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OKTOBER: ALBEN / DEUTSCH

Freshman Mirco: Wie war das noch gleich, mit der Trennung von Kunst und Künstler*innen? Im Falle von Haiyti scheint es fast schon notwendig, sonst würden Jahr für Jahr in deutschen Landen die ohnehin spärlich gesäten Highlights noch ein wenig rarer ausfallen. Auch mit "Ich Lach Mich Tot" hält die Rapperin ein Qualitätsniveau, das angesichts ihrer Release-Frequenz fast schon unverschämt wirkt. Ernsthaft, die Frau bringt jedes Jahr ein bis zwei Alben mit über zwanzig Songs und macht trotzdem fast nichts falsch. Selbst dann nicht, wenn sie die verdammten Ärzte covert.

Zugegebenermaßen unterstreicht auch dieses Album, dass ihre Musik nicht gerade die längste Halbwertszeit aufweist. Besonders oft höre ich es nämlich nicht mehr, aber in der Zeit, die ich dieses Jahr damit verbrachte, hatte ich großen Spaß. Das Gleiche kann ich von PA Sports oder einem Disarstar, der mit seinem letzten Album wirklich den letzten Rest seines Anarcho-Appeals verloren hat, nicht behaupten.

Dieser Yannik™: Wann ist Disarstar eigentlich so ein großer Deal geworden? Ich habe ein paar Leftie-Rapper, die ich ab und zu nicht ungerne höre, und er ist wohl der einzige von denen, der manchmal okaye Beats picken kann. Aber als Typ habe ich ein ähnliches Problem mit ihm wie ich es mit Leuten wie Waving The Guns auch manchmal habe. Wie kann man sich gegen Mackertum aussprechen, es aber in jeder Facette so komplett verkörpern? Keine Ahnung, ich find ihn inhaltlich oft stumpf und als Typen irgendwie unsympathisch, verstehe aber, warum viele das Album cool finden. Muss ja nicht jeder alles gut finden.

Das Thema Haiyti finde ich aber auch spannend. Ganz ehrlich, wahrscheinlich wäre es auch undenkbar, in dieser Frequenz Alben zu machen, die wirklich hängenbleiben und jedes einzelne ein wirklich definierendes sein zu lassen. Ich habe mich auch schon ehrlich gefragt, ob diese Halbwertszeit ihrer Alben nicht langsam als Argument gegen sie ins Feld geführt werden müsste. Sie hat jetzt ja wirklich schon dieses lange Register an vom Feuilleton geadelten Alben, an deren Existenz ich mich teils erst wieder erinnere, wenn ich sie auf ihrer Spotify-Seite sehe. Aber wenn ich dann doch wieder reinhöre, finde ich es plötzlich wieder geil. Kompliziert, ey!

Yo Grandma Fromm: Jesses, ich habe schon befürchtet, dass auch in diesem Jahr wieder das Thema Haiyti aufkommt und ich dem noch immer nicht mehr hinzuzufügen habe als: Keine Ahnung, was die Leute an ihr finden. Außer ihren hin und wieder echt beeindruckend speziellen Stimmeinsatz kann ich dieser Frau wirklich gar nichts Feiernswertes abgewinnen.

Dafür hätte ich hier noch ein bisschen Wasser auf deine Mackertum-Kritik-Mühlen, Yannik: Hast du dieses Hinterlandgang-Album gehört? Damit hatte ich anfangs genau deswegen irre Berührungsängste. Kampfsport. Hockstrecksprünge. Leibesertüchtigung. Ostdeutscher Lokalkolorit. Zu Hülf, das fand ich eigentlich alles furchtbar. Als ich da aber erst drüber weg war, ist "Maschendraht" locker zu meinem Oktober-Lieblingsrelease gewachsen. Weil: sympathische, schlaue, aufrichtige Jungs, die völlig unverbogen von dem erzählen, das sie umgibt, das sie kennen und das sie umtreibt. Da hab' ich echt noch was lernen können. Allem voran, dass man seinem eigenen Ersteindruck nicht unbedingt immer trauen sollte.

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