivals überall ihre Sicherheitskonzepte einer Prüfung. So auch das Wacken Open Air, das vom 5. bis 7. August 75.000 Heavies aus aller Welt begrüßen wird.

Im Notfall: Zäune umkippen

Sicherheitschef Thomas Hess erklärte gegenüber einer Presseagentur, man wolle noch einmal mögliche Schwachstellen ausloten. Eine Massenpanik wie am vergangenen Samstag in Duisburg sei jedoch nicht möglich, da die Veranstaltungsfläche des Festivals offen sei und die Bauzäune, die das Gelände umgrenzen, umgekippt werden könnten.

Folgenschwere Fehleinschätzungen

Unterdessen erhärten sich die Vorwürfe gegen die Veranstalter der Loveparade: Die nordrhein-westfälische Landesregierung wirft der Lopavent GmbH rund um Rainer Schaller vor, in ihren Planungen von völlig falschen Berechnungen ausgegangen zu sein, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Eine vorläufige Analyse ergab, dass die Besucher nicht, wie vom Veranstalter angenommen, nach Betreten des alten Güterbahnhofs die Eingangsrampe verließen und sich auf dem Gelände verteilten. Im Gegenteil: Da die Lastwagen der Parade viel zu nah an der Rampe vorbeigefahren seien und dort auch Essensstände aufgebaut waren, seien die Menschen stehen geblieben.

So kam es im Eingangsbereich zu einem Stau, der den Druck auf die nachströmenden Gäste weiter gegeben habe. Außerdem seien nicht, wie im Sicherheitskonzept eigentlich festgelegt, 150 Ordner vor Ort gewesen, die den Stau hätten auflösen können, sondern viel weniger.

Bedenken sorglos kleingeredet

Bereits im Vorfeld sollen sich die Veranstalter mehrfach über Einwände gegen das Konzept der Parade hinweggesetzt haben. Mangelhafte Fluchtwege und das für solch eine Größenordnung ungeeignete Gelände waren die Hauptbedenken, die immer wieder angemeldet worden seien.

Die Polizei habe vielfach auf Gefahren hingewiesen, doch vergeblich: "Wir haben da unsere Erfahrungen", zitiert die SZ die überhebliche Reaktion des Veranstalters. Vorschläge, eine Videoüberwachung im Eingangsbereich einzusetzen, wurden ebenfalls ignoriert.

Schaller, der bislang jede Schuld von sich wies, teilt indes kräftig aus: Er hatte behauptet, eine "verhängnisvolle Anweisung" der Ordnungshüter, die Schleusen vor dem Tunnelzugang auf dem Gelände zu öffnen, habe zur Massenpanik geführt. Die Polizei weist diese Vorwürfe zurück.

Sauerland tritt nicht zurück

Auch Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland entzieht sich bisher jeglicher Verantwortung. Dabei deuten immer mehr Hinweise darauf hin, dass die Verwaltung der Stadt von der Politik unter Druck gesetzt wurde, die Loveparade trotz Bedenken zu genehmigen.

Einen Rücktritt lehnt Sauerland ab, da er befürchte, damit für den Rest seines Lebens für die Todesopfer verantwortlich gemacht zu werden, wie er der WAZ mitteilte. Der Trauerfeier für die Opfer, die am kommenden Samstag stattfindet, will der OB fernbleiben.

Er wolle "die Gefühle der Angehörigen nicht verletzen und mit seiner Anwesenheit nicht provozieren", sagte ein Sprecher der Duisburger Stadtverwaltung. Auch Sicherheitsbedenken dürften zu der Entscheidung geführt haben: Sauerland steht mittlerweile wegen Morddrohungen unter Polizeischutz.

Die Zahl der Todesopfer hat sich vergangene Nacht auf 21 erhöht, eine junge Frau erlag in einem Essener Krankenhaus ihren Verletzungen. Den Obduktionen zufolge starben die Opfer der Katastrophe an Brustquetschungen. Bisher gingen die Ermittler davon aus, dass auch sturzbedingte Genickbrüche den Tod der Festivalbesucher verursacht haben könnten.

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13 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Bei Wacken sind aber lediglich wie beschrieben 75 000 Gäste, es geht laut Aussagen der Fans, der Veranstalter und des Dorfs absolut friedlich zu. Dass man sich aber Gedanken macht, finde ich, ist die logische Konsequenz, wobei es in der Vergangenheit nie irgendwelche Sicherheitsprobleme gab. Vorsicht ist in diesem Fall besser als Nachsicht bzw. verbrecherischer Gier. Zeigt einmal mehr, dass Metaler intelligenter als Raver sind.^^

  • Vor 13 Jahren

    Wenn ich die Reaktionen der Verantwortlichen lese, wird mir schlecht! Wie kann man so egoistisch sein und nicht zugeben, dass man massive Fehler gemacht hat? Das war nicht ein Mensch alleine, aber statt im Kollektiv zuzugeben "Ja, wir tragen Mitschuld", wird hier einfach der schwarze Peter von einem zum anderen geschoben. Das kann man bei Sachschaden vielleicht so machen, aber doch nicht, wenn so viele Menschen zu Schaden gekommen sind!!! Ich könnte kotzen!!!

  • Vor 13 Jahren

    @crystal83 (« Ich könnte kotzen!!! »):

    mach doch.

  • Vor 13 Jahren

    @crystal83 (« Wenn ich die Reaktionen der Verantwortlichen lese, wird mir schlecht! Wie kann man so egoistisch sein und nicht zugeben, dass man massive Fehler gemacht hat? Das war nicht ein Mensch alleine, aber statt im Kollektiv zuzugeben "Ja, wir tragen Mitschuld", wird hier einfach der schwarze Peter von einem zum anderen geschoben. Das kann man bei Sachschaden vielleicht so machen, aber doch nicht, wenn so viele Menschen zu Schaden gekommen sind!!! Ich könnte kotzen!!! »):

    Ich könnte kotzen wenn ich die Hexenjagd auf nur einen der Mitverantwortlichen sehe, der sogar schon Morddrohungen bekommt!Ist denn der OB etwa allein verantwortlich?
    Schon lange VOR dieser Massenzusammenrottung haben Polizei und Feuerwehr und andere Öffentlich gewarnt, und DIESE Warnungen hätte nicht nur ein Herr Sauerland hören müssen sondern auch all jene die sich jetzt gegen selben zusammenrotten!
    Jeder kluge geht bei derart Warnungen nicht dahin, und wenn doch, dann drängt er nicht in einen Tunnel in den es augenscheinlich nicht vorwärts geht!
    In erster Linie ist doch jeder für sich selbst verantwortlich, es kann doch nicht sein das vorgeblich mündige Menschen gleich zwei Ordner pro Mann benötigen, um sicher am Händchen durch ein Event geleitet zu werden!

    Wenn überhaupt Sauerland die Macht zum Veto gehabt hätte, was wäre dann passiert?
    Die gleichen Hansel die jetzt auf selben einschlagen, hätten ihn als "Spassbremse" verdammt!
    Ein OB hat weder das Wissen noch die Aufgabe Gefahrenpotentiale einer Veranstaltung richtig einzuschätzen. Die einen sagten es sei ok , andere haben gewarnt - so what?
    Selbst trotz des dummen Tunnel wäre nichts passiert wenn es nicht weitere Pannen gegeben hätte, für die die Veranstalter (und die zugedröhnten Massen selber)verantwortlich war - aber für manch Herrschaften gibt es ja nur ein "Feindbild" , einer soll jetzt "politisch" Verantwortung übernehmen, man jagt einen Buhmann durch die Stadt um eigene Verantwortung zu kaschieren!

  • Vor 13 Jahren

    @nebel (« @crystal83 (« Wenn ich die Reaktionen der Verantwortlichen lese, wird mir schlecht! Wie kann man so egoistisch sein und nicht zugeben, dass man massive Fehler gemacht hat? Das war nicht ein Mensch alleine, aber statt im Kollektiv zuzugeben "Ja, wir tragen Mitschuld", wird hier einfach der schwarze Peter von einem zum anderen geschoben. Das kann man bei Sachschaden vielleicht so machen, aber doch nicht, wenn so viele Menschen zu Schaden gekommen sind!!! Ich könnte kotzen!!! »):

    Ich könnte kotzen wenn ich die Hexenjagd auf nur einen der Mitverantwortlichen sehe, der sogar schon Morddrohungen bekommt!Ist denn der OB etwa allein verantwortlich?
    Schon lange VOR dieser Massenzusammenrottung haben Polizei und Feuerwehr und andere Öffentlich gewarnt, und DIESE Warnungen hätte nicht nur ein Herr Sauerland hören müssen sondern auch all jene die sich jetzt gegen selben zusammenrotten!
    Jeder kluge geht bei derart Warnungen nicht dahin, und wenn doch, dann drängt er nicht in einen Tunnel in den es augenscheinlich nicht vorwärts geht!
    In erster Linie ist doch jeder für sich selbst verantwortlich, es kann doch nicht sein das vorgeblich mündige Menschen gleich zwei Ordner pro Mann benötigen, um sicher am Händchen durch ein Event geleitet zu werden!

    Wenn überhaupt Sauerland die Macht zum Veto gehabt hätte, was wäre dann passiert?
    Die gleichen Hansel die jetzt auf selben einschlagen, hätten ihn als "Spassbremse" verdammt!
    Ein OB hat weder das Wissen noch die Aufgabe Gefahrenpotentiale einer Veranstaltung richtig einzuschätzen. Die einen sagten es sei ok , andere haben gewarnt - so what?
    Selbst trotz des dummen Tunnel wäre nichts passiert wenn es nicht weitere Pannen gegeben hätte, für die die Veranstalter (und die zugedröhnten Massen selber)verantwortlich war - aber für manch Herrschaften gibt es ja nur ein "Feindbild" , einer soll jetzt "politisch" Verantwortung übernehmen, man jagt einen Buhmann durch die Stadt um eigene Verantwortung zu kaschieren! »):

    Danke. Das ist das selbe wie bei BP. Als ob wir nicht die Möglichkeiten hätten das Loch zu schliessen NEIN das muss BP alleine machen und nachher heulen alle rum weil sie es nicht rechtzeitig geschafft haben.